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Kulturstaatsministerin Monika Grütters.
© Bundesregierung

Kulturstaatsministerin Monika Grütters: Bericht aus Bonn

Für sie sind die Theater die „Säulen unserer Kultur“. Darum hat sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf die Reise gemacht, um vor Ort, in der westdeutschen Theaterszene, mit den Machern zu sprechen.

Natürlich präsentiert sich das Theater von seiner glänzendsten Seite, wenn die Kulturstaatsministerin zu Besuch kommt. Der Mannheimer Schauspielchef Burkhard C. Kosminski verleiht seinem „Freudenschock“ über den hohen Gast gleich mal mit der feierlichen Überreichung einer Exklusiv-Skizze Ausdruck, die Achim Freyer zu seiner örtlichen „Ring“-Inszenierung angefertigt hat. Dann allerdings versammelt sich die Reisegruppe recht unverzüglich im Foyer zum Diskussionsthema Nummer eins: kollektive Leitungsmodelle.

Denn die fünfköpfige Spitze des Mannheimer Mehr-Sparten-Hauses hat unlängst seine Burn-Out-erkrankte Generalintendantin verloren. Und arbeitet nun, wie die Intendantin der Kinder- und Jugendsparte „Schnawwl“ Andrea Gronemeyer begeistert berichtet, so hierarchiefrei, dass noch nicht einmal schnöde Mehrheitsentscheidungen gefällt würden. „Wir diskutieren wirklich so lange, bis wir eine einvernehmliche Lösung gefunden haben.“ Da entfährt es der Kulturstaatsministerin: „Oh Gott!“

Monika Grütters ist auf Theaterreise, im Bus von Mannheim über Mülheim bis nach Bonn, um sich über den Status quo der Branche zu informieren. Und eines wird gleich an der Auftakt-Station klar: ihre wohltuende Immunität gegen Werbefloskeln. Scheint ihr etwas zu harmonisch, zu geschönt, hakt sie sofort nach und hat dabei meist auch noch die Lacher auf ihrer Seite. „Eine dieser Viererbanden hat das Berliner Schillertheater gekillt“, wirft Grütters etwa in die Mannheimer Runde.

Tagsüber diskutiert Grütters über Modelle für die Zukunft, abends folgt der Praxistest im Zuschauerraum

Sie nimmt sich Zeit, spricht vier randvoll gepackte Tage lang mit Intendanten, Festivalleitern, Schauspielern, Autoren. Das Reisekonzeptionsteam vom Berliner Theatertreffen hat Wert auf den kompletten Rundumblick gelegt. Es geht um Arbeitsbedingungen, Kooperationsmodelle und potenzielle Strukturreformen, um neue Stoffe fürs Theater, um Bürgerbühnen, Publikumsnähe und natürlich auch um Geld. Abends erfolgt dann jeweils die Praxis-Stichprobe: In Mannheim steht Burkhard C. Kosminskis Roland-Schimmelpfennig-Uraufführung „Das schwarze Wasser“ auf der Agenda, eine Art Sommernachtsraum von Friede, Freude und interkultureller Chancengleichheit. Im Mülheimer Ringlokschuppen präsentiert sich die freie Szene mit einer sehr metaebenenreichen Produktion der Gruppe Vorschlaghammer. Und in Alice Buddebergs „Faust“-Inszenierung in Bad Godesberg schauen drei Mephistos dabei zu, wie ein Jeansjacken-Faust sein Gretchen juchzend im Einkaufswagen über die Bühne schiebt.

Wenn Grütters die Theater als „Säulen unserer Kultur“ bezeichnet, weiß sie auch aus persönlicher Erfahrung, wovon sie spricht. In Bonn, der letzten Station, hat die CDU-Politikerin in den später 1980er Jahren selbst in der Theaterdramaturgie und Pressestelle gearbeitet, neben dem Germanistik-, Kunstgeschichts- und Politikwissenschaftsstudium an der Bonner Uni. Entsprechend schockiert zeigt sich die Ministerin über die lokale Kulturpolitik: Das Bonner Theater hat gerade mit einer Wutbürgerbewegung zu kämpfen, die sich für die Schließung der Oper engagiert – und an deren Spitze der Oberbürgermeister steht. Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp erzählt von Eltern, die ihre Kinder mit Transparenten zu Demos schicken, auf denen steht: „Ich will ins Schwimmbad, nicht in die Oper“.

Eigentlich gebe es ja einen natürlichen Wehrreflex in der Bevölkerung, wenn es Theatern an den Kragen gehen soll, schwärmt Grütters. Dass dieser ausgerechnet im bürgerlichen Bonn mit seiner vergleichsweise guten Beschäftigungs- und Einkommenssituation versage, findet sie höchst bedenklich. Und trommelt, als sie abends im Theater auf den Bonner Kulturdezernenten trifft, sofort die Journalisten zusammen, um eine spontane Debatte über diese merkwürdige „Opern- Pegida“ zu initiieren.

Die Ministerin hat Kondition. Obwohl das straffe Programm frühmorgens beginnt und Grütters selbst dann, wenn die anderen Mittag essen, garantiert irgendwo in einer netzempfangsfreudigen Ecke steht und Interviews gibt, ist der Tag spätabends nach dem Theaterbesuch mitnichten vorbei. Dann sitzt die Ministerin an der Hotelbar und outet sich als Fan der dänischen Politmilieu-Serie „Borgen“.

Sie will von der versammelten Theaterkritik wissen, was sie von der Volksbühnen-Neubesetzung durch Tate-Modern- Chef Chris Dercon hält. Natürlich will sie sich nicht in Länderbelange einmischen. Sie habe den Eindruck, erhebt Grütters an der Mannheimer Hotelbar dennoch in der Volksbühnen-Causa ihre Stimme, der Berliner Kulturpolitik sei es vorrangig darum gegangen, Chris Dercon, den sie übrigens ziemlich gut kennt, unter allen Umständen in die Stadt zu holen. Gut; kann man ja verstehen, der Leiter der Tate Modern ist zweifellos ein großer Name, ein so fähiger wie verdienter Kunst-Experte und ein Gewinn für Berlin. Aber warum keine andere Institution, kein Museum, sondern ein Theater?

Grütters will prüfen, wo und wie der Bund sich bei den Theatern helfend engagieren kann

Nein, belehren will die Kulturstaatsministerin nicht. Aber alles so genau wie möglich wissen. Schließlich will Monika Grütters auch prüfen, wo die Förder-Stellschrauben" des Bundes – etwa das „Doppelpass“-Programm der Bundeskulturstiftung, das Stadttheater und freie Szene zusammenbringt – gut sitzen oder wo sie möglicherweise nachjustiert werden müssen. Zumal sie auf ihrer Theatertour ein neues Förderinstrument aus dem Gepäck zaubert. Der Bund, der die in Länderverantwortung liegenden Theater nur ergänzend zum Träger unterstützen kann, hat für 2015 eine Million Euro für einen Theaterpreis bewilligt. Der soll sich an mittlere und kleine Häuser richten. Und noch eine frohe Botschaft aus dem Reisekoffer: Auch „Impulse“, das ebenso traditionsreiche wie existenzbedrohte Theatertreffen der freien Szene in NRW, wird nächstes Jahr mit 100 000 Euro vom Bund gefördert. Die freie Szene hat bei Grütters einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. „Qualitativ sehr gut, lebhaft, sympathisch, zukunftsgewandt und weniger problemfixiert als lustvoll“, fasst sie zusammen. Dagegen tue sich „das institutionalisierte Establishment, das mitunter mehr mit der Problembeschreibung beschäftigt“ sei, ein bisschen schwerer. Grundsätzlich stellt Grütters allerdings der kompletten Theaterszene ein positives Zeugnis aus

Was allerdings nicht heißt, dass kein Reformbedarf besteht. Dass immer kleinere Ensembles immer mehr Produktionen stemmen müssen, und Künstler, die wir auf der Bühne sehen, mitunter monatelang keinen freien Tag haben – gern übrigens für beschämend niedrige Monatsgagen – ist durchaus Theateralltag. Musiker, Chor, Gewerke und Verwaltung hingegen sind gewerkschaftlich gut organisiert und mit entsprechenden Verträgen ausgestattet. „Da darf man eben vor solchen Debatten keine Angst haben“, sagt Monika Grütters in die Theaterrunde.

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