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Anstoß-Erreger. Joseph Beuys nach der Räumung der Kunstakademie in Düsseldorf, 1972.
© Erich Puls/Klaus Lamberty zeroonefilm/ Stiftung Musem Schloss Moyland

"Beuys" bei der Berlinale: Der Großkünstler als Selbstdarsteller

Andres Veiels Dokumentarfilm „Beuys“ präsentiert im Wettbewerb eine Hommage – und entdeckt den Humor der Ikone Joseph B.

Ein Schamane und eine Ikone, auch als Person. Joseph Beuys, der Mann mit dem Hut, lange vor Udo Lindenberg, er war und bleibt der neben Günter Grass berühmteste deutsche Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und zu den für manche überraschenden Momenten in Andres Veiels großem Dokumentarfilm „Beuys“ mag nebenbei die Bemerkung eines amerikanischen Journalisten gehören: dass Beuys Anfang der Achtziger vor Andy Warhol und Robert Rauschenberg der teuerste Artist in der Manege des internationalen Kunstmarkts war.

Da hätte als Pointe ganz gut gepasst, wie bei einer Feier des SPD-Ortsvereins Leverkusen-Alkenrath im Museum zwei Parteigenossinnen die Gläser spülen wollten und in einer Abstellkammer eine mit Heftpflastern und Mullbinden verschmuddelte alte Badewanne fanden, die sie vorm Abspülen erstmal reinigten. Freilich war’s: eine zwischengelagerte Beuys-Installation. Wobei es sich laut Künstler um die Wanne gehandelt habe, in der er geboren wurde. Später putzte ein Hausmeister der Düsseldorfer Kunstakademie versehentlich auch mal Fettreste weg, die gleichfalls originaler Beuys-Talg waren. So etwas kommt in „Beuys“ leider nicht vor.

Dennoch gehört es zu den Vorzügen der (heute genretypisch) ohne eigene Kommentarstimme und fast nur aus authentischem historischen Foto- und Filmmaterial montierten Doku, dass Andres Veiel in seinem politisch wie ökologisch engagierten, zudem die eigene Geschichte mystifizierenden Titelhelden auch den Mann des (rheinischen) Humors entdeckt. Den Schlagfertigen.

Der menschenfreundliche Beuys war auch ein Menschenfänger

So gibt es den Verweis auf eine – ursprünglich aus Berlin stammende – Arbeit von Beuys, bei der er 24 aus der DDR importierte, mit Filzrollen und Fett bepackte Holzschlitten an einen alten VW-Bus gebunden hatte. Die im In- und Ausland gezeigte Installation nannte er „Das Rudel“.

Veiel hat dazu in den Archiven Ausschnitte einer Podiumsdiskussion gefunden, bei welcher der (hier ungenannte) rechtskonservative Philosoph und Soziologe Arnold Gehlen, der bereits zu NS-Zeiten eine Rolle gespielt und nach 1945 seine Karriere fortgesetzt hatte, den Schöpfer des „Rudels“ der Scharlatanerie bezichtigt. Warum er statt der Schlitten nicht genauso gut „Kinderwagen“ genommenen habe! Worauf Beuys dem aggressiven Ressentiment mit einem charmanten Lächeln entgegnet: „Die Kinderwagen überlasse ich gerne Ihnen. Mal sehen, ob Sie daraus etwas Interessantes machen können.“ Der Saal lacht, und man sieht, der menschenfreundliche Beuys („Jeder Mensch ist ein Künstler“) war auch ein fabelhafter Menschenfänger.

Das Material ist spröde, die Montage sprüht vor Intelligenz

Andres Veiel, spätestens seit „Black Box BRD“ (2001) einer der wichtigsten deutschen Dokumentarfilmer, hat seinen „Beuys“ mit radikaler Entschiedenheit komponiert. Er verzichtet darauf, berühmte Werke wie „zeige deine wunde“ oder den zuerst in Venedig präsentierten „Tram Stop“ im heutigen digitalen Hochglanz neu abzulichten. Das bedeutet wegen der optischen Sprödigkeit des meist schwarzweißen Altmaterials auch einen Verzicht auf äußere Brillanz. Man muss sich die Suggestivität der Beuys’schen Arbeiten und seinen Begriff der „sozialen Plastik“ im Zusammenhang mit den öffentlichen Auftritten der Person so eher selber im Kopf zusammenreimen.

Das Arrangement der Ausschnitte und ihre formale Montage aber sprühen vor Intelligenz. Kritik am Künstler-Guru gibt es in dieser Hommage freilich kaum, Veiel vertraut einfach auf die durch seine Bilder vorgegebene historische Distanz und die mit ihnen ausgelöste Reflexivität. Das Problem der 107 Filmminuten ist nur: Beuys bleibt sich, von Hut bis Fuß, meist gleich. Er ist ein Selbstdarsteller, kein als Verwandler je überraschender Schauspieler.

15.2., 9.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 12 Uhr und 18 Uhr (Friedrichstadtpalast), 21.30 Uhr (Thalia Programmkino), 19. 2., 9.30 Uhr (Zoo Palast 1).

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