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Nah am Wasser. Über dem Kupfergraben erhebt sich die James-Simon-Galerie, das Eingangsgebäude zur Museumsinsel; rechts davon das Neue Museum.
© Paul Zinken/dpa

Eingangsgebäude James-Simon-Galerie: Die Museumsinsel im Wandel

Fast fertig: Mit dem Eingangsgebäude der James-Simon-Galerie wird auf der Museumsinsel wie nie zuvor der Besucher in den Mittelpunkt gerückt.

Auf einen Tag voller Nebel folgte gestern ein Tag voller Regen – nicht gerade das ideale Wetter für eine Baustellenbesichtigung. Fahl zeichnet sich gegen den unwilligen Himmel das Gerüst der Betonstreben ab, die die Außenseite der James-Simon-Galerie bestimmen. Das künftige Eingangsgebäude zur Museumsinsel, so will es scheinen, ragt geradewegs aus dem Kupfergraben heraus, stellt dem Wasser eine festgefügte Mauerwand entgegen, über den sich filigran das Stakkato der Stützen erhebt, unnahbar durch den hohen Sockel am Wasser.

Dann die Überraschung, die nach Eröffnung des Gebäudes Ende kommenden Jahres noch größer sein wird: die einladende Geste einer Freitreppe. Sie führt von der Schmalseite des Gebäudes und seines handtuchartigen Grundstücks auf die Höhe eben jener Kolonnade, die mit kleinem Schwenk nach links direkt zu erreichen ist und ein verglastes Café beherbergen wird, das unabhängig von den Museumsöffnungszeiten betrieben werden und die Besucher der rund um die Uhr geöffneten Kolonnaden bewirten soll.

Ja, der Auftritt der Staatlichen Museen und ihres Herzstücks, der Museumsinsel, wandelt sich. Wie nie zuvor wird der Besucher in den Mittelpunkt gerückt. Das Gebäude, benannt nach Berlins bedeutendstem Mäzen, dem persönlich so bescheidenen Großbürger James Simon, soll zunächst einmal nichts weiter als die Besucherströme kanalisieren, ihnen Eintrittsbilletts verkaufen und Mäntel abnehmen, einen Shop für die allfälligen Souvenirs bieten und sie alsdann zu den fünf Museumsbauten der Insel weiterleiten.

Reduzierte Materialität

Daneben aber bietet das Gebäude eine 655 Quadratmeter große Ausstellungsfläche im Sockelgeschoss sowie ein elegantes 300-Personen-Auditorium, das sich mit seinen ansteigenden Rängen unter die Freitreppe schmiegt. Und auf der unteren Ebene – einen Meter unter der Wasseroberfläche des benachbarten Kupfergrabens – führt der Weg in die „Archäologische Promenade“, jenes Hauptziel des „Masterplans “, das die Häuser der Museumsinsel unterirdisch verbinden wird, ohne ihren jeweiligen Solitärcharakter zu berühren. Hier wird sie schon Realität, sie bietet Zugang ins Neue Museum, das sich parallel zur James-Simon-Galerie erhebt, und ins Sockelgeschoss des benachbarten Pergamonmuseums.

Viel, viel mehr als nur ein etwas größeres Kassenhäuschen also ist es, das gestern zur Besichtigung im schon weit fortgeschrittenen Bauzustand geöffnet wurde. Noch sind die rohen Treppen mit Bauholz verkleidet, winden sich im Inneren der Räume die Rohrleitungen, wird gebohrt und gesägt. Doch schon tritt die „reduzierte Materialität“ zutage, wie Alexander Schwarz es nennt, Chefdesigner im Büro von David Chipperfield, dessen Erstentwurf von 2001 (!) in stark überarbeiteter Form seit 2009 ausgeführt wird, gleich neben dem ebenfalls von ihm wiederhergestellten Neuen Museum.

Am Neuen Museum hat Chipperfield, der zum Ritter geadelte 64-jährige Londoner, gezeigt, wie wunderbar er mit Materialien umgehen kann, von Ziegel über Beton bis Putz. 1993 kam Chipperfield erstmals nach Berlin, und so viel er in aller Welt auch baut, ist er doch – mit Büro und Zweitwohnsitz in Mitte – längst ein Intimus der Berliner Baugeschichte.

So ist auch die James-Simon-Galerie ein fein komponiertes Ensemble aus am Ort selbst gegossenem, seidenglattem Beton, ferner aus Betonfertigteilen mit Marmorzuschlag wie etwa die 110 überschlanken Pfeiler der 104 Meter langen Kolonnade, aus Muschelkalkfußböden und raumhoch verglasten Wänden. Alles hängt an der Ausführungsqualität – soweit gestern zu erkennen war, ist darauf peinlichst geachtet worden. Lediglich den Ziegelstein vermisst man diesmal in Chipperfields Palette, mag ihn aber aus dem oberen Foyer des Eingangsgebäudes heraus beim Blick auf das benachbarte Neue Museum bewundern. Das allerdings wird vom Kupfergraben aus nicht mehr zu sehen sein.

Sehr groß ist das Galeriegebäude nicht, es misst gerade einmal 10 900 Quadratmeter Bruttogrundfläche, die eine Nutzfläche von 4600 Quadratmeter ergeben. Der größere Teil des Bauwerks entfällt auf Verkehrs- und Technikflächen. Doch wenn man im Gebäude ist, beschwingt die Großzügigkeit der Räume, die mal niedriger und mal höher sind, die sich weiten oder verengen, die ineinander übergehen und verbunden sind durch mehrere Treppen innen und außen, die sich der regelmäßige Besucher im Laufe der Zeit wohl erst einprägen muss.

Das Eintrittsgeld sollte abgeschafft werden

Vom „Flanieren“ konnte gestern noch keine Rede sein, aber genau das wird künftig möglich sein – ein absichtsloses Herumwandern, dem Genuss der Räume gewidmet, dieses wunderbaren öffentlichen Raumes. Man kann nur hoffen, dass die anvisierten 8000 Besucher pro Tag, zweieinhalb Millionen im Jahr, nicht zum Dauerstau vor Kassen und Garderobe führen. Ja, eigentlich muss man die sofortige Abschaffung von Eintrittsgeld bei den Staatlichen Museen wünschen, auf dass gar nicht erst Kassen installiert werden und das schöne Foyer zustellen.

Denn unter funktionalen Gesichtspunkten kann einem schon ein wenig bange werden. Es geht über die Freitreppe hinauf, daneben aber auch auf Straßenniveau geradeaus; es geht im Gebäude nach unten und nach oben, es gibt Kassen oben und Garderobe unten, die Sonderausstellung seitlich und das Auditorium ganz nahe am Eingang Bodestraße, aber von dort nicht unmittelbar zugänglich.

Ob sich in der Praxis alle oder auch nur die meisten Besucher so bewegen werden, wie es ihren jeweiligen Bedürfnissen, zumal nach Orientierung über die Museumsinsel als Ganzes, entspräche, das wird bei diesem ästhetisch so überzeugenden Gebäude durchaus die Frage sein. Die Staatlichen Museen, die sich künftig in einer heute noch kaum vorstellbaren Konkurrenz zum Humboldt-Forum und zum Deutschen Historischen Museum um die Aufmerksamkeit und den Besuch des Publikums befinden werden, sollten rechtzeitig auf geschultes Personal setzen, das den Gästen unaufgeregt Hilfe bietet; und keine graugewandeten Aufseher von irgendeinem Personaldienstleister.

Die Baugeschichte der James-Simon-Galerie war alles andere als glücklich. Das Fundament musste, nachdem die erste Baufirma es verbaselt hatte, vollständig neu gegossen werden, und das unter Wasser. Die Kosten explodierten, sie verdoppelten sich auf jene 134 Millionen Euro, von denen Petra Wesseler, die energische Präsidentin des Aufsicht führenden Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, gestern erklärte, sie würden nun strikt eingehalten. Hermann Parzinger, von vielen Baustellen geprüfter Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als „Dach“ der Staatlichen Museen, zeigte sich rundum zufrieden.

Die Museumsinsel braucht dieses Gebäude. Und die Stadt als Ganzes gewinnt, mit den Worten von Alexander Schwarz, einen „erhabenen öffentlichen Raum“.

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