Dies wird für Brandenburg das Jahr der Bundesgartenschau, und deren Zentrum liegt offensichtlich in Brandenburg/Havel – der Stadt also, die dem Land den Namen gegeben hat. Und die nun eine einmalige Chance hat, sich aus dem ewigen Mauerblümchenstatus zu befreien. Es ist dort schon erstaunlich viel geschehen in den letzten Jahren, vor allem hat man sich auf den Schatz besonnen, den die alten Industriegebäude an den Wasserläufen darstellen – und die natürlich für gastronomische Nutzung besonders geeignet sind.
Eins davon ist das alte Turbinenhaus der Brennabor-Werke, das adrett hergerichtet wurde mit viel originalem Backstein und stählerner Deckenkonstruktion. Dass der Raum merklich schlecht zu heizen ist, dürfte zumindest während der Buga keine Rolle mehr spielen.
Die Küche pflegt jene moderne Richtung, die auf der Speisekarte viel radikaler wirkt als in der Tellerrealität. Aber alles schmeckt und ist technisch sauber gemacht. Der gebeizte Lachs beispielsweise kommt in einem dicken, recht großen Stück, lässt sich aber, wenngleich roh, gut schneiden. Papaya, Rettich, Sesam, Koriander und Maracuja werden dazu versprochen, das fällt dann einzeln gar nicht so sehr auf, aber die insgesamt milde, fruchtig-süße Gesamtstimmung ist ausgezeichnet gelungen.
Auch die asiatischen Udon-Nudeln mit rotem Curry, Kokos und verschiedenen Gemüsen gehen in diese Richtung, ebenso der gut gegarte Kabeljau mit Blumenkohl, Pak Choi und Süßkartoffelpüree, bei dem wieder ein Hauch Maracuja mitspielt – soll die Passionsfrucht auf die Gartenschau und ihre aromatischen Freuden einstimmen? Ganz köstlich ist dann das (sehr mild) angeräucherte Kalbsfilet, perfekt saftig, auf dünn geschnittenen Zuckerschoten mit Paprikapolenta (Vorspeisen um zwölf, Hauptgänge um 22 Euro). Speziell bei den Desserts blieb noch Platz nach oben, wie sich vor allem bei einer nicht einmal andeutungsweise karamellisierten Birnen-Tarte Tatin mit Kardamom-Schoko-Eis zeigte, aber das wird sicher noch werden. Auf jeden Fall sollte noch viel an der stockbraven Mini-Weinkarte getan werden.
Noch attraktiver fürs Auge und schöner gelegen ist zweifellos die „Werft“, ein weiteres großes und hohes Backstein-Restaurant in der sanierten Wiemann-Werft, gleich am Wasser der Niederhavel unterhalb der Jahrtausendbrücke. Es wird von der Großgastronomie-Firma Polster betrieben, die später auch die gesamte Buga versorgen soll. Interessant ist, dass hier Michael Zemlin in der Küche steht, der dafür sein „Inspektorenhaus“ in der Altstadt geschlossen hat. Sein guter Ruf steht für sich, allerdings ist der ersten Werft-Speisekarte davon noch wenig anzumerken: Es wird eine betont biedere bürgerliche Küche geboten, die nur dann als regional gelten kann, wenn man Falschem Hasen, Schnitzel und Forelle Müllerin dieses Etikett zugestehen mag – gegen die Modernität des Raums wirkt sie jedenfalls vorgestrig. Es mag allerdings sein, dass das mit Hinblick auf das Buga-Publikum leider die richtige Stilistik ist ... (werft-brandenburg.de).
Deutlich frischer und moderner wirkt dagegen, was im schon seit Jahren besten Restaurant der Stadt geboten wird: „Am Humboldthain“ heißt es, und das Schicksal hat das hübsche kleine Haus in der Innenstadt direkt neben den Buga-Rundgang gesetzt, was dem Betrieb sicher Auftrieb gibt. Die Humboldthain-Küche hat über die Jahre je nach Personal immer wieder geschwankt, zeigt sich jetzt aber in guter Verfassung, leicht mediterran-weltläufig angehaucht mit Gerichten wie Gnocchi mit geröstetem Blumenkohl und Curryschaum, weiße Bohnensuppe mit Lachspraline und Chiliöl oder Karpfenfilet mit zweierlei Beten und Zitronengras (am-humboldthain.de).
Brandenburg/Havel also ist kulinarisch ganz gut gerüstet für den Touristenansturm. Viel besser jedenfalls als Rathenow oder Havelberg, die zwar ebenfalls von der Buga profitieren, hungrigen Gästen aber weiterhin nur zutiefst Provinzielles bieten können.
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