Citylights: Alles für die Kamera
Schock und Unbehagen: Frank Noack beobachtet pikante Dreh-Momente.
Nach den Interviews zu urteilen, hat Lars von Triers „Antichrist“ keinem Mitwirkenden geschadet. Unter Schock stehen höchstens die unvorbereiteten Zuschauer. Dagegen fiel es den Darstellern offenbar leicht, Rolle und Privatleben zu trennen. Kein Wunder, schließlich haben sie privat nichts miteinander zu tun. Der Fall liegt anders, wenn ein Regisseur mit seiner Hauptdarstellerin verheiratet ist und sie sich, unter seiner Anleitung, einem anderen Mann hingeben muss. Das sei alles nur Job, reines Handwerk, behaupten die Beteiligten gern.
Nicht ganz so locker nahm Thomas Kretschmann seine Rolle als Serienmörder und -vergewaltiger in Dario Argentos Das Stendhal-Syndrom (1996): Er musste sich, vom Regisseur angefeuert, über dessen 19-jährige Tochter Asia hermachen, und sprach hinterher offen über sein Unbehagen. Auch hier ist nichts von schädlichen Langzeitwirkungen bekannt. Die hartgesottene Asia Argento teilt die Liebe ihres Vaters fürs Abseitige und Makabre. Dennoch ist es für den Zuschauer angesichts der Vater-Tochter-Konstellation nicht eben leicht, den Film als bloße Stilübung zu betrachten. Der Stil immerhin ist, wie immer bei Argento, erlesen: Altmeister Giuseppe Rotunno hat wunderschöne Bilder von Florenz eingefangen, und die Musik schrieb Ennio Morricone (Mittwoch, Babylon Mitte) .
Unter Freunden des Abseitigen genießt der Western The Terror of Tiny Town (1938) Kultstatus, denn alle Rollen wurden mit kleinwüchsigen Darstellern besetzt (Sonntag im Z-inema). Das hat dem Film den unverdienten Ruf eingebracht, geschmacklos und ausbeuterisch zu sein. Tatsächlich verzichtet Sam Newfield auf erwartbare Gags: Der Held könnte vom Pferd fallen oder sich den Kopf an der Saloontür stoßen. Nichts dergleichen passiert. Schnellregisseur Newfield, dessen Filmografie fast 300 Titel aufweist – allein 16 im Jahr 1938 –, erzählt eine konventionelle Gut-gegen-Böse-Geschichte und hat lediglich das genreübliche Pferd durch ein Pony ersetzt. „The Terror of Tiny Town“ ist somit kein Film zum Ablachen und Fremdschämen, sondern der gut gemeinte Versuch, Kleinwüchsigen ein Leben auch außerhalb der Zirkuswelt zu gönnen.
Ebenfalls ein leichtes Unbehagen trotz guter Absichten stellt sich bei Bernhard Grzimeks Serengeti darf nicht sterben (1959) ein, der mit einem Oscar als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde (Donnerstag und Montag im Filmkunst 66). Der Einsatz für Tier- und Artenschutz erscheint aufrichtig. Der Tod von Grzimeks Sohn Michael während der Dreharbeiten in Tansania verdeutlicht die Gefahren, denen sich Dokumentarfilmer aussetzen. Und dass die betörende Musik von Wolfgang Zeller stammt, der auch „Jud Süß“ komponiert hat, sollte man nicht überbewerten. Unbehagen erzeugt nur die Andeutung, die „Eingeborenen“ würden alles verkommen lassen, und nur der deutsche Afrika-Experte könne die Natur retten. In solchen Momenten verrät der Film mehr über die Bundesrepublik der fünfziger Jahre als über den Serengeti-Nationalpark.
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