Tim und Struppi: Von Berlin gezeichnet
Ein Schöneberger Zeichner füllt die Sprechblasen der Tim-und-Struppi-Comics mit deutschen Worten. Und auch sonst verbindet die Figuren, die nun ins Kino kommen, einiges mit der Stadt.
Tolle Knochen gibt es hier! Mit einem gigantischen Dinosaurier-Schenkel im Maul flitzt der weiße Terrier um die Straßenecke, um das Fundstück stolz seinem Herrchen zu zeigen. Die Szene aus dem Tim-und-Struppi-Album „König Ottokars Zepter“ ist eine von mehreren Episoden des Comicklassikers, in denen Berlin eine Rolle spielt. Denn der prähistorische Diplodocus-Knochen stammt aus dem Naturkundemuseum. Für diese Bildfolge diente dem belgischen Zeichner Georges Remi alias Hergé ein Foto aus der Berliner Invalidenstraße als Vorlage – auch wenn der Ort der Handlung im Buch das fiktive Königreich Syldavien ist. Aber Berlin stand in dem Ende der 30er Jahre erstmals veröffentlichten Abenteuer eindeutig Pate, wie auch in einigen anderen Episoden der Reihe, deren Verfilmung durch Steven Spielberg und Peter Jackson am Donnerstag ins Kino kommt.
So stranden der blondlockige Reporter und sein treuer Begleiter im ersten Abenteuer der Reihe, „Tim im Lande der Sowjets“, zunächst im Berlin der späten 20er Jahre und haben unerfreuliche Begegnungen mit barschen deutschen Polizisten, bevor sie ihre Reise gen Osten fortsetzen können. Und ein Antiquitätenladen im Band „Der Schatz Rackhams des Roten“ von 1942, eine der Vorlagen zum aktuellen Kinofilm, ist einer Zeichnung nachempfunden, die Hergé einst in der „Berliner Illustrierten Zeitung“ entdeckte und die man später im Nachlass des 1983 gestorbenen Comicautors fand.
Und noch eine Berlin-Verbindung gibt es, die selbst vielen Fans der Reihe bislang nicht bekannt ist: Die Worte in den Sprechblasen der neueren Ausgaben der Comicreihe hat der Berliner Zeichner und Comicverleger Dirk Rehm zu Papier gebracht. Der ist vielen Lesern illustrierter Literatur bislang nur aus einem anderen Zusammenhang bekannt: Vor 20 Jahren gründete er den Verlag Reprodukt, der sich seitdem zum wichtigsten Herausgeber anspruchsvoller Graphic Novels in Deutschland entwickelt hat. Als Kind schwärmte Rehm für Hergés Geschichten, deren zeitlos wirkenden Stil er bis heute beeindruckend findet. Aber privat liegen dem 47-jährigen Schöneberger heutzutage Independentcomics weniger bekannter Autoren deutlich näher.
Das sogenannte Lettering, die Nische, in der sich Rehm einen Namen gemacht hat, bekommt wenig öffentliche Aufmerksamkeit – auch wenn sie für den Comic mindestens so wichtig ist wie eine gute Synchronisierung für ausländische Kinofilme. Seit den 90er Jahren hat Rehm bei den deutschen Ausgaben etlicher wichtiger Comics von Autoren wie Art Spiegelman den Figuren die vorher von einem Übersetzer ins Deutsche übertragenen Worte in die Sprechblasen geschrieben und lautmalerische Worte wie „Peng“ oder „Patsch“ zwischen die Bilder gesetzt – eine Arbeit, die mit dazu beiträgt, wie ein Buch auf den Leser wirkt. Auch Bilderbücher wie Ole Könneckes „Anton und die Mädchen“ hat Rehm gelettert.
Anders als andere Berufskollegen kann Rehm seinen Schreibstil stark variieren und ihn der unterschiedlichen Ästhetik der jeweiligen Comiczeichner sowie der Atmosphäre der Geschichten anpassen. So ist sein Tim-und-Struppi- Lettering betont sachlich und klar gehalten, passend zur klaren Linie, mit der Zeichner Hergé einst seine Geschichten erzählte.
Echte Handarbeit wie bei Dirk Rehm ist das allerdings immer seltener: Viele Letterer scannen Handschriften ein und füllen dann die Sprechblasen per Computer. Rehm hingegen setzt nach wie vor auf echtes Kunsthandwerk – und hat zumindest dies mit Hergés abenteuerlustigem Reporter gemeinsam: Papier und Stift ist auch dessen Handwerkszeug.
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