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Schlossbeton. Der Rohbau des Humboldtforums ist bereits im ersten Stock angekommen. An der Ostseite ist man noch nicht ganz so weit. Deshalb glauben die Kritiker des Schlossbaumeisters Franco Stella, es sei noch möglich, die Ostfassade einfach wegzulassen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Volksinitiative Humboldt-Forum: Aufruf zum Sturz der Ostfassade

Eine Initiative will den Entwurf zur Ostfassade des Stadtschlosses des Architekten Franco Stella verhindern – per Unterschriftensammlung. Das Problem: Es wird bereits seit Monaten gebaut. Doch nicht nur deshalb ist die Initiative wenig sinnvoll.

Auf der Schlossbaustelle zuckeln die Betonpumpen. Der Rohbau gewinnt an Höhe, bis Ende des Jahres wollen die Bauherren die Traufkante erreicht haben. Allen steinernen Tatsachen zum Trotz organisieren die Gegner des Schlossarchitekten Franco Stella weiterhin den Widerstand. Am 21. März will die „Bürgerinitiative Offenes Schloss“ eine Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative gegen die moderne Ostfassade starten. 20 000 Unterschriften müssen innerhalb von sechs Monaten gesammelt werden, damit sich das Abgeordnetenhaus mit dem Thema befasst. Außerdem wird der Bund aufgefordert, die Bauarbeiten an der Ostfassade für zwei Monate auszusetzen.

Wie Ikea-Regale

Die Initiatoren setzen vor allem „auf die Macht der Bilder“. Auf Plakaten soll die Ostfassade von Stella, eine nüchterne, gleichförmig gerasterte Fläche, der Öffnung des Schlosses nach Osten entgegengestellt, die der Architekt Stephan Braunfels im Oktober 2013 überraschend vorgestellt hatte. Bei Braunfels entsteht die klassische Anmutung eines Ehrenhofs mit prächtigen Flügelbauten, ein ästhetischer Mehrwert durch bloßes Weglassen, das erscheint auf den ersten Blick genial. Diesem optischen Sog, seit Jahrhunderten im Schlossbau bewährt, werde sich der Betrachter kaum entziehen können, sagt Mathias Dittmer von der Bürgerinitiative. Stellas Ostfassade wird wegen ihrer schmucklosen Struktur von den Gegnern gerne als Urnengalerie oder Ikea-Regal diffamiert.

Problem ist nur, dass der Braunfelssche Entwurf noch vor dem regulären Architekturwettbewerbs für das Humboldt-Forum ausgeschieden war. Die Auslober hatten den Grundriss des zerstörten Schlosses als Prämisse festgelegt.

Streit über die finanziellen Folgen

Problem ist auch, dass eine Volksinitiative auf Landesebene gegen ein vom Bundestag beschlossenes und vom Bund finanziertes Schloss kaum Sinn ergibt. Den Organisatoren ist das Problem bewusst, aber weil es auf Bundesebene kein entsprechendes Instrument gibt, versucht man es eben vor Ort. Entscheidend sei, politischen Druck aufzubauen, sagt Michael Knoll, ein weiterer Kopf der Initiative. Knoll leitet das Berliner Büro der Hertie- Stiftung.

Die Stiftung Berliner Schloss, Bauherr des Humboldt-Forums, findet das Weglassen der Ostfassade völlig abwegig. „Das wäre ein völlig neuer Entwurf – inhaltlich wie konstruktiv“, sagt Sprecher Bernhard Wolter. Für eine Öffnung nach Osten gebe es kein historisches Vorbild. Außerdem widerspreche die Öffnung dem Rundgang-Konzept der Schloss-Ausstellungen. Es entstünden zwei Sackgassen.

Völlig konträre Positionen gibt es auch zu den finanziellen Folgen einer Umplanung währen der Bauarbeiten. Der Architekt und Berater der Bürgerinitiative Horst Albers rechnet mit einem Sparvolumen von 70 Millionen Euro. Die Stiftung setzt dagegen einen groben Rahmen von 200 Millionen, die eine Umplanung zusätzlich kosten würde. „Albers’ Kostenschätzung ist naiv und unseriös“, sagt Wolter. Man könne nicht einfach Kubikmeter Beton gegeneinander aufrechnen. „Es gibt Verträge mit Bauunternehmern und Planern. Das Nutzungskonzept müsste vollständig umgeschrieben werden.“ Der Schlossbaustelle würde es so ergehen wie dem Flughafenprojekt in Schönefeld, „ein Himmelfahrtskommando“.

Noch nicht zu spät für die Bürgerinitiative?

Der Text der Unterschriftenbögen für die Volksinitiative wird mit dem Abgeordnetenhaus abgestimmt. In einem Entwurf heißt es: „Das Abgeordnetenhaus von Berlin möge beschließen: Wir fordern den Senat von Berlin auf, seinen Einfluss gegenüber dem Senat und der Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum dahingehend geltend zu machen, dass der Ostflügel ersatzlos wegfällt“.

Für die im März startende Kampagne sollen noch weitere aktive Unterstützer geworben werden. Derzeit bestehe die Initiative aus 60 Personen, erklärte Dittmer. Es fehlen vor allem prominente Gesichter aus Politik und Kultur, die sollen in den nächsten Wochen angeworben werden.

Die Bauarbeiten am Ostflügel des Schlosses liegen derzeit etwas hinter den anderen Fassadenseiten zurück, bestätigt Wolter. Dazu gebe es aber keine Vorgaben der Stiftung. Den Ablauf der Arbeiten legten die Unternehmen selbst fest. Die Bürgerinitiative glaubt deshalb, es sei noch nicht zu spät für ein Abrücken von den geschaffenen Tatsachen. Noch niemand habe ihm gesagt, er finde die Ostfassade gelungen, sagt Dittmer. Zu ihrer Verteidigung würden immer nur formale Argumente herangezogen.

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