Im Kino: "Deadpool 2": Der Antiheld in rot-schwarz ist zurück
Mutanten, futuristische Waffen und Avocado-Sex: „Deadpool 2“ mit Ryan Reynolds und Josh Brolin ist einer der lustigsten Superheldenfilme des Jahres.
Die Existenz dieser Produktion dürfte Kritiker der Blockbuster-Industrie bestätigen. Da gibt es mit dem originalen „Deadpool“ von 2016 endlich einen Film, der alles anders macht. Einen Film, der das durch zahllose Fortsetzungen ermattete Superhelden-Genre auf links zieht. Zum einen ignoriert er mit zynischem Humor und unfassbarer Brutalität die moralischen Grundwerte für Superhero Movies, zum anderen unterläuft er durch permanente Selbstreflexion und direkte Ansprache des Publikums das erzählerische Standardformat.
Und all das als Quasi-Fanprojekt seines Stars Ryan Reynolds, der nicht nur in finanzielle Vorleistung geht, als das Studio Twentieth Century Fox kalte Füße bekommt, sondern auch in den USA eine für Blockbuster unübliche Freigabe ab 17 Jahre durchsetzt. Und das bei einem Film, dessen sexuell konnotierte Komik ein pubertierendes Publikum anspricht. Ziemlich clever, ist es doch ein Ritual heranwachsender Kinogänger, sich Zutritt zu Filmen zu verschaffen, die einem qua Altersfreigabe versperrt sind.
Die unerbittliche Mechanik der Branche
In jedem Fall wurde „Deadpool“ ein Triumph, der bei lächerlichen Produktionskosten von 58 Millionen Dollar fast 800 Millionen einspielte. Hier setzt die unerbittliche Mechanik einer Branche ein, die einen singulären Erfolg nicht stehen lassen kann, sondern von ihm profitieren will.
Also muss eine Fortsetzung her. Die natürlich teurer ist. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber man kann davon ausgehen, dass sich „Deadpool 2“ im für solche Werke üblichen Budgetrahmen von 150 bis 200 Millionen Dollar bewegt. Die, logo, neue, prominent besetzte Figuren einführt, darunter der von Josh Brolin (kürzlich auch im Mega-Blockbuster „Avengers: Infinity War“ zu sehen) verkörperte Cable, ein zeitreisender Söldner aus der Zukunft, sowie die von der in Berlin geborenen Zazie Beetz mit erfrischender Rotzigkeit gespielte Mutantin Domino. Deren Superpower besteht darin, Dusel zu haben. Woraus sich im Verlauf von materialverschleißenden Verfolgungsjagden und knochenzertrümmernden Gewaltballetten enorme Situationskomik ergibt.
Im Zentrum des Geschehens steht wieder der in Ganzkörperleder gewandete Titelheld, der endlich akzeptiert hat, dass seine Haut aussieht wie zwei Avocados, die hasserfüllten Sex miteinander hatten. Bis seine Liebste (Morena Baccarin) ermordet wird, ein theatralischer Suizidversuch misslingt (Deadpool besitzt Selbstheilungskräfte) und er eine neue Lebensaufgabe darin findet, einen jungen Mutanten (Julian Dennison) aus den Fängen einer sadistischen Kinderfängersekte zu befreien und vor dem mit futuristischen Waffen ausgerüsteten Cable zu schützen.
Dazu rekrutiert Deadpool sein eigenes Superheldenteam namens X-Force, dessen erster Einsatz allerdings unter keinem günstigen Stern steht. Und natürlich dürfen Deadpools Sidekicks aus dem X-Men- Universum nicht fehlen, der moralinsaure Chromriese Colossus und die lesbische Negasonic Teenage Warhead.
Dass der Plot eher wirr als komplex ist, dürften die Fans verschmerzen, solange der Mix aus krass überzeichneter Gewalt, doppelbödigem Humor und maximaler Selbstreferenzialität gegeben ist. Hier haben die Macher unter federführender Beteiligung von Hauptdarsteller Reynolds, der auch als Koproduzent und Ko-Autor fungiert, sowie Regisseur David Leitch („Atomic Blonde“) ganze Arbeit geleistet.
Selbst Nerds dürften eine Weile beschäftigt sein
Die Dichte an Verweisen auf die Filmgeschichte im Allgemeinen und auf Superheldenfilme im Besonderen unter Berücksichtigung der Pophistorie des 20. Jahrhunderts dürfte selbst Nerds eine Weile beschäftigen. Nicht alles ist so offensichtlich wie die genüssliche Bond-Parodie im Vorspann, der durch einen Céline-Dion-Song veredelt ist – Adele wäre vielleicht zu teuer gewesen – und in den weitere Zitate einfließen, etwa die notorische Bühnendusch-Szene aus „Flashdance“.
Das Prinzip der Überlagerung semantischer Schichten durchzieht den gesamten Film. Und steht seinen anderen Qualitäten im Wege. So stellt sich die Frage, warum man in länglichen Actionsequenzen mit irgendeinem Helden mitfiebern sollte, wenn sowieso in der nächsten Szene mit einem coolen Spruch alles zurückgenommen wird. Da passt es, dass durch die Einführung einer zeitreisenden Hauptfigur jegliche behauptete Endgültigkeit der Geschehnisse ad absurdum geführt wird. Cable ist jedenfalls kein genuiner Bösewicht, sondern will nur seine eigene apokalyptische Gegenwart verhindern – ein aus „Terminator“ oder „Looper“ bekanntes Motiv.
In der Summe seiner Eigenschaften bewegt sich „Deadpool 2“ gleichzeitig auf die Konventionen des Genres zu (Teambuilding, Cliffhanger, Action) und noch weiter von ihnen weg. Wenn man sich an diesem Widerspruch nicht stört, erlebt man einen der lustigsten, rasantesten, brutalsten und vielschichtigsten Superheldenfilme des Kinojahres.
In 25 Berliner Kinos, OV: 14 Kinos
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