Black Lives Matter, MeToo & Fridays for Future: Das Gespött über „Wokeness“ ist selbstentlarvend
Wer sich für eine bessere Zukunft einsetzt, wird schnell als „woke“ geschmäht. So wird kritisches Bewusstsein pauschal verurteilt. Ein Kommentar.
Kennen Sie schon „The Woke Joke Book“? Laut Untertitel soll es die erste vollständige Sammlung von politisch korrektem, kulturell sensiblem Humor sein. Bei einem einschlägigen Onlineversandhändler fallen die Rezensionen allerdings vernichtend aus: „Dieses Witzebuch besteht nur aus leeren Seiten“. Willkommen auf dem Niveau der politischen Auseinandersetzung im Jahr 2021.
In den vergangenen Wochen schwappte erneut eine Debatte um Identitätspolitik durch die deutschsprachigen Feuilletons. Und die trübe, aufgewirbelte Diskursbrandung hat mal wieder einen Reizbegriff angespült. Längst ist „woke“ ein rhetorischer Knüppel, geschwungen von jenen Diskursteilnehmer:innen, die progressiven Bewegungen Elitarismus und akademische Selbstherrlichkeit unterstellen.
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„Woke“ ist dann ein Synonym für die vermeintliche Arroganz einer ausgestellten höheren Form des politischen Bewusstseins. Aktivist:innen verschiedener Couleur werden damit in einer sektenartigen „Erweckungsbewegung“ subsumiert, die sich hermetisch gegen die Wirklichkeit abschirme: Die Gutmenschen von „Woko Haram“.
Jenseits seines Gebrauchs im Präteritum, wird der Begriff „woke“ in der Schwarzen Community seit Jahrzehnten verwendet. Bereits 1938 tauchte er im Song „Scottsboro Boys“ des US-amerikanischen Bluessänger Leadbelly auf. Darin prangerte er rassistisch motivierte Todesurteile gegen schwarze Jugendliche an. Mit den Schlussworten „Stay woke“ appellierte der Musiker an ein kritisches Bewusstsein angesichts der Diskriminierung.
Signalwort des reaktionären Backlashs
Später war „woke“ das Schlagwort der Black-Lives-Matter-Bewegung, Ausdruck des Widerstands gegen strukturellen Rassismus. Selbst im altehrwürdigen Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary ist zu lesen, dass der Begriff für „Bewusstsein und aktive Aufmerksamkeit für wichtige Fakten und Themen (insbesondere Fragen der ethnischen und sozialen Gerechtigkeit)“ stehe.
Auch ein bekennender Linker wie der Dramaturg Bernd Stegemann kritisierte in der „Welt“ kürzlich: „Woke verfolgt eine moralistisch-regressive Politik, die mit links gar nichts zu tun hat. Sie hat ein reaktionäres Menschenbild und betreibt eine reaktionäre Politik.“
Alle politischen Bewegungen sollten ihren Weg selbstkritisch auf Dogmatismus- und Ideologiefallen überprüfen. Wer aber die berechtigten Anliegen von Fridays for Future bis zur MeToo-Bewegung mit einem sarkastischen Label abtut, sitzt selbst darin.
Als Eigenbeschreibung ist der Begriff hierzulande ohnehin kaum anzutreffen. Als Signalwort des reaktionären Backlashs jedoch omnipräsent. Hierbei erfüllt er ausgerechnet jene Funktion, die man den „Woken“ vorwirft: Sich vor der eingeweihten Anhängerschaft der eigenen Überlegenheit zu vergewissern.
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