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Söhne Mumfords. Die im Bandnamen angedeuteten Familienverhältnisse um Bandleader Marcus Mumford (links) sind eher symbolisch zu verstehen.
© Universal

Das neue Album von Mumford & Sons: Die Breitschultrigen

Unterwegs vom Folk-Pop zum Stadionrock: Das dritte Album von Mumford & Sons: "Wilder Mind".

Die gute Nachricht: Das Banjo ist weg. Dieses hyperaktive Geplinge in den Songs von Mumford & Sons konnte schon ziemlich nerven. Es war allerdings auch ein Markenzeichen des 2007 gegründeten Londoner Quartetts, das in den letzten Jahren sowohl in Europa als auch in den USA extrem erfolgreich war und mit „Wilder Mind“ nun sein drittes Studioalbum veröffentlicht. Schnell ist klar, dass nicht nur das Banjo fehlt, sondern fast alles, was den Folk-Pop-Sound der Band einst ausmachte. Die Akustikgitarren hat sie gegen E-Gitarren getauscht, den Kontrabass weggestellt und statt der von Sänger Marcus Mumford getretenen Bassdrum gibt es nun ein vollständiges Schlagzeug. Der Verzicht auf akustische Instrumente habe sich beim Schreiben der neuen Songs irgendwie ergeben, ließ die Band vorab wissen.

Mumford & Sons wollen nun also rocken. Und das ist die schlechte Nachricht. Nicht weil sie es nicht könnten. Natürlich kriegen sie ihren neuen, wuchtigeren Klang, unterstützt von Produzent James Ford (Florence & The Machine, Arctic Monkeys), mühelos hin. Das Problem aber ist: Die Briten klingen jetzt wie eine x-beliebige amerikanische Indie-Rock-Band, die unbedingt in Fußballstadien auftreten will. Was schon insofern widersinnig ist, als Mumford & Sons eh in Stadien auftreten. Es dürfte kein Zufall sein, dass die ersten Aufnahmesessions im New Yorker Studio von The-National-Gitarrist und Songwriter Aaron Dessner stattfanden. Der melancholische Indie-Rock seiner Gruppe hat auf die Mumfords abgefärbt, ebenfalls die bodenständigen US-Bands The Hold Steady und War On Drugs – und deren gemeinsamer Hausgott Bruce Springsteen.

Eine schmachtende E-Gitarre wie aus dem Alternative-Rock-Lehrbuch

Gleich das erste Lied „Tompkins Square Park“ eröffnet mit einer sehnsüchtig schmachtenden E-Gitarre wie aus dem Alternative-Rock-Lehrbuch, eine nervös-treibende Rhythmusgruppe kommt hinzu, und Marcus Mumford singt mit seiner leicht brüchigen Stimme über die Vergänglichkeit der Liebe. Das Ganze ist so abgeschmackt wie absehbar. Natürlich gibt es einen reduzierteren Teil, in dem die Gitarre zurück- und das Klavier hervortritt, um dann wieder der Bandpower Platz zu machen. Die Instrumente scharren bei jedem der zwölf Stücke gewissermaßen erst zwei Minuten mit den Füßen, bis sie endlich losstampfen können. Der hymnische Teil allerdings verpufft dann oft folgenlos. Mumford singt zunächst stets gedehnt-zerquält, später druckvoll-pathetisch. Von den mehrstimmigen Gesängen der ersten beiden Alben ist nur noch ein entferntes Echo zu hören. Besonders schlimm wird es bei dem High-Energy-Klopper „The Wolf“, der wie ein Outtake aus dem Foo-Fighters-Frühwerk klingt, oder dem krampfigen „Just Smoke“, dessen Stadionrefrain peinlicherweise mit Handclaps akzentuiert wird.

Es wirkt, als wollten Mumford & Sons auf „Wilder Mind“ mit Groß-Pathetikern wie Kings Of Leon oder U2 konkurrieren. Mit ihrem blutleeren und angestrengten Imitationsversuch aber gelingt ihnen das nie. Zudem fehlen Songs mit Hitpotenzial. Kaum ein Stück bleibt auf Anhieb im Gedächtnis haften, nicht mal die Single „Believe“ mit der dauernd wiederholten Zeile „I don’t even know if I believe“.

Von Bob Dylan bis Radiohead haben Musiker immer wieder ihren Stil verändert und damit ihre Fans irritiert. Solche Exkursionen in kreatives Neuland können spannend und bereichernd sein, Mumford & Suns dagegen überbetonen bloß einen alten Charakterzug. Der Wille zur Hymne war schon 2009 auf dem Debütalbum „Sigh No More“ präsent – und ihr Talent zur Konzert-Ekstase ist legendär. „Wir waren immer eine Rockband, die die falschen Instrumente gespielt hat. Jetzt haben wir die richtigen Instrumente“, sagte Bassist Ted Dwane im Interview mit dem dem britischen „New Musical Express“, und der vom Banjo zur Gitarre gewechselte Winston Marshall ergänzt: „Wir haben uns nie wirklich für eine Folkband gehalten.“

Der Traum von handgemachter Musik, die zugleich partytauglich ist

Aus dieser Gefangen-im-falschen-Körper-Situtation entstand allerdings das Besondere an Mumford & Sons: Das Quartett verband Folk-Pop mit Rockenergie. Es erfüllte den Wunsch nach einer handgemachten, authentischen Musik, die zugleich partytauglich ist. In einer von Dance-Pop, Hip-Hop und R’ n’ B dominierten Szenerie boten sie – ähnlich wie derzeit ihre zahlreichen Singer-Songwriter-Kollegen – eine reizvolle Alternative. „Sigh No More“ wurde mehr als acht Millionen Mal gekauft, der Nachfolger „Babel“ (2012) war ebenfalls ein Hit und demonstrierte mit 600 000 in der ersten Woche abgesetzten Exemplaren die Beliebtheit von Mumford & Sons in den USA. Die mit Grammy und Echo ausgezeichnete Band stand mit Neil Young, Bruce Springsteen und Ray Davies von den Kinks auf der Bühne, trat sogar im Weißen Haus auf.

Mit einer durchschnittlichen Rockplatte wie „Wilder Mind“ hätten sie all das sicher nicht erreicht. Zu berechnend ist der Sound, und zu selten glaubt man Marcus Mumford, der mit der Schauspielerin Carey Mulligan verheiratet ist, seine Seelenpein. Gelegentlich schimmern die Wurzeln der Band noch durch, etwa in dem nur von einer folkig geschlagenen E-Gitarre begleiteten „Cold Arms“ oder der Ballade „Broad-shouldered Beasts“, bei der ausnahmsweise mal eine Akustikgitarre mittun darf. „Wasn’t it you who said I’m not free?/ Wasn’t it you who said I needed peace?/ Now it’s you who is floored by fear of it all“, singt Mumford zu Klavier-Drum-Begleitung in der Bridge. Es folgt die übliche Eruption, aber diesmal passt sie: „It’s all right/Take it out on me“, singt Mumford mit voller Lungenpower und erzeugt so zusammen mit der Band einen raren Katharsis-Moment. Der Rest ist Breitbeinigkeit.

„Wilder Mind“ erscheint bei Universal. Konzerte: Waldbühne Berlin, 17. (ausverkauft) und 18. Juli

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