Richard Strauss' "Alpensinfonie": Ein Hoch auf die Klassik
Vor genau 100 Jahren wurde sie in Berlin uraufgeführt: Darum spielen dort jetzt drei Top-Orchester an drei Tagen Strauss' monumentale "Alpensinfonie"
Dieser Oktober ist wenigstens für Klassikfans ein goldener Monat. Erst das Monsterwochenende zum Tag der Deutschen Einheit mit großen Premieren aller Berliner Opernhäuser, dann der doppelte Beethoven-Zyklus von Simon Rattle und den Philharmonikern und nun noch dies: Von Montag an ist Richard Strauss Alpensinfonie gleich drei Mal hintereinander zu erleben, an drei aufeinanderfolgenden Tagen von drei Top-Orchestern porträtiert, an deren Spitze weltbekannte Dirigenten stehen. Den Anfang machen Gustavo Dudamel und die Staatskapelle Berlin, am Dienstag folgen Christian Thielemann und die Staatskapelle Dresden, am Mittwoch sind Andris Nelsons und die Berliner Philharmoniker dran.
Der Grund ist naheliegend. Vor genau 100 Jahren erlebte die Alpensinfonie ihre Uraufführung in der Bernburger Straße nahe dem Anhalter Bahnhof: ein virtuos gemachtes, farbsattes sinfonisches Tongemälde, das klingende Pendant zu den Ölschinken, mit denen der Maler Anton von Werner damals Kaiser Wilhelm begeisterte.
Das Einmalige bei diesem orchestralen Gipfeltreffen: Alle Aufführungen finden in demselben Saal statt, in Hans Scharouns basisdemokratisch konzipiertem Jahrhundertbau am Kulturforum nämlich. Wer also schon immer einmal verstehen wollte, wofür so ein Dirigent eigentlich sein Geld bekommt, kann das jetzt in der Philharmonie erleben.
Rein technisch gesehen können Profimusiker jedes Werk auch ohne die Hilfe eines Taktstockträgers bewältigen, das ist es nicht. Was Dudamels, Thielemanns und Nelsons Dirigate voneinander unterscheiden wird, liegt im Bereich des Psychologischen. Darin sind die Maestri mit Spitzenmanagern vergleichbar. Sie müssen motivieren können, Energieströme lenken, die jeweils zur Situation passende Atmosphäre herstellen, kurz, eine Gruppe von hochqualifizierten Individuen zum Kollektiv formen, das dann aus freiem Willen in ein und dieselbe Richtung strebt. Die Magie, die entsteht, wenn all dies gelingt, beschreibt Simon Rattle gerne so: „Dann können wir fliegen.“
Weil die Dirigenten in der Philharmonie unter identischen akustischen Bedingungen mit der Alpensinfonie antreten, wird auch der Laie problemlos nachvollziehen können, wer bei diesem dreifachen Bergfest seine Sache am überzeugendsten macht. Das ist das Großartige an der Live-Kultur: Tricksen geht nicht, alles läuft in Echtzeit ab. Am Ende entscheidet das Publikum, wer nur Flachware abgeliefert hat - und wer ein echter Gipfelstürmer ist. Der hat sich seinen Strauss dann redlich verdient.