Konkurrenz durch Netflix & Co.: Videotheken und Kinos unter Druck
Amazon und Netflix graben den Konkurrenten zunehmend das Wasser ab. Die Folgen spüren besonders die stationären Videoverleiher.
Diese Meldung ist für Netflix in mehrfacher Hinsicht ein Erfolg: Oscar-Gewinner Guillermo del Toro wird mit „Pinocchio“ sein Animations-Spielfilmdebüt beim US-Streaminganbieter geben. Mit „Shape of Water“ hatte del Toro vier Academy Awards (unter anderem beste Regie und bester Film) gewonnen. Seine Verpflichtung ist für Netflix ein wichtiger Punktsieg gegen Amazon im globalen Wettkampf um bekannte Hollywood-Akteure. Für „Pinocchio“ wird del Toro als Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzent tätig. Bei dem Stop-Motion-Musical, das im Italien der 1930er Jahre angesiedelt wird, sind zudem die Jim-Henson-Company („Muppets“) und ShadowMachine (Netflix-Eigenproduktion „BoJack Horseman“) dabei. Auch in Richtung Disney, das kurz vor dem Start eines eigenen Streamingdienstes steht, ist die Zusammenarbeit mit del Toro somit ein wichtiges Signal.
Ebenso wie Netflix setzt auch Konkurrent Amazon viel daran, bekannte Hollywood-Gesichter an sich zu binden. Anfang November startet die Prime-Video-Serie „Homecoming“ mit Julia Roberts, deren Rollenfigur in einer ominösen US-Regierungsbehörde arbeitet, die sich zumindest offiziell um traumatisierte Kriegsheimkehrer kümmert. Unlängst hatte Amazon zudem die Fantasy-Serie "Carnival Row" mit Orlando Bloom angekündigt.
Netflixs Schuldenberg wächst weiter
Der Wettstreit um die Gunst der globalen Kundschaft verschlingt längst Abermilliarden US-Dollar. Inzwischen werden jeden Monat bis zu acht eigenproduzierte neue Serien ins Rennen geschickt. Aus eigener Kraft ist das kaum zu schaffen. Am Montag hat Netflix mitgeteilt, dass sich der Streamingdienst von Reed Hastings weitere zwei Milliarden Dollar am Kapitalmarkt besorgen will. Der bereits zuvor beachtliche Schuldenberg steigt damit auf über zehn Milliarden Dollar. Ein Jahr war er mit 4,89 Milliarden Dollar nur halb so hoch. Eine Ende des Wettrüsten ist nicht in Sicht, zumal neben Disney auch Apple mit einem eigenen Streamingdienst in den Startlöchern steht.
Der Kampf zwischen globalen Unternehmen wie Amazon, Netflix oder Disney und Apple und regionalen Wettbewerbern wie Sky und auf deutscher Ebene Maxdome ist nicht allein auf den Geldbeutel der Verbraucher ausgerichtet. Er wird vor allem auch um das Zeitbudget geführt. Nutzen die Abonnenten auch nur einen Teil des Angebots an Originals, bleibt immer weniger Zeit für andere audiovisuelle Medien, ob nun im TV, aus den Videotheken oder im Kino.
Wohin die Reise geht, zeigt die Onlinestudie 2018 von ARD und ZDF. Über die Gesamtzuschauerschaft gerechnet, liegt das Verhältnis von Live-TV zu On-Demand-Inhalten noch bei 81 zu 19 Prozent. Bei den 14- bis 29-Jährigen kommen die On-Demand-Angebote hingegen schon auf 54 Prozent. Damit die öffentlich-rechtlichen Sender nicht alsbald komplett an Bedeutung verlieren, wird im Zuge der Novellierung des Medienstaatsvertrages gerade die Sieben-Tage-Regel für Mediatheken beerdigt. Auch die Privaten bauen ihre Mediatheken aus. Zum Wochenstart hat Tele 5 die On-Demand-Services in einer Mediatheken-App gebündelt.
Ein Drittel weniger Videotheken
Zu den Leidtragenden dieser Entwicklung zählen besonders die Videotheken. Von 2016 bis 2017 machte jede dritte Verleihstelle zu, die Zahl der Videotheken brach von rund 900 auf 600 ein. Das teilte der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland (IVD) jetzt mit. Damit hat sich der Strukturwandel weiter verschärft; 2016 lag der Filialenrückgang noch bei etwa einem Fünftel. 2008 hatte es in Deutschland noch fast 3000 herkömmliche Videotheken gegeben. Der IVD nannte Produktpiraterie als Grund – es werde zu wenig gegen illegale Downloads und Abrufe im Internet getan. Diese Analyse dürfte nicht weit genug gehen.
Auch das Kino ist in den Strudel der Entwicklung geraten. Nach einer Studie der Filmförderungsanstalt FFA über die Kinobesucher 2017 gehen Besitzer eines Streaming-Abos zwar häufiger ins Kino als das Gesamtpublikum. Das ändert allerdings nichts daran, dass dem Kino in der wichtigen Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen im Sechsjahresvergleich über ein Drittel der Besucher verloren gegangen sind.