Serien-Highlights: Staffel läuft: Die 21 besten Serien für kalte Abende und lange Feiertage
Draußen Winter, drinnen Weihnachten und „In aller Freundschaft“: Prominente und Tagesspiegel-Autoren empfehlen die besten Serien.
Schauspieler Samuel Finzi, Juso-Chef Kevin Kühner, Sängerin Judith Holofernes - und dazu eine ganze Reihe von Tagesspiegel-AutorInnen empfehlen Fernsehserien für kühle Winter- und lange Weihnachtsfeiertage.
Coole Chicks
Dear White People
Die weiße Studentenverbindung einer amerikanischen Elite-Universität lädt zu einer „Blackfacing“-Party, bei der sich jeder als sein liebster schwarzer Popstar verkleiden darf, und löst damit eine Campuskrise aus. Hey, schreit das nicht nach einer tollen Prämisse für eine Comedy? Absolut.
Jedenfalls, wenn sie so scharfzüngig geschrieben ist wie diese Serie. „Game of Thrones“? Heißt hier „dieser Scheiß mit Drachen, der in einer Welt spielt, in der es keine Schwarzen gibt, außer als Sklaven“. Alles dreht sich um die schwarze Radiomoderatorin Sam White, die in ihrer Talkshow „Dear White People“ ihren Mitstudenten Verhaltensratschläge gibt und politische Pamphlete vorliest.
Zu Halloween als Pirat verkleiden, geht in Ordnung, als einer der ersten 43 Präsidenten des Landes auch, als Barack Obama, hm, nicht so cool. Selten habe ich eine Serie gesehen, die ein so schweres Thema so leichtfüßig behandelt. Und den Protagonisten dabei Raum für Widersprüche, Gefühle und Fehler gibt, egal welcher Hautfarbe. Wie heißt es doch gleich in der ersten Folge: „Postracial, my ass!“ (Netflix) Ulf Lippitz, Mitarbeiter im Sonntag
Grace & Frankie
Iih, Sex! Das wollen die Kinder gar nicht hören, dass ihre alten Eltern so was treiben. Keine Details, bitte. Aber das Liebesleben, züchtig in Szene gesetzt, ist der Ausgangspunkt von „Grace & Frankie“. Die Männer der beiden gleichnamigen Damen verkünden diesen nämlich, dass sie sich seit 20 Jahren lieben und heiraten möchten.
Aus dem Schock entwickelt sich die Comedy mit Herz und echtem Schmerz sowie Starbesetzung: Martin Sheen und Sam Waterston als schwules Paar, Jane Fonda und Lily Tomlin als zunächst inkompatible Zwangs-WG-Bewohnerinnen, die zu Freundinnen werden – wie es die Schauspielerinnen im wirklichen Leben sind.
Die beiden spielen typengetreu und selbstironisch, Jane Fonda als aufgedonnerte Kosmetikunternehmerin a.D., Grace, die viel trinkt und wenig isst, Lily Tomlin als Hippie, Künstlerin und Adoptivmutter. Jede Menge Verwicklungen, amouröse und geschäftliche Abenteuer, allseitige Emanzipation, aber am Ende haben sich natürlich alle lieb, einschließlich der vier erwachsenen Kinder.
Immer wenn es zu sentimental und hollywoodesk zu werden droht, kommt die herrliche Lily Tomlin zur Rettung. Wobei: Auch Jane Fonda kann komisch. Feelgood-Serie für Oldies mit Kanten und Witz, die seit 2015 läuft und läuft. Aber nur im Original gucken! Die Synchronisation ist grauenvoll. (Netflix) Susanne Kippenberger, Redakteurin im Sonntag
New Girl
Am besten ist die radikale Ehrlichkeit. Gleich am Anfang. „Ich hab im Moment ’ne ziemlich dünne Haut wegen der Trennung“, sagt Jessica Day da. „Deshalb werde ich mir wahrscheinlich ,Dirty Dancing’ anschauen. So sechs oder sieben Mal. Am Tag.“ Dann zieht Jess, seit kurzem Single, weil sie ihren Freund mit einer anderen erwischt hat, in eine Männer-WG.
Darin wohnen bereits Schmidt (Yuppie und Klischeemacho), Coach (Fitnesstrainer) – der allerdings bald durch Winston (Ex-Profi-Basketballer) ersetzt wird – und Nick (Barmann, manchmal mürrisch, doch herrlich unkompliziert). Mit ihren drei neuen Mitbewohnern und der Unterstützung ihrer besten Freundin Cece startet die Lehrerin, selbst ein bisschen naiv, dafür aber grundloyal, ihren neuen Lebensabschnitt.
Zwei klassische „Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?“-Stränge entwickeln sich im Laufe der bisher sieben Staffeln, über die an dieser Stelle nicht mehr verraten wird. Alles in allem eine Gute-Laune-Serie über Freundschaft, Liebe und das Dazwischen. (Pro Sieben, Netflix) Ann-Kathrin Hipp, Volontärin im Tagesspiegel
Knorrige Käuze
Vikings
Für Wikingergeschichten habe ich mich mal als Kind interessiert, nach einer Norwegenreise: aufregende Abenteuer, Holzschiffe, Fahrten ins Ungewisse. Sonst hätte ich wohl auch nie bei „Vikings“ reingeschaut, wo erfreulicherweise zum Nordeuropa-Feeling noch Sex & Crime dazukommen, außerdem die gepflegte politische Intrige, ein Titelsong von „The Knife“-Sängerin Karin Elisabeth Dreijer, jede Menge Blut und die tolle Katheryn Winnick, die sich in der Rolle der Lagertha von der selbstbewussten Frau des rebellischen Ragnar Lodbrok zur Machthaberin von Kattegat hochkämpft.
Zwischendurch wird Wessex überfallen und Paris, in der sechsten Staffel (die erst noch kommt, mit Winnick als Regisseurin) segeln die Vikings dann Richtung Russland. Natürlich sind die archaischen Mittelaltergesellschaften nichts für Ästheten, aber die Frisuren und Bärte der Schwertschwinger würden heute weder in einem Kreuzberger Punkschuppen, noch in einem Hipsterladen von Mitte Aufsehen erregen. Serienvorteil: Die Story ist anspruchslos genug, um nicht die Kontrolle übers eigene Leben zu verlieren. (Sky, Amazon) Lorenz Maroldt, Tagesspiegel-Chefredakteur
Bosch
Natürlich kann die beste Empfehlung nur „Breaking Bad“ sein. Diese Ur-Serie, dieser „Faust“ unter all den epischen Dramaserien, diese Monstertragödie, wenn der Mensch mehr sein will als der Chemielehrer Walter White. Aber jede weitere Zeile zu „Breaking Bad“ verhindert, dass hier „Bosch“ gelobpreist wird.
Die Copserie nach den Kriminalromanen von Michael Connelly ist die Geschichte von Harry Bosch, einem Ermittler mit eigenem moralischen Kompass in Los Angeles. Titus Welliver spielt ihn, als wolle er zeigen, dass sich ein Sam Spade und ein Philip Marlowe jederzeit und unbedingt im Streaming-Reich behaupten könnten. Männer, Cops, Privatdetektive, die um die Verzweiflungstiefe menschlicher Existenz wissen, doch nie, niemals ihren Ariadnefaden fallenlassen, der sie zur Gerechtigkeit führen wird – und wenn es nur das eigene Recht ist. „Breaking Bad“ und/oder „Bosch“? Ich habe verfügt, dass mich die jeweils kompletten Staffeln als Grabbeigaben begleiten werden. Ich will nicht, wo auch immer, von schlechtem Fernsehen gequält werden. (Amazon) Joachim Huber, Verantwortlicher Redakteur Medien im Tagesspiegel
Better Call Saul
Die Geschichte folgt Saul Goodmans Leben: Geboren als James „Jimmy“ McGill, erzählt die Serie die Jahre vor „Breaking Bad“, in denen Saul als ehemaliger Betrüger eine Karriere als aufstrebender Anwalt in Albuquerque, New Mexico, verfolgt. Ehrgeizig möchte er Partner in der Kanzlei werden, in der sein älterer Bruder Charles „Chuck“ McGill Seniorpartner ist.
Jimmys Arbeit wird jedoch häufig von Chucks überschattet. Die Kämpfe der Brüder, einen Weg zu finden, sich selbst zu beweisen, die romantischen, familiären, aber auch absurden Verstrickungen innerhalb der Kanzlei und deren halbseidenen Klienten werden unaufgeregt, aber genau erzählt.
Ich mag den langsamen Rhythmus der Erzählung. Ich werde nicht gezwungen, irgendetwas zu fühlen. Ich kann in die Trostlosigkeit der amerikanischen Provinz eintauchen, in die Seele ihrer Bewohner, in deren Widersprüche, Geheimnisse. Und trotz der Brutalität der Verhältnisse dort kann ich die Menschlichkeit wiederentdecken. Dabei werde ich ständig überrascht von den Wendungen – nicht nur in der Handlung, sondern auch in der Entwicklung der verschiedenen Charaktere. Brillant besetzt bis in die kleinste Rolle. (Netflix) Samuel Finzi, Theater- und Filmschauspieler
Die lieben Kollegen
In aller Freundschaft
Vergessen Sie Netflix und steuern Sie lieber mal wieder die Mediathek der Öffentlich-Rechtlichen an. Dort erlebt der traditionelle ARD-Vorabend seit 2015 mit „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ ein Revival, das sich donnerstags ab 18.50 Uhr wohltuend von den immer gleichen Dorfkrimis abhebt.
Wer sich nach getaner Arbeit seicht berieseln lassen und dabei von einer neunzigprozentigen Happy-End-Garantie profitieren möchte, ist bei der Crew des Erfurter Johannes-Thal-Klinikums genau richtig. Hier überstimmen rührige Assistenzärzte auch mal ihre Ausbilder und sehen nach der dritten Doppelschicht in Folge trotzdem noch entspannt wie nach einem Spa-Besuch aus.
Pflegenotstand? Nein danke. Dazu talkt später am Abend bestimmt noch Maybrit Illner. Dem Ersten ist mit dem Ableger vom Sachsenklinik-Klassiker „In aller Freundschaft“ ein Volltreffer ins Herz der deutschen Vorabendheimeligkeit gelungen. Ab November folgt mit „Die Krankenschwestern“ der nächste Trabant. Es dürfte ein Selbstläufer werden. (ARD-Mediathek) Kevin Kühnert, Juso-Vorsitzender in der SPD
Büro der Legenden
Der Titel klingt absurd. Ein Büro ist schließlich kein Ort, an dem Legenden geboren werden. Oder eben doch. Jedenfalls, wenn es sich um das Hauptquartier des französischen Geheimdienstes DGSE handelt – und bei der „Legende“ um die fiktive Identität für einen Spion im Auslandseinsatz. Als Zuschauer verfolgt man im Wechsel beide Seiten.
Die Agenten werben zum Beispiel Mitarbeiter im Iran an, während sie ihrerseits von einem Führungsoffizier in Paris gesteuert werden. Im Mittelpunkt steht Guillaume Debailly, der nach mehreren Jahren in Jordanien und Syrien, dort getarnt als Uni-Dozent, wieder in die Zentrale gerufen wurde.
Er hat seine Geliebte in Damaskus zurücklassen müssen, telefoniert nun heimlich mit ihr und löst damit eine verhängnisvolle Entwicklung aus. „Büro der Legenden“ ist hochkarätig besetzt – Debailly etwa wird von Mathieu Kassovitz („Hass“) verkörpert – und nah an den geopolitischen Brennpunkten der Gegenwart, von Teherans Atomprogramm bis zum Islamischen Staat.
In Deutschland hat es die Produktion bloß ins Nischenprogramm von RTL Crime geschafft, dabei wird sie in Frankreich vom Publikum wie von der Kritik gefeiert. In Internetforen und der Presse diskutiert man dort, wie realistisch die Geschichten sind. Sagen wir so: Trotz aller Cliffhanger und überraschenden Wendungen offenbar näher an der Wahrheit als man glauben mag. (RTL Crime, Amazon) Björn Rosen, Redakteur im Sonntag
Parks and Recreation
Beim ersten Anlauf hat die Serie bei uns in der Familie nicht gezündet, wir mussten ihr eine zweite Chance geben. Sie ist grandios, total bescheuert und mit das Beste, was ich jemals gesehen habe. Die Geschichte um eine leitende Beamtin im Grünflächenamt der Kleinstadt Pawnee hat alles, was mein Herz begehrt: Amy Poehler in der streberhaften, schmerzhaft uncoolen und rundum herzerwärmenden Hauptrolle.
Quincy Jones’ Tochter Rashida, die man beständig in die Wangen kneifen möchte. Einen prämuskeligen Chris Pratt („Guardians of the Galaxy“) in einer der dämlichsten, herzigsten Heartthrob-Rollen der Fernsehgeschichte, nebst seiner wunderbar bekloppten Band „Mouse Rat“. Aubrey Plaza als April Ludgate bringt Fresse ziehende Teenager-Ennui auf ein völlig neues Level. Und Aziz Ansari als Tom „Treat Yo Self“ Haverford hat sich hier wahrscheinlich seine eigene Netflixserie „Master of None“ erspielt.
Aber regiert wird „Parks and Rec“ vom unvergleichlichen Nick Offerman in der Rolle jenes grundvergrätzten, anarchokapitalistischen Kollegen, der Nemesis in jedem Büroalltag. Ich bin übrigens inzwischen stolzer Besitzer eines „Mouse Rat“-T-Shirts sowie einer „Treat Yo Self“ -Tasse. (Sky) Judith Holofernes, Sängerin, ehemals Wir sind Helden
Mord und Totschlag
Sharp Objects
Kann nicht einfach jemand Amy Adams jetzt schon einen Emmy geben? Jede Wette, dass sie, die bereits fünf Mal für einen Oscar nominiert war und nie einen bekam, nächstes Jahr diese wichtigste Fernsehauszeichnung gewinnt. Und zwar für ihre Darstellung von Camille Preaker, einer Reporterin, die von ihrem Chef in ihre ehemalige Heimatstadt in Missouri geschickt wird, um über die Morde an zwei jungen Mädchen zu schreiben.
Mit diesen Verbrechen und der schwindelerregenden Selbstzerstörung Camilles holt einen die Serie rein, nach und nach entspinnt sich daraus das bewegende Porträt einer gebrochenen Frau, mit der man als Zuschauer nach Hause geht und schließlich ihr tiefes Trauma versteht. „Sharp Objects“ ist nicht einfach nur eine Serie, sondern ein Abgrund, in den einen die Hauptperson mit hineinzieht. (DVD) Markus Kavka, Moderator und Musikjournalist
Die Brücke
Sie fragt Fremde nach ihrem Sexleben oder wechselt im Büro ohne Vorwarnung vor den Kollegen das Shirt: Die schwedische Ermittlerin Saga Norén ist anders. In „Die Brücke“ werden brutale Kriminalfälle zwischen Dänemark und Schweden, zwischen Kopenhagen und Malmö erzählt.
Alles scheint äußerlich so hyggelig, die Kommissarin fährt einen wunderschönen Porsche – damit die Wirklichkeit sich als abgründig herausstellen kann. Es geht um Umweltaktivismus und jahrelang ausgetüftelte Rache. Noch suchtauslösender sind allerdings die Fragen, die man sich, durch Saga Noréns Autismus getriggert, ganz neu stellt: Darf man lügen, wenn es Leben rettet? Darf man einen Freund anzeigen? Bei all der Aufregung beruhigt es, dass man das schauspielende Personal bereits bestens aus den anderen Regionalkrimis kennt. Nur eine ragt völlig heraus: Sofia Helin als emotionslose Saga Norén, die langsam lernt, zu fühlen. (Netflix, seit vergangener Woche auch wieder ZDF) Julia Prosinger, Ressortleiterin Sonntag
Broadchurch
Es wird von einer schrecklichen Tat erzählt: Ein Kind wird ermordet am Strand gefunden. Ende der ersten Staffel ist der Fall gelöst, aber das Drama noch lange nicht zu Ende. In Staffel zwei und drei kommen neue Kriminalfälle hinzu, über alle 24 Teile hinweg bleiben die Schicksale der Kleinstadtbewohner und ihre Beziehungen untereinander das Hauptthema.
Als hätten alle mit diesem tragischen Vorfall ihre Unschuld verloren. Gezeigt wird das ohne Effekthascherei, sondern in genauer Kenntnis der menschlichen Psyche. Das funktioniert mit großartigen Schauspielern, die diese eindringliche Geschichte tragen. Olivia Colman und David Tennant als Ermittler spielen uneitel, es gibt eine äußert sensible Kameraführung, ein tolles Set mit Klippe am Meer, einen genialen Soundtrack von Ólafur Arnalds. Für mich eine auf altmodische Weise erzählte Fernsehserie auf ganz hohem Niveau. Das Einfache, das so schwer zu machen ist. (Netflix) Götz Schubert, Schauspieler
Inspector Barnaby
Vielleicht ist es eine Altersfrage. Meine Frau und ich lieben die britische Serie „Inspector Barnaby“. Die gibt es seit 1997. Irgendwann haben wir sie im ZDF entdeckt. Da waren wir auf der Suche nach einer Form von TV-Unterhaltung, bei der man weder einschläft noch hinterher Albträume bekommt.
Der Plot kreist um den Chief Inspector, der in der fiktiven mittelenglischen Grafschaft Midsomer lebt. John Nettles als Barnaby und Jane Wymark als seine Frau waren in den ersten Staffeln die Hauptpersonen, jetzt sind es Neil Dudgeon und Fiona Dolman. Bei Barnaby wird immer gemordet. Nun glauben Sie nicht, dass wir masochistisch veranlagt seien.
In den Folgen wird so gestorben, dass man nie vergisst: Das hier ist Theater. Die Regie zeigt die mit viel Kunstblut geschminkten „Leichen“ gern in Großaufnahme. Ganz wichtig, bei Barnaby darf man lachen. Der Inspector und noch mehr seine lebenskluge Frau pflegen einen trockenen Humor. Und auch andere englische Klischees werden perfekt bedient. Die „Guten“ fahren Rover, die „Bösen“ sitzen in einem Mercedes oder einem BMW. (ZDF) Gerd Appenzeller, Berater der Chefredaktion im Tagesspiegel
Gotham
Die Serie ist etwas für Fans, die sich im düsteren Batman-Kosmos einigermaßen auskennen. Dann macht „Gotham“ Spaß, zumal die Fledermaus ohnehin der beste aller Superhelden ist, aus zwei Gründen: Erstens ist die Diskrepanz zwischen Batman und Bruce Wayne, als den Egos vor und hinter der Maske, nicht besonders groß.
Zweitens besitzt Batman keine Superkräfte, von seinen superprall gefüllten Konten mal abgesehen. Man könnte Batman sein. Vielleicht nicht in diesem Leben, aber in diesem Universum. „Gotham“ macht das zum Leitmotiv. Der Held hier ist nicht Bruce Wayne, sondern Detective James Gordon.
Der junge Wayne ist eine Nebenrolle, geplagt vom Zorn über den Tod der Eltern. Ein düsteres Coming of Age. Mit dem Aufstieg Batmans erlebt man den Verfall Gothams, der aufregendsten aller Städte, gegen die das New York der 80er so heftig aussah wie Bielefeld. Alle paar Folgen wird ein neuer Bösewicht eingeführt – ein riesiges Prequel des Schurken-Who-is-Who: Pinguin, Riddler, Hugo Strange, Catwoman. Und die werden mit jeder Episode fieser. (Netflix) Christian Vooren, Mitarbeiter im Sonntag
Seltsame Gefährten
Peep Show
Ein guter Freund von mir, der längere Zeit in England lebte, hat mir vor zehn Jahren diese Serie empfohlen. Er ist zwar hochkulturell sehr gebildet, aber was Populäres betrifft, verlasse ich mich eigentlich nie auf seine Meinung. Ich erwartete humortechnisch so was wie: Marcel Reich-Ranicki erzählt in heiterer Runde die besten jüdischen Witze bei einem guten Cognac.
Weit gefehlt. Seitdem habe ich jede der neun Staffeln mindestens 20 Mal gesehen. Nie habe ich bei einer Serie mehr gelacht. Grob geht es darum: Mark, ein sozial verkrampfter Büroaußenseiter, wohnt zusammen mit Jeremy, einem drogenaffinen, schmarotzenden Pseudomusiker.
Beiden schaut man Folge für Folge beim Scheitern in allen Lebensbereichen (Liebe, Freundschaft, Beruf, Familie) zu und hört laut ihre Gedanken, die offenbaren, dass sie zutiefst feige Opportunisten ohne eine Andeutung von Rückgrat sind. Am Ende fallen sie aus Mangel an Alternativen immer auf ihre merkwürdige Freundschaft zurück. Das Ganze ist so schön schwarz, authentisch und kaputt, wie es nur ein britisches Produkt sein kann. Auch durch das großartige Schauspiel der Hauptdarsteller, voll subtiler komödiantischer Mikromimik. (DVD) Stefanie Sargnagel, Autorin von "Der allerletzte Tag der Menschheit: Jetzt ist wirklich Schluss!"
Firefly
Lagerfeuerklänge zum Dröhnen der Raketentriebwerke, ein Raumschiff überfliegt eine Rinderherde. Im amerikanischen Serienfernsehen hatte Joss Whedon bereits in den 90er Jahren mit „Buffy“ seine Marke hinterlassen, doch sein Geniestreich bleibt die Weltraumwesternserie „Firefly“, die es 2002 auf gerade mal eine Staffel brachte.
Nach nur 14 Folgen wurde sie wieder eingestellt. Space Cowboy Mal Reynolds und seine neunköpfige Crew, darunter ein Priester, eine adlige Kurtisane und ein telekinetisch begabtes Mädchen, schlagen sich im 26. Jahrhundert mit kleinen Gaunereien und zwielichtigen Aufträgen durch die von der interstellaren „Allianz“ kontrollierten Planetensysteme, an deren Rändern kannibalistische Weltraumpiraten ihr Unwesen treiben. Whedon besaß ein irre gutes Händchen für die staubigen und ölverschmierten retrofuturistischen Details seines galaktischen Wildwestgarns. „Firefly“ genießt bis heute bei Serienfans höchste Wertschätzung, wohl nicht zuletzt, weil die Geschichte der „Serenity“-Besatzung unter tragischen Umständen nie zu Ende erzählt werden konnte. (DVD) Andreas Busche, Filmkritiker im Tagesspiegel
The Trip
So heiß man manche Schauspieler auch lieben mag – verreisen möchte man mit ihnen dann doch nicht. Bei „The Trip“ von Steve Coogan und Rob Brydon würde man sich aber sofort auf den Rücksitz zwängen wollen. Als fiktionalisierte Versionen ihrer selbst bereisen sie mit dem Auto Nordengland, um im Auftrag einer Zeitung Restaurants zu testen.
Natürlich geht es in den sechs Episoden nicht wirklich um Kulinarikkritik. Stattdessen gecken und gockeln die Reisebuddys um die Wette, übertrumpfen sich mit Sean-Connery-Imitationen und rangeln, wer besser diesen besonderen, spannungsbebenden Tonfall eines BBC-1-Vorschausprechers hinbekommt.
Das ist wahnsinnig lustig, aber auch schmerzlich realistisch, weil es zwei mittelalte Männer, als im Grunde doch sehr fragile, in ihrer Erschütterbarkeit rührende Tierchen porträtiert. Manchmal kommt man sich beim Zuschauen vor, als drängele man sich in einen elaborierten Insiderwitz, im nächsten Moment fühlt man sich dann wieder so eng verkumpelt mit den beiden Schauspielern, dass man vor dem Fernseher selbst seine beste Michael-Caine-Stimme probt. (DVD) Anja Rützel, Autorin und Fernsehkritikerin
Schrecklich nette Familien
La casa de las flores
„Blumige Aussichten“ (so der deutsche Titel) ist ein mexikanisches Comedy-Drama. Es erzählt von den dysfunktionalen Beziehungen innerhalb einer Familie aus der Oberschicht. Ich mag das schnelle Tempo der Spieler, die für uns Europäer beinahe hysterisch, wohl aber für südamerikanische Verhältnisse wohltemperiert ist.
Der Erfinder Manolo Caro traut sich, die Geschichten – seien sie noch so aberwitzig – so zu erzählen, dass ich als Zuschauerin allen Figuren im Strudel der Machenschaften glauben will. Es heißt ja immer, das kann sich kein Mensch ausdenken, was das Leben schlussendlich macht. Alle Charaktere haben Temperament und keine Angst davor, sich lächerlich zu machen. Oft muss ich an die ersten Filme von Pedro Almodóvar denken. Alleine schon die Prämisse, dass der Blumenladen der Ehefrau „Das Haus der Blumen“ heißt – genauso wie der Transvestitenclub, den die Geliebte des Patriarchen leitet. Das ermöglicht so viele Doppeldeutigkeiten und Verzerrungen. Lachen garantiert. (Netflix) Dorka Gryllus, ungarische Schauspielerin
Sons of Anarchy
In insgesamt sieben Staffeln erzählt Kurt Sutter die Geschichte des gleichnamigen fiktiven Motorradclubs in der kalifornischen Kleinstadt Charming. Es geht um Harleys, Highways und Hamlet, die Handlung ist vage an das Shakespeare-Drama angelehnt. Im Zentrum steht der Konflikt zwischen dem Club-Präsidenten Clay Morrow (Ron Perlman aus „Der Name der Rose“) und seinem Vize Jackson „Jax“ Teller (Charlie Hunnam).
Morrow hat den Club zusammen mit Jacksons Vater aufgebaut, der angeblich bei einem Unfall ums Leben kam. Seither lebt Jacksons Mutter Gemma (Katey Sagal) mit dem Clubchef zusammen. Jax rebelliert gegen den Stiefvater, weil dieser den Club durch illegale Waffenschiebereien finanziert und nicht die von seinem leiblichen Vater gepredigten Grundsätze der „Sons“ für ein selbstbestimmtes Leben vertritt.
Die Serie blickt tief in die gewalttätige Welt der Motorradgangs mit ihren Konflikten, komplexen Hierarchien und der allgemein unterschätzten Rolle der old ladies für den sozialen Zusammenhalt der Gruppe. Und natürlich dürfen die röhrenden Motoren nicht fehlen. (Netflix, Sky) Kurt Sagatz, Medienredakteur im Tagesspiegel
Morgen hör ich auf
Nicht davon abschrecken lassen, dass das ZDF die Serie als deutsches „Breaking Bad“ angekündigt hat. Dieses Plagiat hier überflügelt das Original. Anfangskonstellation: Bastian Pastewka als gebeutelter Familienvater – untreue Ehefrau, pubertierende Kinder, hoch verschuldeter Druckereibetrieb – fängt in seiner Not an, Falschgeld zu drucken.
Schon bald verstrickt er sich immer tiefer in kriminelle Machenschaften. Das Ganze ist mit vielen überraschenden Wendungen erzählt. Komisch, ohne auf Lacher aus zu sein. Pastewka gelingt es, die Comedianrolle abzustreifen. Er wirkt viel sympathischer als sonst.
Spektakulär ist der Österreicher Georg Friedrich in der Rolle des fiesen Kleingangsters, der sich in die Bad Nauheimer Vorstadt-Familie einnistet. „Morgen hör ich auf“ nimmt sich nicht so ernst wie das amerikanische Pendant. Das macht die Serie so charmant. Außerdem spannt sie ihren dramaturgischen Bogen über kaum mehr als vier Stunden. Verglichen mit „Breaking Bad“ spart man also 35 Stunden Lebenszeit. (Netflix, DVD) Barbara Nolte, Autorin im Tagesspiegel
This is us
Du stehst im Krankenhaus, deine Frau liegt nebenan im OP, krümmt sich vor Schmerzen, gebärt Drillinge. Dann kommt ein Arzt zu dir, sagt, dass eines der Babys gestorben sei, und ein bisschen später, nach Worten des Trostes, dass man das Beste daraus machen müsse. Du guckst, du nickst. Sorge dich nicht, lebe – im Grunde ist das der Kern dieser US-Serie.
Wer da an „Forrest Gump“ denkt, bitte schön. Worum es geht? Um Glück und Nöte einer ganz normalen Mittelschichtsfamilie über Generationen hinweg, dem Leben dreier Menschen folgend, die am gleichen Tag geboren wurden. Das klingt nicht umwerfend, aber schauen Sie sich’s an. Geburt, Schule, erste Liebe, Superbowl, College, erstes Date, Hochzeit, Job, Verlust der Eltern, Tod.
Erzählt mit einem grandiosen Kniff: Die Geschichte springt immer wieder zwischen der Kindheit der Protagonisten mit Eltern in Pittsburgh und ihren heutigen Familienleben und Karrieren in den US-Metropolen. Muster im Teppich des Lebens. Wie oft wir allein diesem Krankenhausarzt noch begegnen werden. Das kann man kitschig nennen. Aber dann: ganz großartiger Kitsch! (Sixx, Maxdome) Markus Ehrenberg, Medienredakteur im Tagesspiegel
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