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Kein Land für alte Männer. Chris Pine muss Jeff Bridges erklären, wie die Dinge heutzutage laufen.
© Paramount

Im Kino: "Hell Or High Water": Die Abgehängten

Überraschend aktuell: Der lakonische Neo-Western „Hell Or High Water“ zeichnet ein Bild der USA in der Ära Donald Trump.

Der Satz „Don’t mess with Texas“ hat zweierlei Bedeutung, eine bekannte und eine weniger bekannte. Ursprünglich geht der Spruch auf eine Kampagne gegen das Zumüllen der staatlichen Highways zurück. Die Texaner waren aber auch schon immer ein besonderer Menschenschlag. Aufgrund dieser regionalspezifischen Mentalität erlebte der Spruch später seine kulturelle Umdeutung als Ausdruck lokaler Identität. „Don’t mess with Texas“ meint heute – halb scherzhaft, halb drohend – auch: „Leg dich nicht mit Texas an“. Zu diesem Selbstverständnis gehört, dass die Waffengesetze hier so „liberal“ sind wie in keinem anderen Bundesstaat. Man bildet sich in Texas viel darauf ein, früher einmal die frontier der amerikanischen Zivilisierungsbemühungen markiert zu haben.

In dem Neo-Western „Hell Or High Water“ des schottischen Regisseurs David Mackenzie unterliegt dieses Freiheitsgefühl vor allem ökonomischen Grenzen. Der Blick aus dem Autofenster schweift über eine karge Wüstenlandschaft, in der vereinzelte Bohrtürme stumm ihre Arbeit verrichten, und über unzählige verwaiste Kleinstädte. Die Straßenzüge sind nicht jedoch von achtlos weggeworfenem Müll verschandelt, sondern von Schildern, die Schuldnerberatungen anbieten.

Der Film hat einen Nerv getroffen

An ein Bankgebäude hat jemand „Drei Einsätze im Irak, aber kein Schuldenerlass für Leute wie uns“ geschmiert. Wenige Szenen später stürmen die Brüder Toby (Chris Pine) und Tanner (Ben Foster) diese Bank und fliehen mit dem Handgeld aus der Kasse – die dicken Geldbündel bleiben im Tresor zurück. Danach geht es weiter zur nächsten Filiale der Texas Midwest Bank. Die beiden haben ein straffes Programm, die Zeit drängt. In wenigen Tagen wird die Bank ihre verschuldete Farm beschlagnahmen.

„Hell Or High Water“ besitzt eine beunruhigende Aktualität. Ähnlich wie Didier Eribons Autobiografie „Rückkehr nach Reims“ war Mackenzie mit seiner gewalttätigen Outlaw-Ballade über die „Abgehängten“ des amerikanischen Traums seiner Zeit etwas voraus. Nach der Wahl Donald Trumps wird der Film nun gerne für zeitdiagnostische Analysen bemüht. Einen Nerv hat er allemal getroffen. Mit einem knappen Budget von zwölf Millionen Dollar entwickelte sich „Hell Or High Water“ in den USA im Laufe des Sommers zu einem unerwarteten Kassenhit. Aus den kritischen Interpretationen des Films lassen sich seitdem auch verhaltene Selbstbezichtigungen heraushören. Vielleicht war der Ausgang der Wahl doch nicht unvorhersehbar? Hätte man nur die Stimmung im Land nur besser zu lesen verstanden.

Man darf die Rolle des Kinos als gesellschaftlichen Seismografen allerdings auch nicht überbewerten. „Hell Or High Water“ ist zunächst mal ein schlanker Genrefilm mit einem ausgeprägten sozialen Bewusstsein – was im Übrigen für jeden guten Genrefilm gelten sollte. Sein Ensemble besteht aus Archetypen wie dem Texas Ranger Marcus Hamilton, gespielt von einem verwitterten Jeff Bridges als John-Wayne-Wiedergänger (inklusive rassistischer Witze über seinen mexikanisch-indigenen Deputy), der sich kurz vor der Pensionierung an die Fersen der Bankräuber heftet. Das Muster der Überfälle verrät dem Veteranen, dass er es nicht mit gewöhnlichen Kriminellen zu tun hat.

Die Zeiten haben sich geändert

Mackenzie erzählt seine Geschichte im lakonischen Tonfall eines Cormac McCarthy, dessen Roman „No Country for Old Men“ die Coen-Brüder zu einem ähnlichen Abgesang auf den alten Westen inspirierte. Das Drehbuch stammt von Taylor Sheridan, seit dem Drogenthriller „Sicario“ ein Experte für das aus der Zeit gefallene amerikanische Grenzland. Irgendwann stehen der Marshal und sein Deputy vor einem Cowboy und seiner Herde, im Hintergrund brennt der ausgetrocknete Landstrich. Diese Archaik macht die visuelle Qualität von „Hell Or High Water“ aus.

Mit seiner Solidarität für die „kleinen Leute“ begibt sich Mackenzies Film allerdings in Gefilde, die inzwischen von konservativer Seite vereinnahmt werden. Die Hoheit über diesen Diskurs zurückzuerobern, wird in den nächsten Jahren die schwierigste Aufgabe des US-Kinos sein. Der ausgebleichte Sozialrealismus des Genrefilms, auf den sich „Hell Or High Water“ beruft, war in den Siebzigern noch das Merkmal des linksliberalen New Hollywood. Die Zeiten haben sich geändert. Revanchismus liegt Mackenzie jedoch fern. Er nimmt die bescheidenen Träume der Menschen am Rande der Gesellschaft (beziehungsweise im heartland der USA) ernst, während Sheridan gerade in den ruhigen Szenen einen glaubwürdigen Ton trifft. Es ist wohl bezeichnend für das amerikanische Kino, dass mit „Hell Or High Water“ und „American Honey“ ausgerechnet zwei britische Expats die besten aktuellen Filme über das Land gedreht haben.

in 9 Berliner Kinos; OmU: b-ware! ladenkino, Filmkunst 66, fsk am Oranienplatz, Rollberg

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