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Ich will hier rein! Tom Hanks als US-Anwalt Donovan versucht die DDR-Grenzer am Übergang Friedrichstraße zu überzeugen, dass er dringend in die Sowjetische Botschaft Unter den Linden muss. Gedreht wurde die Szene am Gleisdreieck.
©  Twentieth Century Fox

Steven Spielbergs "Bridge of Spies": Wo bitte geht’s nach Moskau?

Der Thriller über den Agententausch 1962 entstand vor allem in Berlin. Die Drehorte sind oft nur schwer zu erkennen. Heute kommt der neue Spielberg-Film in die Kinos.

Die Bagger warteten schon, Spielberg musste sich sputen. Toller Drehort am Gleisdreieck, an der Luckenwalder Straße in Kreuzberg, direkt unterhalb der Hochbahnstrecke: die bröckelnden Reste des Ringbahnviadukts, auf dem einst die S-Bahnen vom Ring zum Potsdamer Bahnhof und zurück fuhren. Bahntechnisch überflüssig seit 1944, nachdem der Bahnhof wegen Bombenschäden stillgelegt worden war.

Noch vor wenigen Jahren nutzten obskure Autofirmen die Viaduktgewölbe als Werkstätten. Es sah dort immer ein wenig so aus, als sei der Krieg noch nicht allzu lange vorbei. Ideal, um Kinobesuchern vorzugaukeln, sie sähen Tom Hanks als US-Anwalt James Donovan dabei zu, wie er Anfang der Sechziger am Grenzübergang Friedrichstraße in Ost-Berlin einzureisen versucht. Dumm nur, dass das Viadukt von der Bahn veräußert und vom Käufer zu Neubauzwecken für umgehenden Abriss vorgesehen war.

Für Steven Spielberg standen die Bagger still

Aber wenn einer wie Steven Spielberg die Geschichte des ersten Agentenaustauschs auf der Glienicker Brücke verfilmen will, haben Investoren und Abrissunternehmer schon mal ein Einsehen: Einen halben Tag haben die Bagger gewartet, dann war die Szene im Kasten, so berichtet Markus Bensch, Location Scout bei Studio Babelsberg, das an „Bridge of Spies“ als Koproduzent und ausführende Produktionsfirma beteiligt war.

Kooperativ zeigte sich auch die Deutsche Bahn selbst, hätte sogar eine alte S-Bahn für Dreharbeiten auf die Strecke geschickt, aber auch einer wie Spielberg muss ans Geld denken. So blieb es beim Besuch im S-Bahn-Depot Erkner, und Hanks spielte Bahnfahren im stehenden Zug.

Von Ende Oktober bis Anfang Dezember 2014 hatte Spielberg die Geschichte des Agententauschs vom 10. Februar 1962 in Berlin, Potsdam und Umgebung gedreht – sowie im polnischen Breslau, wo die Szenen an der Mauer und am Checkpoint Charlie entstanden. An diesem Donnerstag, knapp zwei Wochen nach der Premiere im Zoo-Palast, kommt der Film in die deutschen Kinos – Anlass genug zu einem Rückblick auf die Dreharbeiten. Denn auch ausgewiesenen Berlin-Kennern wird es mitunter schwerfallen, hinter den Bildern die Drehorte zu identifizieren.

Fünf Monate für eine Drehgenehmigung

Gut, die Glienicker Brücke ist die Glienicker Brücke. Schon mehrfach spielten Spielfilmszenen auf die Agentenbrücke zwischen Berlin und Potsdam an, gerne wurde dann die Swinemünder Brücke in Gesundbrunnen genommen. Erstmals konnte nun das Original genutzt werden, bei einwöchiger Vollsperrung, von der nur Rettungsfahrzeuge ausgenommen waren. Mit 23 Behörden und Institutionen musste das abgestimmt werden, fünf Monate lang kümmerte sich eine Mitarbeiterin von Studio Babelsberg ausschließlich um die Drehgenehmigung. Um die Szene des Agententauschs – Sowjetspion Rudolf Abel gegen den U2-Piloten Francis Gary Powers und den US-Studenten Frederic Pryor – noch etwas dramatischer aufzumöbeln, hatte man die Brücke auch mit historisch unkorrekten Panzersperren ausgestattet, „eine Regie- und Ausstattungsentscheidung“, wie Bensch sagt.

Den Kunstschnee hatte die Firma Snow Business aus dem zwischen Münster und Osnabrück gelegenen Ort Ladbergen geliefert. Man habe sehr darauf geachtet, dass nicht zu viel in der Havel landete, versichert Bensch. Das Material sei zwar harmlos, doch mache es einen schlechten Eindruck, wenn der Kunstschnee die Havel hinuntertreibe. Ein weiteres Problem: der Denkmalschutz. Die Brücke sollte so aussehen wie Anfang der Sechziger, einschließlich des oben schwebenden DDR-Emblems. Aber alle Ergänzungen, Lampen, Schilder, was auch immer, mussten nach dem Dreh, ohne Spuren zu hinterlassen, wieder verschwinden.

Das ist bei Dreharbeiten wohl nicht immer selbstverständlich. Das Deutsche Technikmuseum, so Benschs Eindruck, müsse schon schlechte Erfahrungen gemacht haben, daher sei es anfangs nicht einfach gewesen, für den zum Bestand des Museums gehörenden, auf dem Vorfeld des Flughafens Tempelhof geparkten Rosinenbomber eine Drehgenehmigung, und sogar innen, zu erhalten. Der Name Spielberg habe dann doch geholfen, und so entstanden – „in enger Absprache mit dem Museum“ – die Tempelhof-Szenen von der Ankunft Donovans und dem Abflug Powers’. In einem Hangar wurden vor einer Blue Screen Nahaufnahmen vom Cockpit der abstürzenden U 2 gedreht.

Zwei Drehorte für eine Sowjetische Botschaft

Als Ersatz für die Sowjetische Botschaft waren gleich zwei Drehorte gefunden worden: für die Außenansicht das Gebäude der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Uni in der Dorotheenstraße, für die Innenszenen das Palais am Festungsgraben. Theoretisch wäre auch die originale Botschaft denkbar gewesen, aber das hat man gar nicht erst versucht. Vorbei die Zeiten, als es für die Jeans-Firma Levi’s kein Problem war, in dem Prachtbau Unter den Linden zwei neue Werbefilmchen für seine 501 zu präsentieren, samt Showeinlage von Kim Wilde. Aber damals, im Jahr 1993, hieß der Präsident noch Jelzin, nicht Putin.

Wurde die Botschaft also aus zwei Drehorten zusammengesetzt, kamen umgekehrt einige Orte doppelt zum Einsatz. Stasi-Zellen in der Gedenkstätte Hohenschönhausen dienten als Moskauer Verlies des US-Piloten Powers wie auch als Ost-Berliner Knast, in dem der Student Pryor schmachtete. Langwierige Verhandlungen seien notwendig gewesen, sagt Bensch. Zur Eintrittskarte wurde schließlich der Umstand, dass der reale Pryor tatsächlich in Hohenschönhausen inhaftiert war. Der Moskauer Prozess gegen Powers wiederum wurde in der majestätischen Messehalle 19 gedreht, gleich hinter dem Eingang am Hammarskjöldplatz.

Doppelt zum Einsatz kam auch das bei Filmcrews sehr beliebte Schloss Marquardt nordwestlich von Potsdam: als Safe House des CIA, in dem Donovan übernachtet, und als Büro des von Sebastian Koch gespielten DDR-Anwalts Wolfgang Vogel. Im alten Funkhaus in der Nalepastraße hingegen wurden die Szenen im Büro des DDR-Generalstaatsanwalts sowie im Coffee-Shop des Hilton gedreht, wie auch das Kino International für eine Außenaufnahme als West-Kino herhalten musste. Den Kurfürstendamm zurück in die frühen Sechziger zu versetzen, wäre zu aufwendig gewesen.

Renovierungen machen Historien-Drehs schwieriger

Ohnehin wird es schwieriger, solche historischen Filme in Berlin zu drehen, sagt Bensch. Immer mehr Gebäude würden renoviert, auch schwänden einfach die Freiflächen, die eine große Filmcrew für ihren Tross benötige. Das US-Team sei jedenfalls sehr froh gewesen, dass ihm als Ersatz für das alte Berlin immer noch Breslau blieb.

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