Doku „Oasis: Supersonic“: Die Jubeljahre der Brüder Gallagher
Sieben Jahre nach Auflösung von Oasis erscheint eine Dokumentation über die Britpop-Überband. Der Film versucht Geschichtsklitterung. Die Premiere in Berlin gerät stilecht prollig.
Den Saal betritt er im dunklen Fleecemantel, weite Kapuze, sieht aus wie ein Jedikostüm. Aber natürlich hat Liam Gallagher keine Jediweisheiten mitgebracht, sondern viele Sätze mit „fuck“ und „shit“ und ganz oft „Do you know what I mean?“. Die Premierengäste sind beglückt. Nichts anderes hatten sie sich erhofft. Die Band mag tot sein, der Rotzlöffel lebt.
Sieben Jahre nach Auflösung von Oasis erscheint eine Dokumentation über die Britpop-Überband, und weil Frontmann Liam Gallagher an der Produktion mitwirkte, stellt er „Oasis: Supersonic“ am Donnerstagabend im Kino International vor. Auf großer Leinwand wird der Film nur heute gezeigt, er erscheint lediglich auf DVD und Blu-ray (ab 11.11. bei Ascot Elite).
Kaum zu glauben, dass Liam Gallagher dem zugestimmt hat. Dass der Mann, für den Größenwahn zum guten Ton gehört, nicht auf einer Blockbuster-Vermarktung in Multiplexen bestand. Ebenfalls unglaublich ist, dass der junge Kerl auf der Bühne schon 44 Jahre alt sein soll. Haben Alk, Koks und Crystal Meth, haben die vielen Pillen denn gar nichts angerichtet mit diesem Körper?
Seinen Bruder Noel, den anderen Kopf von Oasis, hat Liam nicht mitgebracht, klar, die beiden sind zerstritten. Das waren sie schon immer, nur seit 2009 halt so arg, dass sie keine Musik mehr zusammen machen wollen. Gerade das zeichnet der Film schön nach: die ewige Rivalität der Brüder seit Kindheitstagen. Hier der ältere, in sich gekehrte Noel, da der großspurige, aufmerksamkeitssüchtige Liam. Einer wurde Songwriter und Gitarrist, einer Rampensau. Noels Melodien aus Liams Fresse, das war unwiderstehlich, Mitte der Neunziger. „Live Forever“, „Wonderwall“, „Some Might Say“ ... Es war die Zeit, als ihre absurde Behauptung, Oasis sei die größte Band des Planeten, gar nicht so absurd klang.
Schlüssellochblicke mit Mutter Peggy
Die Doku ist eine launige Collage aus alten Interviewfetzen, Konzertmitschnitten, Tourlebenimpressionen. Es gibt spannende Schlüssellochblicke, auch Mutter Peggy kommt ausführlich zu Wort, sie sagt, das sei insgesamt schon ungünstig gelaufen mit der Karriere ihrer Söhne, der Erfolg sei viel zu schnell gekommen. Dann wird spekuliert, aus Noel sei möglicherweise nur deshalb ein geschliffener Songwriter geworden, weil Vater Thomas neben der Ehefrau eben auch Noel ständig verprügelt habe. O-Ton: „Ich glaube, mein alter Herr hat das Talent in mich hineingeschlagen.“
Überhaupt die Gewalt. Exzess und Zerstörung sind ein zentraler Aspekt dieses Films. Eine Chaossituation folgt der anderen. Zuerst fesselt das. Wow, die packen ja richtig aus. Es amüsiert auch, zum Beispiel, wenn die Bandmitglieder Praxistipps zum Ruinieren von Hotelzimmern geben. („Alle Gegenstände, die sich verschieben lassen, müssen aus dem Fenster fliegen.“) Leider langweilt das bald. Wer bereits erfahren hat, wie Oasis einmal auf einer Fähre nach Holland randalierten und festgenommen wurden, wer auch gesehen hat, wie sie mit dem Feuerlöscher ein Tonstudio zerlegten, den lässt es nur gähnen, wenn Noel berichtet, wie er Liam einmal im Streit den Kricketschläger über den Schädel zog.
Was sich lohnt, sind die Konzertausschnitte, auch solche von frühen Kellerclubauftritten, oft nur mit Camcorder aufgenommen. Der junge Liam auf der Bühne. Halb tänzelnd, halb schlendernd. Den Mikrofonständer immer eine halbe Kopflänge zu niedrig eingestellt, damit Liam sich vorbeugen muss, die Vokale noch besser aus ihm herausnölen. Und wie der Sänger dann sein Tamburin gegen Noels Schulter schleudert und der Bruder verdammt böse guckt. Dabei war das gar keine Absicht, sagt Liam im Rückblick. An dem Abend habe er irgendwie Crystal Meth mit Koks verwechselt und kam nicht drauf klar.
Wo sind die fünf öden Alben geblieben?
„Oasis: Supersonic“ ist Roadmovie, Coming of Age und Heldensaga in einem. Es ist aber auch der Versuch einer grandiosen Geschichtsklitterung. Denn die Dokumentation erzählt nur, wie eine Bande Halbstarker aus Manchester die beiden zweifellos brillanten Alben „Definitely Maybe“ und „(What’s the Story) Morning Glory?“ schuf. So weit, so wahr. Verschwiegen wird, dass anschließend fünf großteils uninspirierte, ideenlose, höchstens durchschnittliche Alben folgten, auf denen Oasis oft klingen wie ihre eigene Coverband.
Auch kein Wort über den großen Zoff mit Blur und dessen Showdown im August 1995, als die rivalisierenden Gruppen am selben Tag Singles veröffentlichten, um zu sehen, wer mehr verkaufe. „Country House“ gegen „Roll With It“, Manchester-Prolls gegen Londoner Kunstfuzzis. Blur deklassierten Oasis damals.
Nein, diese Schmach ist nichts für die Doku, in der sich die Bandmitglieder als „unerreichbar“ feiern. Ein Konzert aus dem Sommer 1996, zu dem sie sich im Helikopter einfliegen ließen, bezeichnen sie rückblickend als „die letzte große Menschenansammlung vor Beginn des Internetzeitalters“. Leider kann auch der Film nicht erklären, wie eine Band es schaffen kann, für eine kurze Phase so stilprägend und maßgeblich, so auf dem Punkt zu sein. Noel versucht es gar nicht. Er spricht einfach von „den magischen Jahren“.
Im Kino International will der Moderator von Liam wissen, ob Oasis je wieder gemeinsam auf einer Bühne stehen werden. Der feuert erst ein paar seiner „fucks“ ab, dann sagt er: „Da müsst Ihr meinen Bruder fragen. Er hat die Macht.“ Ob seine Beziehung zu Noel heute vielleicht eine andere wäre, wenn es die Band nicht gegeben hätte? Nein, sagt Liam. Wären sie beide statt Rockstars zum Beispiel Fischverkäufer geworden, hätten sie sich eben gegenseitig Fische an den Kopf geworfen.
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