Pop-Art aus der DDR: Die Berliner Mauer in Rosa
Pop-Art in der DDR: Eine Ausstellung im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst vergleicht Spielarten aus Ost und West.
Das Herz hat diese Ausstellung jedenfalls auf dem richtigen Fleck. An der Stirnseite der weitläufigen Rathaushalle in Frankfurt an der Oder hängt das Bild von Christa Dichgans hoch oben an der Wand, ein aufblasbares Plastikherz aus dem Jahr 1970. Mit seiner undurchdringlichen Oberfläche und dem kleinen Stöpsel zum Luftablassen fügt das Gemälde der Banalität von Werbung und Konsum eine geheimnisvolle Seite hinzu. Um vieles fragiler als später die glattpolierten Edelstahlherzen von Jeff Koons.
Wie Christa Dichgans wurden auch die anderen Künstlerinnen der Pop-Art erst in den letzten Jahren entdeckt. Die Ausstellung „Real Pop 1960 – 1985. Malerei und Grafik zwischen Agit Pop und Kapitalistischem Realismus“ unternimmt einen neuen Ansatz. Zum einen bezieht sie die Frauen mit ein. So gehören die Interieurs von Almut Heise mit ihrer unheimlichen Spießigkeit zu den Highlights der Ausstellung. Zum anderen stellt die Schau eine Verbindung her zwischen der Pop-Art aus Ost und West.
Hinter dem Alltag lauern Abgründe
In Frankfurt an der Oder befindet sich eine der bedeutendsten Sammlungen ostdeutscher Kunst. Allerdings besitzt das Museum kein eigenes Domizil, sondern zeigt seine Ausstellungen in der Rathaushalle. Seit es vor drei Jahren mit dem Cottbusser Kunstmuseum Dieselkraftwerk zum Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst fusionierte, pendelt die Direktorin Ulrike Kremeier. Ausgehend von der These, in der DDR habe es aus Mangel an Konsum auch keinen Pop gegeben, befragte sie mit der Kustodin Jeanette Brabenetz die hauseigene Sammlung. Die beiden fanden zahlreiche Beispiele für Pop-Art aus der DDR. „Agit Pop“ nannte Hans Ticha diese Variante, die sich statt auf Reklame auf sozialistische Propaganda bezog.
In der Bundesrepublik wiederum reagierten Künstler wie Gerhard Richter oder Sigmar Polke, die in den Westen geflohen waren, auf die Bildsprache von Werbung und Massenmedien. Sie nannten ihre Haltung in Abgrenzung zum Sozialismus trotzig „Kapitalistischer Realismus“. Anders als in der amerikanischen Pop-Kunst ist der ost- ebenso wie der westdeutschen Spielart gemeinsam, dass hinter dem Alltag Abgründe lauern.
Als Auftakt hängt Gerhard Richters berühmte „Sekretärin“ von 1964. Die Vorlage hatte er in einer Illustrierten gefunden. Eine Frau in Bleistiftrock huscht an einer Bürotür vorbei. Das Ausgangsfoto illustrierte die Story über einen amerikanischen Juristen, der eine Million Dollar für den Mord an seiner Frau bot, weil er in seine Sekretärin verliebt war. Das erklärt ihre klandestine Körpersprache.
Daneben hängen die Collagen von Ruth Wolf-Rehfeldt, die gerade wiederentdeckt wird. Die 86-Jährige wurde bei der jüngsten Documenta gezeigt, das Dresdner Albertinum widmet der Mail-Art-Künstlerin eine Einzelausstellung. Mit den Buchstaben ihrer Schreibmaschine verlieh sie konkreter Poesie Gestalt. In Frankfurt überraschen nun ihre Collagen. 1983 montiert sie das Bild eines Autoreifens auf die Schnauze von Dürers Hasen. Wolf-Rehfeldt reagierte damit auch auf einen anderen Künstler, nämlich Joseph Beuys jenseits der Mauer.
Alle Arbeiten sind nach Themen geordnet
Gemeinsam mit ihrem Mann Robert Rehfeldt unterwanderte sie von Ost-Berlin aus das geschlossene System DDR. Die beiden hielten via Mail Art Kontakt zur internationalen Kunstszene – zu den Fluxuskollegen Nam June Paik oder Wolf Vostell und Joseph Beuys. Die Grafiken von Robert Rehfeldt besitzen eine souveräne Vielschichtigkeit. In der „Hommage à Ruth“ von 1978 verleiht er einem Foto von seiner telefonierenden Frau durch die serielle Darstellung Allgemeingültigkeit. Die aufgeklappten Jalousien, die Spiegelungen im Fenster, der Telefonhörer öffnen das Bild zur Außenwelt.
Wie schade, dass die Kuratorinnen solche Preziosen nicht mit näheren Informationen begleiten. Noch immer stehen Ausstellungen mit nonkonformistischen Werken aus der DDR vor diesem Dilemma. Verweist man deutlich auf ihre Herkunft, werden die Künstlerinnen und Künstler auf einen Staat reduziert, der viele gängelte und ausgrenzte. Ulrike Kremeier und Jeannette Brabenetz gehen einen anderen Weg: Sie hängen alle Arbeiten nach Themen geordnet lapidar nebeneinander und nennen nur Namen, Titel und Entstehungsjahr.
An der Mauer hört der Spaß auf
Das ist zwar fair, aber die internationalen Vernetzungen werden dabei nicht transparent. Die Leistung dieser Künstler bestand auch darin, die Grenze minimal zu perforieren – durch, wenn auch seltene, Reisen und die Mail-Art. Willy Wolff besuchte London und Derby und wurde dort inspiriert. Robert Rehfeldt und Oskar Manigk fuhren 1977 zur Documenta 6 nach Kassel. Umgekehrt hielten diejenigen, die weggingen wie Klaus Staeck, weiterhin Kontakt. Viele Bilder wurden bisher wenig oder gar nicht gezeigt, eine solche Ausstellung böte die Chance, mehr zu erfahren über ihre Entstehung.
Wasja Götze in Halle etwa wurde intensiv von der Stasi observiert. An seinem fröhlich subversiven Widerstand hat das nichts geändert. „Hände weg vom Dompfaff“ von 1970 erinnert an ein Plattencover der Beatles. Zwei Vögel sind gefangen im Zentrum eines Auges, vor ihnen liegt eine paradiesische Landschaft in psychedelischen Farben.
Wasja Götze, Vater des Künstlers Moritz Götze, verklausulierte seine Botschaften kaum. 1988 malte er „Die reizende Mauer oder hier hört der Spaß auf!“. Da ist die Mauer in Schweinchen-Rosa zu sehen, an ihr hängen Werkzeuge von Fluchtversuchen, eine Leiter oder ein Strick. Pop steht hier für die Transformation der bitteren politischen Verhältnisse in Verschmitztheit und Spott. Die Frankfurter Ausstellung ist ein erster Schritt, die Diversität deutscher Pop-Kunst zu veranschaulichen. Weitere sollten folgen.
Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, Rathaushalle Frankfurt (Oder), bis 17. 2.; Di bis So 11- 17 Uhr