Überangebot bei Netflix, Amazon und Co.: Wie lange halten wir das noch aus?
Streamingdienste fressen mit immer neuen Inhalten immer mehr Zeit. Doch die Angebotsinflation kann frustrieren. Ein Kommentar.
Man muss (sich) noch mal daran erinnern. Ein Tag hat 24 Stunden. Das reicht nicht, wenn das audiovisuelle Angebot auch nur annähernd ausgereizt werden soll: Lineares Fernsehen, Sender-Mediatheken, Streamingdienste, Videotheken, Kino. Gut, die Videotheken können bald von der Liste gestrichen werden. Der Wettbewerb um Zeit und Geld des Konsumenten ist ein Verdrängungswettbewerb, der auf Kosten dessen, was nicht sofort und überall verfügbar ist, ausgetragen wird.
Vom Nutzerverhalten her sind das Fernsehen mit Sendeschema und das Kino die potenziell nächsten Medien in der Gefahrenzone. Die TV-Sender wissen das, das ZDF hat jüngst und auf einen Schlag fünf Samstagskrimis, von denen „Herr und Frau Bulle“ erst am 17. November im Zweiten ausgestrahlt wird, online gestellt.
Die ARD feiert die Abrufquote im Netz für „Babylon Berlin“. Ein Fernsehprogramm kann als sich ständig erneuerbare Mediathek überleben, weil es eben die Maxime der (knappen) Zeit erfüllt: Der Nutzer bestimmt die Nutzung.
Wie souverän ist der Nutzer wirklich?
Ist der Nutzer in seiner Rolle als Programmdirektor wirklich souverän? Netflix und Amazon pumpen gerade mehr Inhalte denn je in ihre Streaming-Kanäle, da steckt der Versuch der Überwältigung drin, mittels Algorithmen die Kundenzufriedenheit auf neue Höchststände zu pushen. Die Stoffe sollen als Suchtstoffe funktionieren, als Zeiträuber. Wer will leugnen, dass da geile Serien und Filme laufen, die Kreativität der Macher wie entfesselt zu sein scheint.
Aber da ist der Faktor Zeit. Die Gefahr, dass der Nutzer frustriert ist, weil er dieser Angebotsinflation nicht mehr hinterherkommt, wächst. Ebenso der Wahn der Unternehmen, Neues mit Neuem zu übertrumpfen. Die Streaming-Dienste haben kein Gedächtnis, nicht für die Klassiker des Films noch der Serie.
Vielleicht sind die Kinos die Videotheken der Zukunft, also die Orte für die vielfältige, nachhaltige, erinnerungsbereite Kunst und Kultur des Audiovisuellen.