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Kunst von Georg Baselitz
© Arno Burgi/ dpa

Streit um geplantes Kulturschutzgesetz: Die Alten Meister bleiben im Lande

Zeitgenössisches kann ungehindert ins Ausland gehen, Kunsthändler sprechen von "kalter Enteignung": Die Kritik am neuen Kulturgutschutzgesetz wird heftiger.

Gegenwind hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in ihrer bisherigen Amtszeit kaum zu spüren bekommen. Doch mit einem Mal ist es ein veritabler Sturm, der ihr ins Gesicht bläst. Der deutsche Kunsthandel kämpft mit allen Mitteln gegen die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes, genauer gesagt nur gegen den ersten von dessen drei Teilen, den „Schutz von deutschem Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland“ betreffend. Der zweite Teil betrifft den Komplex Raubgut und der dritte den internationalen Leihverkehr.

Der Referentenentwurf für das gesamte Gesetz umfasst 91 Paragrafen und ist mit den notwendigen Erläuterungen 150 Seiten stark. Dabei beruft sich der Entwurf beständig darauf, lediglich zum Teil seit Jahrzehnten geltendes Europarecht in deutsches Recht zu überführen. Und in der Tat, was etwa die Verhütung der rechtswidrigen Ein- und Ausfuhr von Kulturgut angeht, also Raubgut beispielsweise aus illegalen Grabungen, hinkt Deutschland anderen Signatarstaaten der entsprechenden Unesco-Konvention von 1970 weit hinterher.

Der Unmut konzentriert sich auf die Neuregelung der Ausfuhrbestimmungen für „national wertvolles Kulturgut“. Der Gesetzentwurf sieht eine Bemessungsgrenze von 150 000 Euro und – was die Gegner des Entwurfs gerne unterschlagen – eine Altersgrenze von 50 Jahren vor, ab denen Kunstwerke eine Ausfuhrgenehmigung benötigen. Und zwar nicht, wie bisher, lediglich ins EU-Ausland, sondern auch innerhalb der EU, wie dies in anderen Ländern wie Italien seit jeher gehandhabt wird. Wurde bislang eine – lächerlich kleine – Liste von mit Ausfuhrverbot belegten Kulturgütern geführt, so bedarf es nun – Umkehrung der Antragslast – einer Ausfuhrgenehmigung. Für deren Erteilung sowie für die Eintragung als national wertvolles Kulturgut sind die Länder aufgrund ihrer Kulturhoheit zuständig. Das Bundesgesetz will lediglich einen Rahmen schaffen, insbesondere durch die Einführung einer Legaldefinition für nationales Kulturgut.

Kulturgüter sind mehr als Spekulationsware

Ungeachtet der großzügig bemessenen Grenzwerte, ab denen überhaupt nur eine Eintragung als national wertvoll möglich sein soll und die Beantragung einer Ausfuhrgenehmigung Pflicht würde, sprechen Kunsthändler und ihnen gewogene Medien von „kalter Enteignung“. Das ist, um das Mindeste zu sagen, grob fahrlässig. Durch Grundgesetz Artikel 73 Abs. 5a genießt der Schutz vor Abwanderung seit jeher bereits Verfassungsrang. So zeigt der gegenwärtige Streit lediglich, wes Geistes Kind die betreffenden Händler sind: die eines vollständig unregulierten Marktes und des größtmöglichen Profits. Monika Grütters weist beständig darauf hin, dass Kulturgüter etwas anderes seien als „reine Spekulationsware“. Es sei, so die attackierte Ministerin, „offenbar meine Aufgabe, auch an den intrinsischen Wert von Kunst zu erinnern“.

Monika Grütters
Monika Grütters wundert sich: Es sei „offenbar meine Aufgabe, auch an den intrinsischen Wert von Kunst zu erinnern“.
© dpa

Die Schwachstellen der Novellierung bleiben die ungenaue Definition des „national wertvollen Kulturguts“ und deren Ausfüllung durch 16 eigenständig agierende Bundesländer. „National wertvoll“ bedeutet nicht notwendig, dass ein Kunstwerk von einem deutschen Künstler stammt oder in Deutschland geschaffen wurde – es geht auch um Werke, die für die Kulturszene hierzulande prägend waren, wobei Grütters auf die beiden, auf Betreiben des Landes NRW in New York versteigerten Warhol-Bilder anspielt, die jahrzehntelang in landeseigenem Besitz schlummerten. Über die nationale Bedeutung sollen künftig Kommissionen der Länder in Einzelfallabwägung befinden.

Ist die britische Regelung die Richtige?

Die Legaldefinition findet sich in den Paragrafen 7 und 8 des Gesetzesentwurfs. Demnach ist ein „national wertvolles Kulturgut“ in einem Kulturgutverzeichnis einzutragen, „wenn es a) besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands, der Länder oder einer seiner historischen Regionen ist oder b) ein besonders bedeutsames Werk einer Künstlerin oder eines Künstlers von internationalem Rang ist und dauerhaft in Deutschland verwahrt worden ist“ und ferner „sein Verbleib im Bundesgebiet im öffentlichen Interesse ist“. Eine Rechtsverordnung soll „Näheres zu den Eintragungsvoraussetzungen“ regeln.

Grütters kommt in Interviews stets auf die ins Ausland geschafften Tagebücher Alexander von Humboldts zu sprechen, die die Bundesrepublik „für einen zweistelligen Millionenbetrag teuer zurückkaufen“ musste. Das Beispiel überzeugt. Genügt es indessen, dass die rheinische Kunstszene „in den sechziger Jahren enorm wichtig für den Erfolg für Andy Warhol“ gewesen sei – wie Grütters meint –, um entsprechende Sammlerstücke im Land zu halten? Dass Sammler fürchten, sie könnten ihre Schätze nicht auf die wichtigen Auktionen nach London oder New York geben, ist nicht von der Hand zu weisen. Immerhin haben frühe Warhols die 50-Jahr-Grenze bereits überschritten. Ob da die britische Regelung mit einem zeitlich befristeten Vorkaufsrecht der Museen zu dem zuvor ermittelten internationalen Marktpreis nicht den besseren Interessensausgleich zwischen Staat und Museen auf der einen und Sammlern und Händlern auf der anderen Seite darstellt?

Laut der Zeitschrift „Art News“ sammeln 180 der 200 weltweiten Top-Sammler zeitgenössische Kunst – die vom Gesetz eben nicht betroffen wäre. Nur eine Minderheit bevorzugt Klassische Moderne oder gar Alte Meister. Genau diese Sammler aber sind es, die ihre Schätze im Museum sehen wollen – und nötigenfalls eigene Museen errichten. Sogar, wie Frieder Burda oder Reinhold Würth, in Deutschland.

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