Arztbrief: Gebärmutterhalskrebs
Unser Experte Jalid Sehouli ist Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie am Charité Campus Virchow-Klinikum und Benjamin Franklin.
ERKLÄRUNG Der Gebärmutterhals - fachsprachlich auch Zervix uteri genannt - ist ein rund drei Zentimeter langer Schlauch aus Bindegewebe und Muskulatur, der die Gebärmutter (Uterus) mit der Scheide verbindet. Er ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet. Hier können Wucherungen entstehen, die sich im schlimmsten Fall zu einem bösartigen Zervixkarzinom auswachsen.
In Deutschland erkranken pro 100 000 Frauen rund 13 an Gebärmutterhalskrebs, insgesamt sind hierzulande rund 7000 Frauen betroffen. Bei der Diagnose sind diese im Durchschnitt zwischen 40 und 50 Jahren alt. Besonders häufig erkranken jedoch Frauen zwischen 35 und 39 Jahren sowie ab 60 Jahren. Pro Jahr sterben rund 1500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs.
SYMPTOME Im Frühstadium macht ein bösartiger Tumor im Gebärmutterhals meist keine Beschwerden. Daher wird es meist auch nur durch Zufall entdeckt. „Es gibt leider keine eigentlichen Frühwarnzeichen, die auf die Karzinome hindeuten und die Frauen an sich selbst feststellen können“, sagt Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie am Charité Campus Virchow-Klinikum und Benjamin Franklin. Deshalb seien regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt sehr wichtig. Außerdem sollte jede Frau ihren Gynäkologen aufsuchen, wenn bei ihr Kontaktblutungen - beispielsweise nach dem Geschlechtsverkehr - auftreten oder sie einen ungewöhnlichen Ausfluss bemerkt. „Dies können möglicherweise Erstsymptome eines Zervixkarzinoms sein“, sagt Sehouli. In einem späteren Stadium kann sich der Krebs dann auch durch Schmerzen im Unterleib bemerkbar machen.
URSACHEN Mehr als 90 Prozent aller Zervixkarzinome sind viral bedingt: Sie entstehen durch eine Infektion mit humanen Papillomviren, kurz HPV. Diese Krankheitserreger werden
über direkten Körperkontakt übertragen, häufig bei sexuellen Kontakten. Die Viren nisten sich dann in Haut oder Schleimhautzellen ein. Eine Infektion mit den humanen Papillomviren ist relativ häufig: 50 bis 80 Prozent aller Frauen erkranken einmal in ihrem Leben daran. In rund 98 Prozent der Fälle kann jedoch das Immunsystem die Viren erfolgreich bekämpfen. „Eine Infektion mit HPV bedeutet also keinesfalls, dass die betroffene Frau zwangsläufig an Gebärmutterhalskrebs erkrankt“, sagt Sehouli, der auch das Gynäkologische Tumorzentrum der Charité leitet.
Die meisten der mehr als zweihundert verschiedenen Virentypen führen zudem nur zu harmlosen, unauffälligen Infektionen oder zu gutartigen Warzen. Bei manchen Virentypen können diese Geschwulste jedoch bösartig werden. Dies gilt vor allem für die sogenannten HPV 16 und HPV 18: Experten zufolge sind sie für rund 70 Prozent der Zervixkarzinome verantwortlich. „Risikofaktoren für eine Gebärmutterhalserkrankung sind zudem Rauchen und ein dauerhaft geschwächtes Immunsystem, etwa durch eine chronische Krankheit“, sagt Sehouli.
DIAGNOSE „Vor allem beim Gebärmutterhalskrebs sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt wichtig“, sagt Gynäkologe Sehouli. Denn der Krebs entwickle sich nicht von heute auf morgen - sondern langsam, über einen Zeitraum von mehreren Jahren nach der ursächlichen HPV-Infektion. In dieser Zeit mutieren die infizierten Zellen immer stärker, sodass schließlich Krebsvorstufen, sogenannte Präkanzerosen oder Neoplasien, entstehen. Diese können dann zu Krebs werden. „Werden sie früh genug erkannt, lässt sich das veränderte Gewebe jedoch entfernen, bevor es zu Krebs wird“, sagt Sehouli.
Deshalb steht Frauen ab 20 Jahren einmal jährlich eine gynäkologische Vorsorgeuntersuchung mit einem sogenannten Pap-Test zu. Dieser Abstrich des Gebärmutterhalses zeigt an, ob die Zellen noch gesund sind, ob bereits Veränderungen (Dysplasien) vorliegen, die auf Krebsvorstufen hinweisen, oder sich gar schon Krebs gebildet hat.
Zusätzlich dazu können Frauenärzte eine sogenannte Kolposkopie vornehmen. Dabei betrachten sie Muttermund und Gebärmutterhals durch ein Mikroskop. Bemerken sie dabei Veränderungen an der Schleimhaut, können sie mithilfe einer Biopsie - einer kleinen Gewebeprobe, die entnommen und dann im Labor untersucht wird - feststellen, ob diese besorgniserregend sind oder nicht.
Die Krebsvorstufen bei einem Gebärmutterhalskrebs werden in drei Stadien unterteilt: CIN I bis III. CIN steht dabei für cervikale intraepitheliale Neoplasien, sprich: Veränderungen in den oberen Zellschichten des Gebärmutterhalses. „Zellveränderungen in den Stadien CIN I und CIN II bilden sich häufig von alleine zurück“, sagt Sehouli. Daher reiche bei ihnen meist eine regelmäßige Kontrolle aus. Bei CIN III sei jedoch eine weitergehende Behandlung notwendig - denn diese Vorstufen entwickeln sich in rund 90 von 100 Fällen zu Krebs.
THERAPIE Zervixkarzinome werden in den meisten Fällen operativ behandelt. Wie umfangreich diese OP ausfällt, hängt dabei unter anderem von dem Gewebetyp des Krebses ab, von seinem Stadium und Ausbreitung - und von der Familienplanung der Patientin: Hat eine Patientin keinen Kinderwunsch mehr, entfernen Ärzte häufig neben dem Gebärmutterhals auch die Gebärmutter samt Halteapparat und umliegenden Lymphknoten.
„Bei Frauen mit Kinderwunsch und günstiger Tumorkonstellation ist es jedoch unter Umständen auch möglich, gebärmuttererhaltend zu operieren“, sagt Charité-Chefarzt Sehouli. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der Tumor noch klein und die umliegenden Lymphknoten noch nicht befallen seien.
Bei sehr kleinen Tumoren kann beispielsweise bereits eine sogenannte Konisation ausreichen, bei der das betroffene Gewebe des Gebärmutterhalses unter Narkose herausgeschnitten wird. Bei Tumoren bis zu einer Größe von zwei Zentimetern können Ärzte zudem eine Trachelektomie durchführen. Dabei entfernen sie einen Großteil des Gebärmutterhalses sowie die Wächterlymphknoten, also diejenigen, die die direkteste Verbindung zum Gebärmutterhals haben und als Erste Tumorzellen enthalten, wenn der Krebs streut. Anschließend vernähen sie dann den inneren Muttermund mit der Scheide. In beiden Fällen sind spätere Schwangerschaften noch möglich. „Allerdings haben betroffene Frauen ein erhöhtes Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden“, sagt Sehouli.
Neben der Operation stehen den Ärzten auch Bestrahlung und Radiochemotherapie zur Verfügung, um einen Gebärmutterhalskrebs zu behandeln. „Vor allem bei größeren Tumoren oder wenn die Lymphknoten befallen sind, kann eine simultane Radiochemotherapie sinnvoll sein“, sagt Sehouli. Genauso wie die Bestrahlung könne sie zudem auch nach einer OP eingesetzt werden.
PRÄVENTION Da Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen meist durch eine HPV-Infektion entstehen, kann man mit einer Impfung vorbeugen: Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts diese Impfung für Mädchen zwischen neun und 17 Jahren. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Um zuverlässig eine Infektion zu verhindern, sollte die Immunisierung möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr stattfinden. Allerdings gibt es Hinweise, dass eine Impfung auch Frauen schützen kann, die schon einmal wegen einer HPV-Infektion behandelt wurden.
Zwar gibt es über 150 verschiedene HP-Viren, die unter anderem auch Genitalwarzen verursachen können. Die Impfung schützt jedoch gegen die gefährlichsten von ihnen. So kann die Impfung zusammen mit dem Gebrauch von Kondomen das Risiko von Krebsvorstufen im Gebärmutterhals sowie Gebärmutterhalskrebs erheblich senken.
Die Nebenwirkungen der Impfung unterscheiden sich nicht von denen anderer Impfungen und treten auch nicht häufiger auf: Oft schwillt die Einstichstelle an und schmerzt. Seltener sind Kopf- oder Gelenkschmerzen, Nesselsucht, Übelkeit oder Erbrechen. Bisher lassen sich jedoch zu wenig Mädchen und Frauen gegen HPV impfen. „Nur rund jedes dritte Mädchen, für das die Impfung empfohlen ist, ist auch tatsächlich geimpft“, sagt Sehouli. Dies müsse sich ändern, etwa durch Aufklärungsarbeit an den Schulen. Denn nur so könne nicht nur die Anzahl der HPV-Infektionen, sondern eben auch die der Gebärmutterhalserkrankungen wirksam verringert werden.
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