Im Kino: "Ein Hologramm für den König": Der Mann, der nie aufgibt
Tom Tykwer romantisiert Dave Eggers’ Saudi-Arabien-Roman "Ein Hologramm für den König". Mit Tom Hanks in der Hauptrolle.
Kein anderer Hollywoodstar verkörpert das heutige Amerika so sehr wie Tom Hanks. Als tragische Gestalt mit ewig jungenhaftem Gesicht, auf den Hund gekommen wie nichts und doch mit einem kernigen, fast heillosen Optimismus ausgestattet. Wenn er, wie gerade im „Spiegel“-Interview, die europäischen Sorgen um die USA wegen Donald Trump und der Vorwahlen vom Tisch wischt – „Umfragen sind wie Testvorführungen meiner Filme. Jeder kommt umsonst rein und bekommt noch Popcorn und eine Coke Zero“ – und gleichzeitig die Machenschaften von Hedgefonds oder Ölfirmen anprangert, dann weiß man wieder nicht, ob man sich freuen oder verzweifeln soll.
Politischer Aktivismus ist nicht sein Ding, auch wenn er den Wahlkampf von Obama unterstützt hat und jetzt für Hillary Clinton wirbt. Trotzdem verliert er scharfe Worte über die hohle Celebrity-Kultur der Fundraising-Partys: Tom Hanks ist einer, der mitmacht und es sich gleichzeitig leisten kann, darüber zu spotten. Immer wirkt sein Lächeln ein wenig erschreckt, friert kurz fest zwischen Naivität und Sarkasmus.
Genauso spielt er Alan Clay, diesen Mann, der sich nach seiner Firmenpleite von einem amerikanischen IT-Konzern als Vertreter in die Wüste schicken lässt. Dort soll er den Saudis mit einem „Hologramm für den König“ imponieren und den lukrativen Auftrag für die Kommunikationstechnologie von King Abdullah’s Economic City zu ergattern, der auch in der Realität seit Jahren geplanten saudi-arabischen Megacity am Roten Meer.
Eine surreale Mission: Die Acht-Millionen-Metropole ist immer noch reine Vision (im Internet unter www.kaec.net zu besichtigen) plus zwei, drei Gebäude irgendwo im Nirgendwo plus ein Präsentationszelt. Darin schlägt Clays kleines Team die Zeit beim Warten auf den W-Lan-Anschluss mit Kartenspielen tot – bei 40 Grad Hitze und defekter Klimaanlage. Am Ende kriegen die Chinesen den Job, und Alan steht dumm da, schon in der Romanvorlage für Tom Tykwers Film, dem gleichnamigen Bestseller von Dave Eggers. Und Hanks, der traurige Clown, wird zur Inkarnation der abgehalfterten Weltmacht USA, die von den Ölscheichs vorgeführt und von den Asiaten übervorteilt wird.
Von "Forrest Gump" bis "Larry Crowne": Tom Hanks, das Stehaufmännchen
2015 wurde Tom Hanks (dessen deutscher Synchronsprecher gerade gestorben ist) vom amerikanischen Publikum erneut zum beliebtesten Schauspieler der Nation erklärt. Der All-American-Guy krempelte schon den arbeitslosen „Larry Crowne“ (2011) zum Stehaufmännchen und Muntermacher in Krisenzeiten um.
In „Apollo 13“ (1995) verteidigte er die Würde der ramponierten Nation im Weltall, nachdem er ein Jahr zuvor in „Forrest Gump“ als weiser Tor all jenen Gesicht und Stimme verliehen hatte, die nicht fürs klassische Heldentum taugen. Den kleinen Leuten, die für ihr kleines Glück große Herausforderungen meistern müssen, den Verlierern und Versagern, die wacker weitermachen. Scheitern als Chance, das ist Tom Hanks. Und zuletzt, in "Bridge of Spies", vertrat er Amerikas Werte auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs.
Zuversicht ausstrahlen, jovial auftreten: Sein Programm hat Alan alias Tom Hanks noch drauf
Steven Spielberg hat ihn einmal einen Amokläufer genannt, der mit angezogener Handbremse fährt. Und Tom Tykwer sieht in Alan Clay einen Seelenverwandten von Walter White, dem panischen Helden der „Breaking Bad“-Serie. Am Anfang, und der ist durchaus rasant, zappelt Hanks im Videoclip zum umgedichteten Talking-Heads-Song „Once In A Lifetime“ als Opfer der Bankenkrise durchs Bild, als einer dieser Babyboomer, deren erfolgsgepolte Existenz zerstoben ist: „You may find yourself without a beautiful house/without a beautiful wife ...“. Stattdessen findet er sich im Flugzeug Richtung Golfregion wieder, als einziger Westler unter betenden Arabern.
Alan war mal Fahrrad-Unternehmer, Verkäufer solider amerikanischer Wertarbeit. Bis die Firma pleiteging, auch wegen der Chinesen – die Schwinn Bicycle Company gab es übrigens wirklich. Sein Programm hat Alan Clay noch drauf, im Hotel in der Küstenstadt Dschidda ebenso wie auf dem Absurdistan-Gelände der Zukunftscity beim Warten auf den König oder auf andere, immer wieder verschobene Geschäftstermine: joviales Auftreten, Zuversicht ausstrahlen und jeden Angestellten erst mal nach seinem Namen fragen. Der Saudi-Arabien-Auftrag ist seine letzte Chance: Nicht mal die Ausbildung seiner Tochter, die sich via Skype entnervt von ihm abwendet, kann er noch finanzieren.
Same as it ever was. Die Talking Heads geben den Takt vor. Unvermutet sieht sich Alan Clay in einer Endlosschleife gefangen. Jeden Morgen wacht er zu spät auf, jeden Morgen wird er von dem jungen Fahrer Yousef (Alexander Black) in dessen klapprigem Chevrolet Caprice kutschiert, jeden Tag lässt der König neu auf sich warten.
Die Gags wiederholen sich: Yousef, der sein Auto regelmäßig auf Sprengstoff untersucht (er fürchtet ein Eifersuchtsattentat) und seinen Kunden mit laut aufgedrehten Pophits quält. Der immergleiche Wachmann, der seine Füße im Plantschbecken kühlt, daneben die Bauarbeiter, die in der Gluthitze dösen. Alans Slapsticks beim Hinsetzen: Zahlreiche Stühle brechen unter ihm zusammen. Seine Angst wegen dieses mysteriösen Knubbels im Nacken. Seine Alkoholexzesse, als ihn die dänische Personalerin in der City (Sidse Babett Knudsen, die Politikerin aus der „Borgen“-Serie) trotz strengem Alkoholverbot mit Hochprozentigem versorgt.
Leider treiben weder der Roman noch Tykwers Adaption die Running Gags samt Wiederholungszwang ins Abgründige wie etwa Arnon Grünbergs rabenschwarzer Roman „Der Mann, der nie krank war“, der einen ähnlich naiven Helden nach Bagdad und Dubai schickt. Aber auch als Komödie oder Groteske entwickelt die teils in Berlin und Babelsberg, teils in Saudi-Arabien und Marokko entstandene Produktion keine Stärke.
Tom Tykwer hat erneut versucht, einen Bestseller in einen hochkarätigen Autorenfilm zu verwandeln
„Ein Hologramm für den König“ plätschert so vor sich hin, verdichtet Konstellationen wie das Herr-und-Knecht-Duo Alan und Yousef nicht, sondern lässt Figuren und Erzählstränge einfach fallen. Zwar kommt etwas Schauwert hinzu (Budget: 14 Millionen Euro), mit einer (schon bei Eggers) abgeschmackten Orgie in der dänischen Botschaft und einem Ausflug nach Mekka – für Nicht-Moslems verboten! – und zu Yousefs Familie in die Berge, wo Alan sich mit einem CIA-Witzchen kurz in Lebensgefahr bringt. Aber Tykwer gewinnt dem Stoff nichts Eigenes ab.
Fast nimmt sich sein dritter Versuch nach „Das Parfum“ und „Cloud Atlas“, einen Bestseller in einen hochkarätigen internationalen Autorenfilm zu verwandeln, wie ein Auftragswerk aus. Mag sein, dass der Berliner Regisseur sich bereits mit Herz und Seele seinem nächsten Großprojekt „Babylon Berlin“ verschrieben hat, der mit fast 40 Millionen Euro ausgestatteten Serien-Verfilmung von Volker Kutschers Zwanzigerjahre-Krimis. Etwas mehr Handschrift hätte man sich trotzdem gewünscht, zumal Tykwer sich den Wunsch erfüllte, wieder mit Hanks zu arbeiten, selber das Drehbuch schrieb und den Roman abwandelte. Im Buch erweist sich Alan nicht nur als Geschäftsmann, sondern auch bei den Frauen als impotent. Im Film bleibt es nicht dabei.
Eggers’ Buch endet damit, dass Clay tapfer weiter auf den König wartet. Ein hoffnungsloser, unmöglicher Fall. So sympathisch es sein mag, dass Tom Tykwer die Liebe als Heilmittel gegen die Krankheiten der Welt empfiehlt, so sehr ärgert einen die Entpolitisierung des mit Rückblenden auf den Niedergang angereicherten Romanplots, mit Ausnahme eines kurzen Blicks auf zusammengepferchte Arbeitsmigranten in der City. Tykwer romantisiert lieber und malt die Begegnung mit der attraktiven Ärztin Zahra (Sarita Choudhury, Saul Berensons Frau in „Homeland“) zur großen Liebe aus.
Männer und Frauen dürfen sich in Saudi-Arabien bekanntlich nicht einfach so treffen. Auf der diesjährigen Berlinale konnte man im saudischen Undergroundfilm „Barakah meets Barakah“ erleben, zu welch aberwitzigen Versteckspielen das führt. „Ein Hologramm für den König“ trägt dem Verbot immerhin noch mit einer Unterwasser-Begegnung mit urlaubsprospektschönem Korallenriff Rechnung. Nichts gegen Märchen, aber dann folgen nur stereotype Orientalismen.
Ami liebt Araberin, und alles wird gut? Tykwer hat mal raffiniertere, überraschendere Filme gedreht.
Ab Donnerstag in 24 Berliner Kinos. OmU: Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei, Moviemento, Odeon, Passage. OV: Cinestar Sony-Center
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität