Antritt von Kirill Petrenko: Ein Orchester ist verliebt
Ja, sie wollen: Kirill Petrenko scheint für die Berliner Philharmoniker viel mehr zu sein als bloß der neue Chefdirigent. Eine Glosse.
So viel Euphorie war selten. Mehr noch als das Publikum scheinen sich die Berliner Philharmoniker auf ihren neuen Chef Kirill Petrenko zu freuen, der am 23. August seinen offiziellen Einstand mit Beethovens „Neunter“ in der Philharmonie gibt und tags darauf das Orchester vor dem Brandenburger Tor noch einmal durch die Sinfonie mit dem Götterfunken-Finale führt.
Bei der Pressekonferenz, auf der die Pläne für die jetzt startende Saison präsentiert wurden, wählten die Orchestervertreter nicht wie gewohnt wohl abgewogene Worte, ergingen sich nicht in den üblichen, diplomatisch-freundlichen Formulierungen. Nein, sie gerieten hemmungslos ins Schwärmen. Vier Jahre nach Petrenkos Wahl im Juni 2015, sagt Orchestervorstand Alexander Bader mit leuchtenden Augen, sei nun endlich der Moment gekommen, „dass wir ihn über die Schwelle ins Haus tragen können“.
Ganz ähnliche Töne erklangen auch bei der ersten Pressekonferenz des Konzerthausorchesters und seines neuen Chefdirigenten Christoph Eschenbach, dessen Amtszeit am 30. August beginnt. Volle drei Jahre habe die Zeit des Werbens um den Maestro gedauert, erzählt Intendant Sebastian Nordmann, bis der endlich „Ja“ sagte. Nachdem ihn das Konzerthausorchester „mit Kniefall“ darum gebeten hatte.
Die Hochzeitsmetaphorik der beglückten Berliner Musiker überrascht. Denn eigentlich sind Beziehungen von Dirigenten und Orchestern lediglich Lebensabschnittspartnerschaften. Ein Bis-dass- der-Tod-euch-scheidet-Pakt, wie ihn die Berliner Philharmoniker einst mit Herbert von Karajan schlossen, erscheint heute nicht mehr zeitgemäß – wobei die Staatskapelle Berlin Selbiges mit Daniel Barenboim trotzdem anzustreben scheint. Moderne Orchester denken da anders, eher mittelfristig. Was deren Mitglieder natürlich nicht davon abhalten soll, in die zeitlich limitierte Liaison wie frisch Vermählte zu starten, die Flitterwochen, -monate oder -jahre durchzuturteln. Darum sei Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern wie auch Christoph Eschenbach und dem Konzerthausorchester ein künstlerisch stimulierender Start ins Glück gewünscht. Und ein Bonmot von Antoine de Saint-Exupéry mitgegeben: „Liebe besteht nicht darin, dass man einander anschaut, sondern dass man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt.“