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Scrooge McDuck: Eine Szene aus den gesammelten Weihnachtscomics von Carl Barks.
© Egmont

Weihnachten in Entenhausen: Disneys Bescherung ohne Ende

Zwischen Kitsch, Gegrummel und beißender Sozialsatire: Wie Disneys Zeichner das Weihnachtsfest in ihren Comics verarbeiteten.

Wie viel Weihnachten passt in so ein Jahr? Bei Disney kann man es in eine Zahl pressen: 728 Seiten. Das ist der Gesamtumfang der Weihnachtspublikationen dieses Jahr. Aber längst nicht alles.

Drei Bände sind's: zwei Lustige Taschenbücher ("LTB Weihnachten", immerhin schon Band 24, sowie "LTB Advent", bescheiden erst der vierte Band), und ein Hardcover-Album, "Wundervolles Weihnachtsfest". In Zahlen: 728 Seiten Weihnachten, Episoden von eins bis dreißig Seiten Länge, insgesamt fünfzig unterschiedliche Geschichten.

"Weihnachten liegt mir nicht!"

Das heißt: fünfzig Mal Geschenkekauf, Bescherung, Weihnachtsmahl. Fünfzig Mal Katastrophen, die das alles zu verhindern drohen. fünfzig Mal Entenhausen im Schnee, fünfzig Mal Weihnachtsbaum. Da geht so viel Weihnachten, bis Weihnachten nicht mehr geht.

Manchmal sogar noch mehr: 2010 und 2016 kamen auf die regelmäßigen Veröffentlichungen noch je ein zusätzlicher Schuber mit zwei Bänden oben drauf, Umfang fünfhundert bis siebenhundert Seiten. Zum einen eine weitere Kompilation mit wieder anderen Weihnachtsgeschichten. Zum anderen sämtliche Weihnachts-Episoden von Duck-Man Carl Barks.

Der hatte bekanntlich ein gespaltenes Verhältnis zu zum Christfest. "Weihnachten liegt mir nicht! Ich kann niemanden leiden, und mich kann auch niemand leiden", ließ er (in der deutschen Übersetzung von Erika Fuchs) Onkel Dagobert bei seinem allerersten Auftritt von 1947 sagen. Es ist die Ironie der Geschichte, dass es gerade seine Comics waren, die jene Tradition für Weihnachts-Episoden bei Disney begründeten.

Weihnachtsente: Das Cover des aktuellen Sammelbandes mit Disney-Weihnachtscomics.
Weihnachtsente: Das Cover des aktuellen Sammelbandes mit Disney-Weihnachtscomics.
© Egmont

Barks' Abneigung mochte Gründe haben. In den zwei Jahren vor Dagobert Ducks erstem Auftritt hatte der Disney-Konzern vier Weihnachtsgeschichten bei Barks bestellt. Eine davon wurde ein kitschiges Garn über verlorene Weihnachtsgeschenke, die den Ärmsten der Armen zu einem frohen Fest helfen.

Eine andere eine rasante, letztlich aber belanglose Slapstick-Episode über einen Albatros, der die Familie Duck in der Vorweihnachtszeit terrorisiert. Und eine geriet Barks so rabiat (Donald und dessen Nachbar Zorngiebel terrorisieren sich gegenseitig mit Weihnachtsliedern), dass der Verlag sie für vierzig Jahre unveröffentlicht in den Giftschrank packte. Dann lieferte Barks, wohl auch als Reaktion auf diese Erfahrung, den griesgrämigen Onkel Dagobert.

Vier bis fünf Weihnachtsgeschichten pro Jahr

Barks war zwar nicht der erste Disney-Comiczeichner, der sich mit dem Thema Weihnachten beschäftigte. Bereits in den täglichen "Donald Duck"-Zeitungsstrips von Al Taliaferro ab 1938 war das Fest der Feste regelmäßiges Thema gewesen. In einem etwa müht sich der wütende Enterich, einen Weihnachtsbaum zu entsorgen, in einem anderen wird er schon lange vor Heiligabend von den Neffen als Weihachtsmann-Imitator entlarvt.

Weihnachten im Krieg: Ein Panel aus einem Donald-Duck-Comicstrip von Al Taliaferro 1944.
Weihnachten im Krieg: Ein Panel aus einem Donald-Duck-Comicstrip von Al Taliaferro 1944.
© Disney Comics/ IDW Publishing

Aber da die Hauptzielgruppe dieser Strips erwachsene Zeitungsleser waren, blieben das Randepisoden. Es gab nicht einmal in jedem Jahr Weihnachtsstrips. Insbesondere in den Jahren 1939 bis 1945 waren die Entwicklungen in Europa, später die alltäglichen Entbehrungen während des Kriegsalltags an der Heimatfront das Hauptthema, vor allem dem Mangel an Benzin und Fleisch.

Dagegen galten die Comichefte als Entertainment für Kinder. Deren Verleger hatten früh erkannt, dass Kinder sehr sensibel auf das Thema Weihnachten reagierten - oder kurz: fähig waren, ihren Eltern das Geld für einen Weihnachtscomic aus dem Kreuz zu leiern. Darum produzierte Barks bis in die Siebzigerjahre hinein regelmäßig Weihnachtsgeschichten, mitunter vier bis fünf Stück pro Jahr.

Weihnachten als Anlass für beißende Sozialsatire

Dabei gerieten ihm, trotz Widerwillen, regelmäßig Meisterwerke. Unter ihnen, natürlich, der bereits erwähnte Auftritt des größten aller Kapitalisten Dagobert Duck ausgerechnet an Weihnachten in "Die Mutprobe" (dessen Originaltitel sich viel eleganter mit "Weihnachten auf dem Bärenberge" übersetzen ließe). Oder das sämtliche Herzschmerzigkeit mit Bildern bitterster Armut konterkarierende "Weihnachten für Kummersdorf". Barks, der unsentimentalste aller Disney-Comiczeichner, entdeckte Weihnachten als Anlass für beißende Sozialsatire, verpackt in Schneeromantik.

Weihnachten in Kummersdorf: Eine Szene aus den gesammelten Weihnachtsgeschichten von Carl Barks
Weihnachten in Kummersdorf: Eine Szene aus den gesammelten Weihnachtsgeschichten von Carl Barks
© Egmont

Während diese Comics in Deutschland oft nachgedruckt wurden und entsprechend bekannt sind, weiß man hierzulande beinahe nichts über die Comicstrips, die von 1960 bis 1987 und dann noch einmal von 1992 bis 1997 immer während der Adventszeit in diversen US-Tageszeitungen erschienen.

Verfasst mehrheitlich von Frank Reilly, damals Leiter von Disneys Comicstrip-Abteilung, gezeichnet von einer Vielzahl Künstler, sollten sie in Form einer durchgängigen Erzählung mit einer Episode pro Tag auf Weihnachten hinarbeiten. Für die inhaltliche Gestaltung hatte Reillys Abteilung fast völlig freie Hand. Dass sie fast vierzig Jahre liefen, deutet auf einen großen Erfolg hin.

Kapitän Hook raubt die Geschenke des Weihnachtsmannes

Bekannt als deutsche Veröffentlichung sind gerade mal drei davon, "Bambis Weihnachtsabenteuer" von 1972, "Pinocchios Weihnachtsmärchen" von 1962 und "Ein Geschenk für den Weihnachtsmann" von 1960.

Zwielichtige Helfer. Ein Panel aus einem der Comics im Sammelband “Disney’s Christmas Classics”.
Zwielichtige Helfer. Ein Panel aus einem der Comics im Sammelband “Disney’s Christmas Classics”.
© Disney Comics/ IDW Publishing

In den USA dagegen hat der Kleinverlag IDW, sowieso zunehmend aktiv auf dem Gebiet der Reprints von Comicstrips, fast die gesamte Serie in einem Band publiziert ("Disney's Christmas Classics"). Einzige Ausnahme: das 1986er-Serial "Zip-A-Dee-Doo-Dah Christmas". Dieses Serial gehört zum Universum des Films "Onkel Remus' Wunderland", der von Disney aufgrund unübersehbarer rassistischer Anklänge seit langem unter Verschluss gehalten wird.

Reillys Adventsstrips erzählten in jedem Jahr eine abgeschlossene Episode über achtzehn bis siebenundzwanzig Folgen. Schon das Format war damals ungewöhnlich. Lange Disney-Geschichten erschienen zu jener Zeit fast nur noch in den Comicheften, während seit Kriegsende in den Strips der für die Zeitungen der tägliche Gag dominierte, der es nicht nötig machte, eine Erzählung über mehrere Wochen in kleinen Häppchen zu verfolgen.

Eines von zwei Lustigen Taschenbüchern mit Weihnachts-Schwerpunkt.
Eines von zwei Lustigen Taschenbüchern mit Weihnachts-Schwerpunkt.
© Egmont

Ungewöhnlich auch die Figurenwahl. Statt eines festen Stammpersonals bediente sich Reilly bei den Figuren der Disney-Zeichentrickfilme, die er in immer neuen Varianten kombinierte. Bereits das oben erwähnte Serial von 1960 vereinte Peter Pan und die Sieben Zwerge im Kampf gegen Kapitän Hook, der die Geschenke des Weihnachtsmannes raubt.

In den Strips der kommenden Jahre treffen die Sieben Zwerge außerdem noch auf Dumbo und Pinocchio. "Santas Crucial Christmas" von 1974 vereint sogar Pinocchio, die Sieben Zwerge, Robin Hood und Merlin in einer gemeinsamen Erzählung. Aber nicht nur aus Filmen bediente sich Reilly: 1971 trafen die von Barks erfundenen Panzerknacker auf die Mäuse Gus und Jaq aus Disneys "Cinderella".

Essentielle Lektüre:

Carl Barks: Weihnachtsgeschichten von Carl Barks, 2 Bde. im Schuber, 400 S.; Egmont, € 49,90
Frank Reilly, Diverse: Walt Disney's Christmas Classics, 228 S.; IDW, $39,99

Weihnachten 2019:

Diverse: Walt Disneys Wundervolles Weihnachtsfest, 176 S.; Egmont, € 29,00
Diverse: Lustiges Taschenbuch Advent 5, 296 S.; € 12,00
Diverse: Lustiges Taschenbuch Weihnachten #25, 256 S.; Egmont, € 7,99

"Walt Disney's Christmas Classics" wurde dankenswerterweise von der Comic Combo Leipzig zur Verfügung gestellt.

Interessanter als das Figurendurcheinander ist an diesen Strips das aggressive Eindringen der Moderne. 1962 wird Dornröschen von einer Zeitmaschine gerettet, 1969 treffen die sieben Zwerge auf Außerirdische. Bereits ab 1965 hat der Weihnachtsmann am Nordpol einen Computer, ab 1971 eine gewaltige Satellitenschüssel am Dach. Damit sind die Strips Ausdruck eines ungebremsten Fortschrittsglaubens und Willen zur Moderne der Nachkriegszeit , der manchmal mit Macht versucht, eine Symbiose mit den Märchenwelten Disneys einzugehen.

Wie schnell diese Moderne veraltet, zeigt eine Episode im "LTB Advent" vom vergangenen Jahr. Darin verhindern Tick, Trick und Track, dass dem Weihnachtsmann ein wertvoller Datenträger geklaut wird - eine Diskette. Wer unter den jüngeren Lesern erinnert sich noch an dieses inzwischen steinzeitlich wirkende Speichermedium?

Stefan Pannor

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