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Entenhausen liegt an der Saale: Der große Saal des Museums mit dem stilisierten Nachbau der Heimatstadt von Donald, Dagobert und Co.
© Lars von Törne

Erika-Fuchs-Haus: Ente gut, alles gut

Disney-Übersetzerin Erika Fuchs machte deutsche Provinz zur Popkultur – jetzt bekommt sie ein Museum. Und Schwarzenbach an der Saale hofft auf einen Touristen-Boom.

Köstlich, diese Anisplätzchen – kein Wunder, dass Erika Fuchs die Spezialität der Bäckerei Köppel im Micky-Maus-Magazin verewigt hat. „Sie kam oft zu uns“, erzählt Petra Köppel, deren Familie die Bäckerei seit gut100 Jahren betreibt. Neben den Plätzchen steht ein Aufsteller mit einer Szene aus einem Micky-Maus- Heft von 1970, in dem die drei kleinen Schweinchen die Anisplätzchen „von der Bäckerei Köppel“ für ihre Großmutter einpacken: „Die mag sie bestimmt.“

Wer durch Schwarzenbach an der Saale spaziert, ein verschlafen wirkendes 7000-Einwohner-Städtchen im oberfränkischen Landkreis Hof, der stößt an jeder Ecke auf Spuren dessen, was die 2005 gestorbene Übersetzerin und Chefredakteurin des Micky-Maus-Magazins mit Sprachwitz und Zitierfreude aus den Disney-Comics mit Donald, Dagobert und Co. gemacht hat. Denn sie war mehr Neuschöpferin als Übersetzerin, deswegen liegt für viele Fans Entenhausen nicht in Nordamerika, wie das US-Vorbild Duckburg, sondern an der Saale.

Zwischen Schübelsgässchen und Ochsenkopf

In einer Episode zum Beispiel schickt Dagobert seinen Neffen zum Kauf eines Wagens ins Autohaus Purucker in der Kirchenlamitzer Straße – die liegt einen Kilometer südlich der Bäckerei Köppel. Der tolpatschige Freund von Micky Maus, Goofy, bleibt einmal im Schübelsgässchen stecken – wenige hundert Meter vom einstigen Wohnhaus von Fuchs entfernt. Rund um die Stadt gibt es weitere Orte, deren Namen Entenhausen-Kennern vertraut sind: Klein- und Großschloppen, den Ochsenkopf (wo Onkel Dagobert einen Skilift hat) und den Fichtelsee (wo die Entenfamilie mal Urlaub gemacht hat), um nur einige zu nennen.

Bislang musste man diese Spuren allerdings gut suchen, nur sporadisch wiesen kleine Schilder darauf hin. Die hatten meist Anhänger der Donaldisten aufgestellt, gut organisierte Verehrer von Fuchs, dem Disney-Zeichner Carl Barks und dem aus ihrem gemeinsamen Wirken entstandenen Entenhausen.

Seit dem Wochenende hat die Stadt ganz offiziell ihr popkulturelles Erbe angenommen: Am Sonnabend wurde das Erika-Fuchs-Haus im Stadtzentrum eröffnet – das erste deutsche Museum, das ausschließlich der Kunstform Comic gewidmet ist. „Ich hoffe, das wird eines der Highlights von Schwarzenbach, wenn nicht gar der Anziehungspunkt Nummer eins“, sagte Bürgermeister Hans-Peter Baumann (CSU). Der 54-Jährige und seine Frau Isolde hatten sich für den Tag etwas schneidern lassen: Er eine Fliege mit Donald-und-Daisy-Motiv, sie das passende Kleid im Entenlook. Gut eine halbe Million Euro hat die Stadt nahe der tschechischen Grenze in das Haus gesteckt, die restlichen viereinhalb Millionen kommen vom Land Bayern und privaten Förderern, die im „Klub der Milliardäre“ organisiert sind.

Von Goethe bis Gitte Haenning

Das Geld ist gut angelegt: Das von Alexandra Hentschel geleitete Museum führt auf 520 Quadratmetern ansprechend nicht nur in die Comicgeschichte ein und erläutert die Bedeutung der Fuchs’schen Sprachkunst für die anhaltende Popularität der Geschichten um Donald und Co. Es bietet auch viele Möglichkeiten, sich die Comicwelten spielerisch zu erschließen. Ein Renner vor allem bei Kindern ist die Station, an der man fotografiert wird, wenn man zu Comic-Begriffen Grimassen schneidet.

Kreative Geister: Disney-Zeichner Carls Barks und Übersetzerin Erika Fuchs bei einem Treffen 1994 in Deutschland.
Kreative Geister: Disney-Zeichner Carls Barks und Übersetzerin Erika Fuchs bei einem Treffen 1994 in Deutschland.
© dpa

Ein „Zitatenwirbler“ zeigt, wie Fuchs sich von Goethe („Wie herrlich leuchtet mir die Natur!“) bis Gitte Haenning bediente („Ich will 'nen Cowboy als Mann!“). Und an einer Wand kann man aus großen Buchstaben „Erikative“ formen, wie Fuchs-Fans sie nennen: Verkürzte Verben (Inflektive) wie „knacks“, „gähn“ oder „klatsch“, mit denen die Übersetzerin die deutsche Sprache nachhaltig prägte.

Kernstück ist ein 130 Quadratmeter großer stilisierter Entenhausen-Nachbau, in dem man in Donalds Haus oder Daniel Düsentriebs Werkstatt vorbeischauen kann, den Fuchs mit dem Spruch „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ verewigte. Besonders beliebt bei den jüngeren Besuchern: Ein Talerbad im Geldspeicher von Dagobert Duck.

Eine Bibliothek, Filme und ein gut sortierter Souvenirladen runden das Ganze ab. Dazu kommt ein Raum mit Fuchs- Hommagen deutscher Comicautoren von Ralf König bis zu Tagesspiegel-Zeichner Flix. Wer sich alles in Ruhe anschaut, kann hier einen ganzen Tag zubringen.

Dass es dieses Museum überhaupt gibt, ist vor allem Gerhard Severin zu verdanken. „Ich war der Stein des Anstoßes“, sagt der 60-Jährige. Von Beruf ist er Richter, aber am Eröffnungstag des Fuchs-Hauses erkennt man ihn als Donaldisten: Auf dem Kopf eine blaue Mütze, die der Matrosenkappe von Donald nachempfunden ist, das Hemd erinnert an einen Matrosenanzug, daran gepinnt sind Dutzende Anstecker mit Donald-Visage. Als Severin der Stadt vor einigen Jahren anbot, seine Disney-Sammlung als Ausgangspunkt eines Museums zu nehmen, da wurde das „nicht gut angenommen“. Dass die Verantwortlichen es sich dann nochmal überlegten, hatte wohl vor allem materielle Gründe: „Man merkte, dass man damit ein Geschäft machen kann.“ Schwarzenbachs Wirtschaft schwächelt, durch den Niedergang von Branchen wie der heimischen Porzellanindustrie seien viele Arbeitsplätze weggefallen. Also setzt man auf Tourismus – der noch ausbaufähig ist, wie Bürgermeister Baumann sagt. Das nahe Fichtelgebirge und auch der Saale-Radwanderweg zögen zwar Besucher an. „Aber das neue Museum steigert die Aufenthaltsqualität und hat hoffentlich überregionale Anziehungskraft.“

Fuchs selbst hatte übrigens ein eher ambivalentes Verhältnis zu der Stadt, in der sie von 1933 bis 1984 mit ihrer Familie lebte. Die gebildete, selbstbewusste und vielgereiste Frau, die in Frankreich und England studiert hatte, war ihrem Mann Günter zuliebe hierhergekommen, einem Fabrikanten, der eine Firma für Kachelöfen betrieb. „Mit Kunstgeschichte und Archäologie ist ja in einer Kleinstadt überhaupt nichts zu machen“, stellte sie später lakonisch fest. „Dann habe ich Kinder gekriegt, zwei Söhne, hat auch Spaß gemacht.“ Als die Kinder groß waren, habe sie sich gelangweilt. Sie begann mit Übersetzungen für „Readers Digest“. Als 1951 die Zeitschrift „Micky Maus“ in Deutschland erscheinen sollte, bekam sie den Zuschlag als Chefredakteurin und Übersetzerin, wohl auch wegen ihres Doktortitels, der helfen sollte, Vorbehalte gegen die in Deutschland verpönte Kunstform Comic abzubauen. Der Rest ist Geschichte – aber in Schwarzenbach höchst lebendig.

Die Öffnungszeiten des Museums und weitere Service-Informationen finden Sie auf der Website www.erika-fuchs.de.

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