Münchner Haus der Kunst: Von Nazis und Bäumen
Wende im Streit übers Münchner Haus der Kunst: Die von David Chipperfield geplante Rekonstruktion der NS-Ästhetik ist vom Tisch, die Bäume werden wohl bleiben.
Soll das geschichtlich kontaminierte Münchner „Haus der Kunst“ (HdK) tatsächlich äußerlich in seinen Originalzustand von 1937 zurückversetzt werden? Diese Pläne des britischen Stararchitekten David Chipperfield, unterstützt vom bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), hatten unlängst zu heftigen Protesten von Historikern, Architekten und der israelitischen Kultusgemeinde geführt. Das 175 Meter lange Monstrum mit dem einstigen Namen „Haus der Deutschen Kunst“, ein Lieblingsprojekt Adolf Hitlers, Überwältigungsarchitektur am Südende des Englischen Gartens, wieder möglichst offen, pompös und gewalt(tät)ig präsentieren? Der Architekturhistoriker Winfried Nerdinger, Gründungsdirektor des Münchner NS-Dokumentationszentrums, bezeichnete das gegenüber dieser Zeitung als „nur noch geschichtsblinde Perversion“.
Jetzt wird zurückgerudert, wie eine Debatte im Kunstausschuss des Bayerischen Landtags zeigt. Chipperfield ist gekommen, ebenso Spaenle. Der Brite sagt, dass 98 Prozent seiner Aufgaben in der Innensanierung bestehen. Er führt aus, was alles erneuert werden soll. Dabei wirkt er wie der technische Leiter einer Baufirma, wenn er über Energiekonzept, Klimaanlage und Notausgänge spricht oder Fotos beschädigter Bodenfliesen an die Wand wirft. Viel Zustimmung erhält er für den Plan, den bisher schlecht genutzten Westflügel umzubauen – als „Universalbühne“ für Performance, Konzerte oder Diskussionen. Den Zugang zum Englischen Garten will er öffnen, der bisher durch einen grauenhaften Parkplatz versperrt ist. Auch das stößt auf Zustimmung.
Chipperfield: "Das Projekt geht nicht um die Bäume"
Doch was bleibt von seinem Vorschlag, der für die meiste Kritik gesorgt hat – die Bäume an der Vorderfront des Hauses zu fällen? 13 mittlerweile schön und groß gewachsene Linden sind das, als Allee gepflanzt. Ohne sie wäre der Blick wieder frei auf monströse NS-Architektur, diese würde damit viel näher in die Stadt eingebunden. „Alles, was wir machen, hat damit nichts zu tun“, meint Chipperfield nun ganz zurückhaltend. „Das Projekt geht nicht um die Bäume.“ Ob man sie behalten wolle oder nicht, sieht er als „philosophischen Aspekt“. Ähnlich Spaenle, der es ursprünglich sehr gut fand, den „grünen Vorhang“ zu beseitigen. Er stellt vor allem Fragen wie: „Wie will man mit der Historizität umgehen?“ Sei es möglich, „Kriminalität nicht nur zu sanieren, sondern ins Gegenteil zu verkehren“? Der Minister ruft jetzt nach einer Debatte über das äußere Erscheinungsbild des Hauses, er will „den demokratischen Diskurs anstoßen“.
Münchner Architekturstudenten liefern Ideen zur Umgestaltung
Innensanierung toll, wie man mit dem Äußeren umgeht, bleibt offen – so das bisherige Fazit. Aber die Eins- zu-eins-Rekonstruktion des NS-Erscheinungsbildes ist wohl vom Tisch. SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias sagt: „Wir müssen etwas machen mit der Fassade, etwas ändern.“ Was alles denkbar ist, haben kürzlich Münchner Architekturstudenten mit teils drastisch-visionären Ideen gezeigt: Da ist etwa ein großer gläserner Aufbau auf dem Dach für Veranstaltungen; ein anderer Entwurf sieht eine Schneise in der Mitte des Gebäudes vor, dieses würde in zwei Teile geschlagen. Ein Flanierweg verbindet so die Straße mit dem Englischen Garten.
Ein Mann der klaren Worte und drastischen Vergleiche ist der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr, Bio-Bauer und promovierter Sprachwissenschaftler. Einerseits lobt er Chipperfield: „Innen wird das Haus genau so sein, wie sich die Nazis das nie gewünscht haben.“ Die Bäume aber „einfach weghauen“, sieht er als „völlig absurd“ an. Wenn sich das Haus dann so wie in der NS-Zeit präsentiert, dann sei das keine philosophische, sondern eine politische Frage, belehrt er den Architekten. Auf Dürr würde ein solches Haus so wirken: „Ich schau den Nazi an, und der Nazi schaut mich an.“ Mit den Bäumen jedenfalls scheint Architekt Chipperfield einen gewissen Frieden geschlossen zu haben. Er meint: „Wenn wir sie behalten, dann sollten wir sie feiern.“
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