Comicverfilmung„Deadpool“: Bigmouth strikes again
Die heute in deutschen Kinos angelaufenen Comicverfilmung „Deadpool“ persifliert das Superheldengenre - und bereichert es zugleich.
Comicnerds sind überaus empfindlich, wenn ihren Helden bei der filmischen Umsetzung keine Gerechtigkeit widerfährt. So hat die eigentlich wohlbeleumundete X-Men-Filmreihe jede Menge Sympathien verspielt, als einer der beliebtesten Superhelden verhunzt wurde: In „X-Men Origins: Wolverine“ (2009) tauchte Ryan Reynolds erstmals in der Rolle des Mutantensöldners Deadpool auf – allerdings ohne das charakteristische rot-schwarze Kostüm und vor allem mit zugenähtem Mund.
Das war insofern ein Affront, als Deadpool die vorlauteste Quasselstrippe der gesamten Comic-Superheldenfamilie ist. Sieben Jahre später ist man bemüht, den Fehlgriff wiedergutzumachen. So mutiger- wie passenderweise darf abermals Ryan Reynolds mit sehr viel Selbstironie den – nun endlich wahren – „Söldner mit der großen Klappe“ verkörpern. Der ist unter seinem Klarnamen Wade Wilson noch kein Held, sondern ein verhaltensauffälliger Auftragskiller, der sein Herz an eine seelenverwandte Prostituierte (Moreena Baccarin) verliert. Als er unheilbar an Krebs erkrankt, lässt er sich auf ein dubioses Angebot ein: Unter unvorstellbaren Qualen wird ein Mutanten-Gen aktiviert, das Wilson übermenschliche Kräfte und die Fähigkeit zur Selbstheilung verleiht. Leider wird bei der Prozedur auch sein Äußeres fürchterlich entstellt. Auf seinem Rachefeldzug bekommt er es nicht nur mit Finsterlingen wie dem schmerzunempfindlichen Ajax (Ed Skrein) und dessen superstarker Schurkenkollegin, sondern auch mit zwei X-Men zu tun, die verhindern wollen, dass Deadpool durch zu hohen Bodycount sein Superheldenkarma belastet.
Tim Miller bricht in seinem Regiedebüt mit den erzählerischen und moralischen Standards des Mainstream-Superheldenfilms. „Deadpool“ transportiert in nicht jugendfreien Dialogen und Bildern von explizit gewalttätiger Action einen zwischen Sarkasmus und Zynismus balancierenden Sinn für abseitigen, verstörenden Humor. In der Nachfolge von „Kick-Ass“ oder – familienfreundlicher – „Guardians of the Galaxy“ wäre dies noch nicht allzu aufregend. Doch in Kombination mit einer beherzten Sexualisierung des von einer starken Libido getriebenen Titelhelden und dem auch in der Comicvorlage häufig genutzten Stilmittel des Durchbrechens der „vierten Wand“ zum Zuschauerraum steigert sich „Deadpool“ trotz dramaturgischer Schwächen zu einer Bereicherung des zuletzt müde gefilmten Superheldengenres. Krass.
USA 2015, 109 Min., R: Tim Miller, D: Ryan Reynolds, Moreena Baccarin, Ed Skrein, T. J. Miller
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