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Die Handball-Trainer und Zwillingsbrüder Michael (weisses Hemd) und Uli Roth engagieren sich gegen Krebs.
© Thilo Rückeis

Mann: Eine neue Lebensaufgabe

Die Sportler und Zwillinge Michael und Uli Roth über Prostatakrebs, Männervorsorge und das Leben nach der Krankheit.

Sie beide gelten als Vorbilder, was die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen angeht. Aber viele Männer beschäftigen sich nicht unbedingt mit ihrer Vorsteherdrüse - wann haben Sie eigentlich das erste Mal genauer über Ihre Prostata nachgedacht?
Uli Roth: Früher hatte ich in der Tat auch nicht großartig daran gedacht, aber ich wusste immerhin, dass es sie gibt, und konnte sie grob zuordnen. Wir waren schon immer durch die sportliche Entwicklung darauf geschult, auf unseren Körper zu achten. Und mit ungefähr 40 hatte ich schon eingesehen, dass ein Gesundheitscheck sinnvoll sein kann. Außerdem gab es in der Familie einen Prostatakrebs-Fall, wodurch wir die Krankheit kannten.

Michael Roth: Stimmt, unser Vater ist mit 70 daran erkrankt und wir haben damals schon mitgekriegt, wie ein Leben sich durch eine Krebsdiagnose verändert. Ich weiß noch, wie mich meine Ehefrau zur Vorsorge schicken wollte, als ich Anfang 30 war. Und überhaupt gibt es ja außer der Prostata auch noch mehr Dinge, die beim Männerarzt oder beim Urologen untersucht werden, beispielsweise Blut im Urin oder Stuhl oder es werden die Nieren oder die Gallenblase per Ultraschall untersucht.

2009 war sicherlich ein hartes Jahr für Sie. Mit damals 47 Jahren erhielten Sie beide die Diagnose Prostatakarzinom. Wurde diese Krebsdiagnose bei der Vorsorgeuntersuchung gestellt?
Michael Roth: Nicht sofort beim Arzt in der Praxis, dafür war eine ganze Kette von Untersuchungen notwendig. Wir hatten schon 2000 mit der Prostata-Vorsorge begonnen und gingen jährlich zur Routinekontrolle. Ich wurde damals zuerst mit dem Befund konfrontiert. Ein Bluttest beim Urologen hatte ergeben, dass der PSA-Wert überdurchschnittlich hoch war, auch im Vergleich zum Vorjahr.

Uli Roth: Und ich wollte dann auch Klarheit, da das Risiko für die gleiche Erkrankung bei eineiigen Zwillingen sehr hoch ist. Nach der Diagnose von meinem Bruder bin ich zu meinem Urologen gegangen. Dort wurde dann tatsächlich auch ein höherer PSA-Wert als noch drei Monate zuvor gemessen und es bestand die große Befürchtung, dass ich relativ schnell nachziehe. Kurz nach Michaels Operation erhielt ich dann tatsächlich ebenfalls die Diagnose.

Nachdem bei Ihnen diese Untersuchungen durchgeführt und Ihnen die Befunde mitgeteilt wurden: Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen - war das eher eine Doppelbelastung für Sie oder konnten Sie sich gegenseitig stützen?
Michael Roth: Ich erhielt die Diagnose ja wie gesagt zuerst, für mich war es am Anfang natürlich ein Schock. Man schaut wie durch einen Tunnel und denkt, am Ende steht der unausweichliche Tod. Die ersten Gedanken waren dementsprechend all das, was man mit Krebs so in Verbindung setzt: viele Einschränkungen, Chemotherapie und Haarausfall.

Uli Roth: Mein Befund war sicherlich keine Schockdiagnose mehr, aber bei meinem Bruder kam es für uns alle aus heiterem Himmel. Wir holten uns nach Michaels Diagnose zusammen Informationen ein und ich ging mit zu den Ärzten. Damals hatte ich noch keine Diagnose, kam mir aber so vor, als ob. Da bei unserer Mutter ungefähr zeitgleich noch ein Nierenkarzinom entdeckt wurde, hatte ich später dann meine Diagnose die ersten Wochen zunächst für mich behalten. Das war wirklich keine gute Zeit damals, aber im Nachhinein betrachtet denken wir, dass man auf keinen Fall schweigen sollte. Wir sprachen uns aus, konnten uns so gegenseitig helfen und bestritten als Brüder eine weitere Lebensphase gemeinsam.

Haben Sie sich deshalb auch für die gleiche Therapie entschieden?
Uli Roth: Ja, wir hatten uns zunächst noch weitere Meinungen bei anderen Ärzten eingeholt und uns dann für die gleiche Behandlung bei denselben Medizinern entschieden. Mein Bruder kam vor mir dran und dadurch wusste ich, was bei der Operation auf mich zukommt. Und weil der Eingriff bei ihm an der Uniklinik in Hamburg so gut lief, war für mich klar, dass ich den gleichen Weg einschlagen werde. Die Operation war schwierig und lang, dabei wurde die gesamte Prostata entfernt. Und der Eingriff reißt einen auch erst einmal aus dem Leben heraus: Man hängt die ersten acht bis zehn Tage am Katheter, muss im Prinzip das Wasserlassen und -halten wieder erlernen und wenn das Glied dann das erste Mal nach der OP wieder steif wird, ist das auch eine gute, beruhigende Erfahrung. Danach steht eine dreiwöchige Reha an. Für eine Regeneration und die Verarbeitung des Ganzen halte ich aber wenigstens vier bis sechs Wochen für realistischer.

Zwillingsstudien sind in der klinischen Forschung unter anderem für genetische Fragestellungen relevant. Wurden Sie dahingehend angesprochen?
Michael Roth: Ja, wir haben jeweils unsere Prostata dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Außerdem werden wir regelmäßig zu Urologen-Kongressen in ganz Deutschland eingeladen und sprechen dort über unsere Geschichte.

Ihre Geschichte ist glücklicherweise gut ausgegangen, denn Sie gelten mittlerweile als geheilt. Heute leben Sie ohne Prostata. Wenn Sie diese ganz persönliche Frage erlauben: Spielen Inkontinenz und Impotenz bei Ihnen eine Rolle?
Uli Roth: Nicht direkt. Ich habe heute im Prinzip den gleichen Sex wie früher, vielleicht nur etwas bewusster. Nach dem operativen Eingriff ist der Orgasmus heute trocken, daran musste ich mich zunächst gewöhnen. Aber das ist im Nachhinein betrachtet lächerlich im Vergleich zu möglichen anderen Folgen, zum Beispiel, wenn der Krebs aus der Zelle ausgebrochen wäre und in andere Körperbereiche gestreut hätte. Inkontinenz und Impotenz sind dann ein Thema, wenn der Krebs sich zu stark ausgebreitet hat. Dann kann man nicht mehr räumlich begrenzt und nervenschonend operieren und gegebenenfalls muss der Schließmuskel mitentfernt werden.

Michael Roth: Das war bei uns aber durch die frühe Erkennung glücklicherweise nicht der Fall. Wir wurden so operiert, dass die Nerven erhalten blieben. Und durch den Sport hatten wir auch von früher immer noch einen guten Trainingszustand, wodurch wir zum Beispiel kein spezielles Beckenbodentraining nach der OP brauchten. Für mich hat sich im Wesentlichen auch nicht viel geändert, außer dass ich einige Dinge sensibler beachte, wie beispielsweise das Wasserlassen vor dem Sex.

Haben Sie einen abschließenden Ratschlag für Betroffene, deren Angehörige oder Leute mit einem erhöhten Risiko für Prostatakrebs?
Michael Roth: Als Betroffener oder Angehöriger sollte man darauf achten, einen guten Operateur zu finden. Die Erfahrung des Arztes ist sehr wichtig und bestimmt das weitere Leben nach der Operation in nicht geringem Maße mit. Und man sollte versuchen, offen mit der Erkrankung umzugehen.

Uli Roth: Ja, man sollte auf gar keinen Fall schweigen. Das haben wir zu Hause gemerkt, aber auch im engeren Bekanntenkreis. Man braucht in so einer schweren Lebensphase kein Mitleid, aber sicherlich Mitgefühl. Sich zu öffnen war wie eine Befreiung - weil es einem selbst guttut, aber auch der Familie hilft. Und wenn man offen mit dem Thema umgeht, gibt man auch den anderen Leuten, die schlecht mit solchen Diagnosen zurechtkommen, die Möglichkeit, wieder ganz normal mit einem umzugehen.

TIPP
Die persönliche Geschichte der Zwillinge über Mut und Hoffnung auch beim Tabuthema Prostatakrebs
Uli & Michael Roth mit Udo Ludwig - Unser Leben, unsere Krankheit. ZS-Sachbuch Verlag, 192 Seiten, 19,95 Euro

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Leonard Hillmann

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