Das Kreuz und das Humboldt-Forum: Der Zweifel in Großbuchstaben
Die Gründungsintendanten schlagen neben dem Kreuz auf der Schlosskuppel eine zusätzliche Schrift-Installation vor. Der Künstler Lars Ø Ramberg, der sie für den Palast der Republik erfand, findet das gut.
Was ist in dieser so symbolischen wie hysterischen Debatte inzwischen nicht alles als Ersatz für das Kuppelkreuz auf dem Humboldt Forum vorgeschlagen worden. Die Weltkugel klar. Der Berliner Bär, logo. Kreuz, Halbmond und Davidstern als Symbole aller drei monotheistischen Religionen in einer Art Bremer-Stadtmusikanten-Pyramide. Oder die blaugelbe Europa-Fahne, wahlweise die Unesco-Flagge mit den Tempelsäulen darauf. Oder wie wäre es mit einem überdimensionalen Mikroskop, wie der Humanistische Verband Deutschlands zuletzt vorschlug? Das ist wahre Weltkultur: Jeder darf sich was wünschen im Streit um das Kreuz.
Am gestrigen Dienstag meldeten sich die Gründungsintendanten des Humboldt-Forums mit einem neuen Vorschlag zu Wort. In einem gemeinsamen Text in der „FAZ“ verteidigen Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp die Rekonstruktion des Kreuzes auf der Spitze der Stüler’schen Kuppel und regen an, außerdem den Schriftzug „ZWEIFEL“ des norwegischen Künstlers Lars Ø Ramberg an der Ostseite des Schlossdaches anzubringen. Der acht Mal 40 Meter große Schriftzug in neonfarbenen Lettern hatte den Rest des Palasts der Republik gekrönt, bevor der Bau abgerissen wurde.
Der Zweifel, so das Intendanten-Trio, sei ein „Kernelement der preußischen Aufklärung“ und habe „mit dem Kreuz als christliches Hoheitszeichen in Berlin lange zusammengewirkt. Ihnen verdanken sich alle großen Forschungen und intellektuellen Auseinandersetzungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Der Zweifel war immer ein Bewohner dieses Hauses.“ Die Humboldt-Intendanten verstehen die Anbringung der monumentalen Buchstaben ausdrücklich als „Reminiszenz an den zerstörten Palast der Republik“.
Man muss, sagt der Künstler Lars Ø Ramberg, die gesamte Geschichte des Platzes im Blick halten
Der norwegische, seit 1998 in Berlin lebende Künstler findet die Idee sehr gut. Es sei wichtig, „die gesamte Historie des Schlossplatzes im Blick zu behalten. Die Geschichte hört dort eben nicht 1959 mit dem Abriss des Barockschlosses auf“, sagte Lars Ramberg im Telefonat mit dem Tagesspiegel. Sein Projekt von 2005 sei ein Tribut an die Zeit der Wende und der Wiedervereinigung gewesen, „als der Zweifel zu einer Art gemeinsamer Nenner wurde. Wer sind wir? Sind wir ein Volk? Oder zwei? Wo gehen wir hin?“ Der Zweifel sei ein Teil der deutschen Identität geworden, was ihn als Norweger schon deshalb beeindruckt habe, weil er aus einem Land der Konsenskultur komme. "Da wollen sich alle immer schnell einzig werden."
Ähnlich wie das Intendanten-Trio hält Ramberg den Zweifel für eine positive Tradition, einen „starken Demokratiebeweis, vielleicht die intelligenteste Erfindung der Deutschen, nach all den Jahren der Ideologien, der Monarchie, des Nationalsozialismus, des Kommunismus“.
Das Kreuz im Westen, der Schriftzug im Osten: Glauben ja, und bitte noch mehr Zweifel? Auf dass die Kunst die Religion neutralisiere? Die Schwächen des Projekts Humboldt-Forum im Schloss kommen auch in diesem neuerlichen Vorschlag zum Ausdruck. Es ist alles schrecklich gut gemeint. Aber ein Museum der Weltkulturen mit außereuropäischen Sammlungen, das den Namen der religiös desinteressierten Humboldts trägt, passt einfach nicht in die Hülle eines Barockschlosses. Zu ihr gehört nun einmal die von jedermann klar als religiös konnotierte Kuppel mit Kreuz.
Das Intendanten-Trio weiß um das Dilemma und spricht davon, dass die „Inkonsistenz von Fassade und Inhalt die Dynamik des Hauses mitbestimmt“. Aber allen brillanten gedanklichen Volten zum Trotz bewerkstelligt man das Kunststück „die Welt zu verstehen, ohne die Geschichte zu leugnen“ eben nicht damit, dass man es allen recht zu machen versucht: der Kultur und der Politik, den Palast- und den Schloss-Nostalgikern, der Kirche, dem atheistischen Berlin, den Agnostikern, den Rettern der Historischen Mitte und der hippen Kunstszene.
Die Gründungsintendanten wollen auch eine Replik des Sanchi-Tors an der Nordseite aufstellen
Die drei regen außerdem an, eine Nachbildung des Sanchi-Tors aus den Dahlemer Sammlungen vor dem Schloss aufzustellen, an der Nordseite, gegenüber dem Lustgarten. Das antike buddhistische Monument würde „die Botschaft des Humboldt Forums – Erlebnisraum der Weltkulturen wie der Wissenschaft zu sein – nach außen tragen“ und wäre zudem „eine südasiatische Antwort“ auf das Brandenburger Tor. Fazit: „Der Zweifel in seiner Wortgewalt, zusammen mit der mächtigen Bildwelt des Sanchi-Tors und dem Kuppelkreuz laden dazu ein, die Welt nicht allein durch die Augen des eigenen Selbst zu betrachten.“ Dies sei die Botschaft des Humboldt-Forums.
Was der Schloss-Architekt Franco Stella, der sich in der „Welt“ klar für das Kreuz und gegen „eine beliebige Subtraktion historischer Elemente“ ausgesprochen hatte, von der Idee mit dem „ZWEIFEL“ hält, ist bislang nicht zu erfahren. Der Schriftzug verändert die Fassade, als Architekt dürfte er ein Wort mitzureden haben.
Lars Ø Ramberg erinnert noch einmal an die Geschichte auch des DDR-Volkspalasts. "In den 14 Jahren des DDR-Volkspalasts gab es dort keinen Zweifel, zumindest nicht offizielle." Nach der Wende sei der Palast geradezu zum Generator für den kollektiven Zweifel geworden. "Mir war klar, dass dies etwas Größeres ist als nur eine Abrissdebatte. Es ging zum den Zweifel als Logo für ein neues Deutschland, ein neues Europa." In der Zeit von 1990 bis zum Abriss 2006 habe der Palast der Republik vor allem als Debatte gelebte, er wurde zum Palast des Zweifels. Damals habe sich herauskristallisiert, "dass der Zweifel Raum braucht. Vielleicht bekommt er im Humboldt Forum ein neues Zuhause, um an heutigen Debatten teilzunehmen,“ hofft der Künstler.
Die meterhohen Lettern sind jedenfalls jederzeit einsetzbar, Ramberg hat sie professionell eingelagert - wo, das will er nicht verraten.