Wie das Humboldt-Forum innen aussieht: Das Amazonas-Modul
Der Rohbau des Humboldt-Forums wächst. Jetzt wird in der Box neben der Baustelle über die Museumsgeschosse informiert.
Selten ist ein Rohbau so schnell hochgeschossen wie das Fassadenschloss in der Berliner Mitte, das einmal das Humboldt-Forum aufnehmen soll. Als wollte die Baustelle sagen: Ich bin zwar kein kühner architektonischer Wurf, aber ich habe gute Aussichten, im finanziellen (590 Millionen Euro) und zeitlichen Rahmen (Eröffnung Mitte 2019) zu bleiben, und das in Berlin! Damit rückt das Innenleben in den Fokus. Auch wenn es sich nur allmählich herumspricht, dass hier eines der wichtigsten Kulturprojekte der bundesrepublikanischen Geschichte entsteht.
Wie sind die Dahlemer Sammlungen im Zentrum neu zu präsentieren, für ein breites Publikum ebenso wie mit jüngsten wissenschaftlichen Standards? Das ist viel mehr als eine museologische Frage, womit sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die ja noch einige andere Großbaustellen hat, mit Nachdruck zu beschäftigen hat. Es geht um „Multiperspektivität“, um den Blick auf Länder, Kulturen, Geschichte, Beziehungen über den europäischen Rand hinaus. Der häufig benutzte Begriff der „außereuropäischen Sammlungen“ greift da nicht mehr, ist veraltet und schmeckt nach Kolonialzeit. Im Humboldt-Forum sollen die amerikanischen, asiatischen, afrikanischen, ozeanischen Sphären sichtbar werden, dafür steht der Name des leidenschaftlichen Forschers, Entdeckers, Weltbürgers Alexander von Humboldt. Und auch der seines Bruders Wilhelm, des Erneuerers im Wissenschaftsbetrieb.
Bei ihrer Planung beziehen die Humboldtianer andere Länder ein
Die Vorplanungen für die beiden Museumsgeschosse sind abgeschlossen. Von oben: Im 3. OG wird die Kunst Asiens zu finden sein, im 2. OG Afrika, Südsee und Amerika und die Musikethnologie. Im 1. OG ziehen die Humboldt-Universität mit ihrem „Labor“ und die Zentral- und Landesbibliothek mit der „Welt der Sprachen“ ein. All diese Einrichtungen, aber auch die Museumsteile, die flexibel gehalten werden sollen, hat man sich als mediale Anlaufpunkte, als Netzwerke vorzustellen. Über den Fortgang des Prozesses wird künftig mit wechselnden Themen in der Humboldt-Box neben der Baustelle informiert: Es beginnt am heutigen Donnerstag mit der Vorstellung eines „Amazonas-Moduls“. Im „Humboldt-Lab“ in Dahlem wird im September eine weitere Probephase eingeläutet.
Bei diesen Planungen und Vorarbeiten suchen die Humboldtianer Kontakt mit den Menschen in den Ländern, aus denen die Artefakte der Sammlungen einst gekommen sind; gekauft, entzogen, gerettet, getauscht. Es gab einen Workshop in Brasilien, weitere folgen in Ozeanien und Afrika. Die Preußenstiftung arbeitet dabei mit dem Goethe-Institut zusammen. Nur: Wer gehört zu den indigenen Gruppen? Ist das in jedem Fall die richtige Bezeichnung? Und wenn ja, warum sollen sich Menschen in Venezuela, am Amazonas, die um ihre Rechte und ihre Geschichte kämpfen, für ethnologische Sammlungen in einer Stadt viele tausend Kilometer entfernt interessieren? Sie tun es, sie helfen mit ihrem Wissen, ergänzen und relativieren die Vorstellungen der Ethnologen, auch wenn es nicht ihre Priorität ist.
Ein „Museum der Weltkulturen“ lässt sich im 21. Jahrhundert nicht mehr nur nach ästhetischen und geografischen Gesichtspunkten einrichten. Dafür wird das erst 2006 eingeweihte Musée du Quai Branly in Paris kritisiert – dass es gesellschaftliche und politische Zusammenhänge vernachlässige und die Objekte alleinlasse. Andererseits war dies ein Desiderat seit dem frühen 20. Jahrhundert – die sogenannte „Primitive Kunst“ auf eine Stufe zu heben mit den Werken etwa im Louvre.
Kunst, Kunsthandwerk: wozu überhaupt diese Unterscheidung? Und was ist eine Hochkultur? China gewiss, Indien auch, aber was bedeutet das für andere asiatische Regionen? Wie stellt man sie aus? Das Humboldt-Forum kann nur sinnvoll als Museum der Wandlungen und der Wandelbarkeit angelegt sein. 32 Millionen Euro stehen für das Innere des neuen Schlosses zur Verfügung. Die Summe wurde vor acht Jahren festgelegt und reicht niemals aus, um das Herausragende in der Mitte der Hauptstadt zu schaffen. Alexander von Humboldt bestritt seine Weltreisen aus seinem Privatvermögen. Erkenntnis war ihm immer wichtiger als Geld.