Das Schloss am Sunset Boulevard: Was war das Geheimnis des Chateau Marmont?
Eine deutsche Journalistin verliebt sich in einen Filmstar und der sich in sie. Ihre neue Adresse ist das Chateau Marmont, Hollywood. Ein Insiderreport.
Alle Geschichten aus diesem sagenumwobenen Hotel klingen irre. Chateau Marmont, Sunset Boulevard, Hausnummer 8221, erbaut 1929 nach dem Vorbild von Schloss Amboise im französischen Loiretal. Es sind Geschichten, die man kennt, wie die vom Drogentod John Belushis im Bungalow 3 des Hotels, die Todesfahrt von Helmut Newton an die Gemäuer des Hauses und das mit Essen verschmierte Gesicht von Britney Spears, das eine vorläufige Verbannung aus dem Fünf-Sterne-Paradies nach sich zog.
Dazu kommen viele Stories, die man nicht kennt und noch mehr, die man besser nicht kennen sollte. Dafür sorgt das zur absoluten Schweigepflicht angehaltene Personal, das sich bei der kleinsten Fehlleistung direkt verabschieden kann und mit einem lebenslangen Hausverbot bestraft wird. Das Recht, einem Gast den Zutritt zu verweigern, nimmt sich die Hotelleitung ebenfalls gern heraus. Man kann sich vorstellen, was passieren muss, damit man nicht mehr in diese Sagenhöhle hineindarf. An geklauten Aschenbechern liegt es nicht.
Mein erstes Mal übernachtete ich 1995 im weißen Schloss. Ich weiß es noch genau. Voller Ehrfurcht vor den großen Namen, die dieses Anwesen geprägt haben. Alles roch muffig und sah auch so aus. Das livrierte Personal war zwar sehr freundlich, schaute jedoch damals schon nach einem anderen, einem vergangenen Jahrhundert aus. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl.
Das Personal hatte sicher Mitleid mit mir
Nach Los Angeles kam ich, weil ich mich verliebt hatte. In einen Schauspieler, mit dem ich einige Monate zuvor ein sehr, nennen wir es mal, ergiebiges Interview in München geführt hatte. Der Schauspieler und ich hatten uns von Sekunde eins an so gut verstanden, dass aus dem Interview eine Freundschaft und danach eine Beziehung entstanden. Er, zu Hause in Los Angeles, ließ nicht locker, mich aus dem heimeligen München nach Hollywood zu locken.
Im März 1995 wurde ich vom Flughafen abgeholt und ins Hotel gefahren. Als der Wagen in die Auffahrt an der Marmont Lane einbog, thronte das Schloss auf seiner Anhöhe – verwinkelt, düster und Respekt einflößend. Der Chauffeur des Schauspielers machte mich mit der für solche Angelegenheiten abgestellten Vertrauensperson im Hotel bekannt. Ich war so voller Vorfreude, dass das Personal sicher nur Mitleid mit mir hatte. Ich war glücklich, nun Teil dieser muffigen Samtfamilie zu werden.
Mit dem vom Schauspieler erhaltenen Codewort schlich ich dem „Portier der Stars“ durch die langen Flure hinterher. Er brachte mich in das eigene Appartement des, nennen wir ihn nun, Freundes. Der Freund war selbstverständlich nicht anwesend, sondern drehte gerade einen Film, wie sich das gehörte für den damaligen neuen Superstar in Hollywood. Einen Titel, den er nicht gerne hörte, da er tatsächlich schüchtern und introvertiert ist. Nur wenn der Monteur in der hoteleigenen Garage wieder einmal sein Motorrad falsch eingestellt hatte, wurde es laut in den heiligen Hallen. Seine Norton hätte der Freund am liebsten in sein Loft mit hochgenommen.
Johnny Depp las und rauchte in seiner Lieblingsecke
Aus den Fenstern sah ich auf West Hollywood hinab. Bunt schimmerten die Lichter der Bars, des Sunset Boulevards und des damals noch winkenden Marlboro-Mannes als Billboard. Schemenhaft erkannte ich ihn, als ich hinausschaute.
Ich wusste bereits aus vielen Telefonaten, dass die Zimmer des Freundes pechschwarz gestrichen waren. An der Wand hingen E-Gitarren, da er nebenbei noch in einer Band spielte. Über so eine düstere Wandfarbe zu sprechen, sie dann aber live zu sehen, sind zwei verschiedene Welten. Da kommt die lustige Münchnerin in die große Stadt der Engel und bewohnt das wohl grauenhafteste Appartement der Welt. Irgendwas in mir weigerte sich, das Zimmer zu betreten, eine andere Macht drängte mich, es zu betreten – die des Verliebtseins.
Kein Hotel auf der Welt dürfte so eine große Promidichte haben wie das Chateau Marmont. Wollte ich echte VIPs sehen, brauchte ich mich nur die Treppe hinab zu begeben. Im opulenten Frühstücksraum oder im verwunschenen Garten saßen Stars herum. Gwyneth Paltrow traf sich immer montags mit ihrer Freundin zum Lunch, Johnny Depp las und rauchte in seiner Lieblingsecke, und der damals noch unbekannte Stephen Dorff war einfach schön und cool. Nur er konnte die Hauptrolle in „Somewhere“ spielen, einer Hommage an das Hotel von Sophia Coppola 15 Jahre später.
Kellner servierten die besten Pancakes der Stadt, die mit Buttermilch und Mandelmus. Ob Schauspieler, Regisseure, Journalisten, Banker, Starlets und Nachwuchs-Models, alle stopften sich alles in den Bauch. Manchmal in die Nase, wahlweise auch in den Arm. Jeden Tag fühlte sich das Chateau wie eine große Party an, ob tagsüber am Pool oder abends an der Bar. Wenn die offiziellen Partys endeten, zog man weiter in die Zimmer, Appartements, Bungalows und ließ sich Partyutensilien aufs Zimmer bringen. Nüchtern war man also selten.
Was war das Geheimnis des Chateau?
Die meiste Zeit blieb ich allein im Chateau, da der Freund mit seinem Job samt den lästigen PR-Touren oder Regisseur-Dinners beschäftigt war. Ich fühlte mich trotzdem schnell zu Hause, konnte Freunde einladen, schwimmen oder einfach arbeiten. Und schließlich bekam ich eine neue Aufgabe: ein rabenschwarzes Appartement in etwas Wohnliches zu verwandeln. Gott sei Dank war die Liebe so groß, dass ich tun und lassen durfte, was ich wollte. Bis auf die Wandfarbe, die musste bleiben. Eifrig schleppte ich alles an den Paparazzi vorbei: Deko-Artikel, Stoffe, Blumen. Keiner kannte mich, was mein Leben immens vereinfachte.
Ich durchforstete jede Ecke des Hotels, denn was am Anfang fast angsteinflößend erschien, wurde für mich plötzlich zur großen Herausforderung: Was war das Geheimnis des Chateau? Drinnen lebten wir in einem Kokon. Nichts drang nach außen, man konnte sich frei bewegen, vielleicht der wichtigste Grund, warum sich Stars hier wohlfühlen. Ich hörte und las viel über das berühmte Schloss, fand es lustig, in der Lobby einen Tee zu trinken, wo einst John Bonham von Led Zeppelin mit seinem Motorrad durchgefahren war. Gut, das hat er danach nie wieder getan – sein Hausverbot war ihm sicher.
Heute posen Influencer am Pool
Manchmal ging es im Chateau derart diskret zu, dass man dachte, das Hotel gehöre einem allein. Allerdings brauchte man nur einen Piep von sich geben, dann stand da schon Gerard, der beste Concierge und größte Alleskönner. Gerard konnte private Führungen in Museen organisieren, er kümmerte sich um den Fuhrpark des Hotels und Reservierungen in den besten Restaurants. Konnte er etwas nicht erledigen, kannte er jemanden, der es zustande brachte. Und das in den nächsten fünf Minuten.
Aber eigentlich half jeder jedem, egal ob VIP oder nicht. Zsa Zsa Gabor brachte mir einst Honig aus der Küche, als der Kellner diesen vergessen hatte, und als ich abends am Pool im Garten fror, bewarf mich Robert Downey Jr. mit Decken. Eine ziemlich nette Familie.
Ich denke oft und gerne an die Zeit mit dem Freund im Chateau zurück. Immer wenn ich nach Los Angeles zurückkehre, besuche ich mein Schloss, gehe in den Garten und beobachte das neue Treiben: die Influencer, die am Pool posen. Und ich bin glücklich dabei, ein Teil der analogen Zeit im Hotel gewesen zu sein. Der Schauspieler wohnt da nicht mehr, Freunde sind wir bis heute.
Susie von den Stemmen
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität