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Klare Regeln: Eine Seite aus „Trubel mit Ted“.
© Edition Moderne

Die Comic-Bestenliste der Kritiker: Eigener Blick auf die Welt

30 Comic-Kritikerinnen und -Kritiker wählen ihre Favoriten der Saison. Émilie Gleasons Graphic Novel „Trubel mit Ted“ ist der Siegertitel.

30 Comic-Kritikerinnen und -Kritiker haben gerade wieder ihre Favoriten des Quartals gekürt. In der vierteljährlich erstellten Bestenliste, die der Tagesspiegel in Kooperation mit der Fachzeitschrift „Buchreport“, der Website comic.de und dem Radiosender rbbKultur präsentiert, ist der Siegertitel diesmal Émilie Gleasons „Trubel mit Ted“. Birte Förster hat das Buch für den Tagesspiegel rezensiert - die anderen neun Top-10-Titel finden sich weiter unten.

Ein wenig ungelenk, mit seinen extrem langen Beinen und hochgezogenen Schultern, bewegt sich Ted in Windeseile durch die Stadt. Laufen gehört für ihn zur täglichen Routine. Auch sonst setzt er darauf, dass sich Abläufe und Strukturen unverändert fortsetzen. Geraten diese durcheinander, bricht Chaos in seinem Kopf aus – und in seinem Leben. Denn Ted hat das Asperger-Syndrom und nimmt die Welt auf seine ganz eigene Weise wahr.

Wie es ist mit dieser Form von Autismus zu leben, beschreibt Émilie Gleason in ihrer Graphic Novel „Trubel mit Ted“ (Edition Moderne, 128 S., 24 €). Für ihren Comic wurde die in Frankreich lebende belgisch-mexikanische Zeichnerin 2019 beim Internationalen Comicfestival in Angoulême mit dem Preis für das beste Debüt ausgezeichnet. 

Inspiriert ist die Geschichte von Gleasons jüngerem Bruder, bei dem das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde.

In der Metro hat er einen festen Sitzplatz

Ted lebt ein eigenständiges Leben mit klaren Regeln. Er arbeitet als Bibliothekar, auf der Fahrt zur Arbeit mit der Pariser Metro beansprucht er seinen festen Sitzplatz. Für jeden Tag sind bestimmte Kleidungsstücke und Speisen vorgesehen.

Dabei hält er sich an das Altbewährte: Seit zwei Jahren bestellt er mittags täglich einen „Trippel-Tschiis-Bacon-Mayo-extra-Fritten und eine Cola“. Die skurrile Logik, mit der er sich die Welt erschließt, sowie die unbewusst radikale Ehrlichkeit gegenüber Mitmenschen sorgen bei der Lektüre oft für Schmunzeln.

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.
© Edition Moderne

Wie temporeich und dynamisch Gleason ihre Graphic Novel gestaltet, ist verblüffend. Ortswechsel und schnelle Bewegungen potenzieren sich durch knallige Farben, die einem nach jedem Umblättern förmlich entgegenspringen.

Die Kolorierung richtet sich nach Teds Wahrnehmungshorizont: Menschen, die in seinem Leben eine Bedeutung haben, sind vollständig mit Farbe ausgefüllt. Ihnen haucht Gleason Leben ein. Bei flüchtigen Begegnungen bleibt es bei den Konturen. Skizzenhaft-wackelig wird der Strich und expressive Formen entstehen, wenn Ted in Panik gerät.

Mit Tabletten vollgepumpt

Und da reicht schon eine Kleinigkeit aus: Zum Beispiel, als eine Metrolinie auf dem Weg zur Arbeit wegen Bauarbeiten unterbrochen ist. Überfordert und unfähig zu reagieren, erlebt er daraufhin lauter unerwartete Situationen: Er verliebt sich in eine ältere Frau, landet in einem Sexshop und auf einem Konzert.

All das ist höchst unterhaltsam. Der Comic beleuchtet aber auch die schwierigen Seiten von Teds Lebensrealität wie die oft nicht einfachen Beziehungen zu seiner Familie – für beide Seiten. Dass Ted später mit Tabletten vollgepumpt wird und mehr über ihn als mit ihm gesprochen wird. Dabei leidet man mit diesem Antihelden, der mit all seinen Eigenheiten zu einem echten Sympathieträger geworden ist.

Die anderen Kritiker-Favoriten

Neben Emilie Gleasons „Trubel mit Ted“ sind folgende Titel die aktuellen Favoriten der Jury aus 30 Comic-Kritikerinnen und -Kritikern:

2. Lukas Jüliger: „Unfollow“ (Tagesspiegel-Rezension folgt in Kürze)

3. Martin Panchaud: „Die Farbe der Dinge“

4. Nina Bunjevac: „Bezimena“ (hier gibt es die Tagesspiegel-Rezension, hier ein Interview mit der Künstlerin)

5. Uli Oesterle: „Vatermilch“ (Tagesspiegel-Rezension folgt in Kürze)

6. Jeremy Perrodeau: „Dämmerung“

7. Sfar/Blain: „Blueberry - Das Trauma der Apachen“ (hier gibt es die Tagesspiegel-Rezension)

8. Shigeru Mizuki: „Kindheit und Jugend“ (Tagesspiegel-Rezension folgt in Kürze)

9. Max Baitinger: „Happy Place“ (Tagesspiegel-Rezension folgt in Kürze)

10. Koyoharu Gotoge: „Demon Slayer“ (hier gibt es die Tagesspiegel-Rezension)

Die Jury: Barbara Buchholz (Comixene, Der Tagesspiegel), Gina Dähmlow (Sumikai), Anne Delseit (Animania), Christian Endres (die zukunft, Geek!, Der Tagesspiegel), Birte Förster (Kulturmagazin, Tagesspiegel), Gerhard Förster (Die Sprechblase), Christian Gasser (Radio SRF 2, Neue Zürcher Zeitung), Joanna Gawronska (Heldin in Strumpfhose), Christoph Haas (Süddeutsche Zeitung, taz.die tageszeitung), Volker Hamann (Alfonz, Reddition), Gerd Heger (Saarländischer Rundfunk), Andrea Heinze (rbb Kulturradio, Deutschlandfunk), Jule Hoffmann (Deutschlandfunk Kultur), Alex Jakubowski (ARD-aktuell, Alfonz), Martin Jurgeit (buchreport, die neunte), Karin Krichmayr (Der Standard), Jörg Krismann (Comixene), Gerrit Lungershausen (Comicgate, Closure), Frank Neubauer (ZACK), Mattes Penkert-Hennig (Dein Antiheld), Andreas Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Claudia Reicherter (Südwest Presse), Martin Reiterer (Wiener Zeitung),
Volker Robrahn (Comic-Talk), Martin Schöne (3sat: Kulturzeit), Sabine Scholz (Animania, Der Tagesspiegel), Lars von Törne (Der Tagesspiegel), Ralph Trommer (taz.die tageszeitung, Der Tagesspiegel),
Gesa Ufer (Deutschlandfunk Kultur, rbb radioeins), Hans Jürg Zinsli (Berner Zeitung, Tages-Anzeiger)

Birte Förster

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