Das erste Ökoresort auf den Malediven: Schnorcheln, Baden und Recyceln
Plastikflaschen sind verboten, Beef ist verpönt, Solarpanels erzeugen Strom. Im Baa-Atoll verbindet Soneva Fushi Nachhaltigkeit mit Luxus
Avinash Pratap Singh breitet die Arme aus: „Willkommen in unserem Palast!“ Der 30-jährige Inder arbeitet auf Soneva Fushi, einer Fünf-Sterne-Resortinsel in den Malediven. Jeder vernünftige Gast würde nach dieser Ansprache goldene Türgriffe, Champagnerkübel und Marmorböden erwarten. Singh hingegen steht in einer Halle mit acht Erdhaufen, es riecht nach Mulch, und ein Arbeiter wälzt mit einem Gabelstapler Erde um. Avinash Pratap Singh strahlt: „Das ist unser Kompost.“
Und offenbar der ganze Stolz des Hotels. 20 000 Kilo organisches Material kommen pro Monat aus dieser Einrichtung, erklärt der Inder, erzeugt aus dem Abfall der Insel. Mehr als genug, um die Böden von Soneva Fushi und einem Partnerresort zu düngen. Er erzählt das vor Feriengästen aus Russland, Saudi-Arabien, Deutschland und Dänemark – Menschen, die extra die Tour gebucht haben, um das „Eco-Centro“ zu besuchen. Mülltrennung im Luxushotel, wer möchte sich das nicht im Urlaub antun?
Nicht nur das macht Soneva Fushi anders. Als der britische Hotelier Sonu Shivdasani vor 25 Jahren die Anlage gründete, hatte er die Vision, das erste Öko-Luxusresort der Welt zu eröffnen. Jeder Gast muss seitdem bei der Ankunft seine Schuhe abgeben, egal ob Louboutin oder Adidas, sie oder er sollte den feinen Sand zwischen den Zehen fühlen, die Freiheit der Natur spüren und nebenbei etwas über Umweltschutz und Ressourcennutzung lernen.
Shivdasani ist an diesem Morgen nicht vor Ort, nach 15 Monaten auf der Insel hält er sich gerade in der schwedischen Heimat seiner Frau Eva auf. Er schaltet sich nachher per Video zu, Avinash vertritt ihn als Experte für Nachhaltigkeit. Der junge Mann wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Nordindien auf, er war der erste in der Familie, der Englisch lernte, auf die Universität ging und einen Job im Ausland bekam. Seit er bei einer NGO begann, sich Gedanken über Recycling zu machen, ist er von dem Thema besessen: Wie kann man Müll weiterverwenden?
Soneva Fushi ist sein Labor, um zu experimentieren. Auf dem Eiland, etwa einen Kilometer lang, wächst ein Dschungel aus Palmen und Banyanbäumen, dazwischen wurden 71 Villen und mehrere Restaurants gebaut. Eine Solarfarm erzeugt seit 2008 die Energie. In Gärten wachsen Kräuter, Obst und Gemüse für die Küche, Wasserentsalzungsanlagen stellen Trinkwasser her, sodass keine Flasche eingeführt werden muss.
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Nach eigenen Angaben hat Soneva Fushi 1,8 Millionen Plastikflaschen seit 2008 eingespart. Alte Betonmischer dienen als Blumenbehälter, Styropor landet als Füllmaterial in selbstgenähten Sitzkissen, Öl von den 3000 Kokospalmen in Spa-Kosmetika. „Acht Prozent des Mülls“, Avinash ist etwas zerknirscht, „muss als nicht-recycelbar von der Insel verschifft werden.“
Als Sonu Shivdasani Mitte der 90er Jahre seine Pläne vorstellte, reagierten Wettbewerber und Behörden amüsiert. Bis dahin gab es vor allem All-Inclusive-Resorts für Pauschalurlauber, sagt der Gründer. „Ein Luxusresort? Jeder dachte, wir sind komplett verrückt. Nur für Barfußgäste? Bizarr! Und dann wollten wir noch nachhaltig sein. Es war, als würden wir eine andere Sprache sprechen.“
Hinzu kam der Ort. Das Ehepaar Shivdasani hatte die Insel auf einem Segeltörn durch das Baa-Atoll entdeckt, heute ein Unesco-Biosphärenreservat, damals ein Tupfer im Indischen Ozean, weit weit weg. Alle Resorts lagen nahe der Hauptstadt Malé, zum Baa-Atoll brauchte ein Boot vier Stunden – falls es nicht stürmte. Also organisierten die Shivdasanis Inlandsflüge, zuerst mit einem Wasserflugzeug, später kam ein Flughafen auf einer angrenzenden Insel hinzu, den heute andere Resorts und viele Einheimische nutzen.
Da ist er also, der Elefant im Raum, wie die Engländer sagen. Das unangenehme Thema, über das man in der Reisebranche nicht reden möchte, aber muss: Flugreisen. Sie versauen jede Klimabilanz. Atmosfair-Gründer Dietrich Brockhagen, über dessen NGO Passagiere ihre Flüge kompensieren können, meint, am besten sollen Menschen ganz darauf verzichten.
Sonu Shivdasani wägt ab. Reisen in ferne Länder zu verbieten, hält er nicht für umsetzbar in einer globalisierten Welt. Lieber lässt er seine Gäste zahlen. Auf den Übernachtungspreis berechnet das Hotel eine zweiprozentige Umweltabgabe, die in Recycling und gemeinnützige NGOs fließt. Ein Ablasshandel für den guten Zweck.
Um die Auswirkungen des Resorts auf die Umwelt besser zu verstehen, hat Soneva Fushi vor mehr als zehn Jahren begonnen, den ökologischen Fußabdruck zu berechnen. „Die meisten Hotels listen nur Posten auf, die vor Ort verbraucht werden – also wenn man das Licht anstellt“, sagt Sonu Shivdasani. „Aber was ist mit dem Essen? Macht Fisch oder Fleisch einen Unterschied? Ob ein Hühnchen aus Indien oder Rindfleisch aus Australien kommt? Konnten die Kühe dort auf Weiden grasen – oder nicht?“
Also bezogen sie diese Kosten in ihre Rechnung mit ein. Wie sieht die Klimabilanz nun aus? „Sie ist ausgeglichen“, sagt Shivdasani. Und korrigiert sich. „Wir haben sogar einen Überschuss, den wir an Firmen wie die Kaufhauskette Marks & Spencer verkaufen.“ Mehr als zehn Millionen US-Dollar hat die Soneva-Gruppe – es gehören noch ein Resort in den Malediven und in Thailand dazu – bisher in nachhaltige Projekte investiert: Waldaufforstung in Nordthailand, Windmühlen in Indien, Armutsbekämpfung in Myanmar. Knapp 700 000 Tonnen an CO2 haben die Resorts damit kompensiert.
Inzwischen berät das Soneva-Team auch die Regierung des Inselstaats in Recyclingfragen, auf der Nachbarinsel Maalhos hat das Resort eine Entsalzungsanlage installiert, und die hoteleigene NGO Namoona hilft im Atoll mit, die Mülltrennung voranzutreiben. Nachhaltigkeit ist ein Thema, über das erst begonnen wird, in den Schulen zu reden.
Eine Nebenwirkung des Tourismus, glaubt Shivdasani: „Dank ihm sind die Malediven nicht mehr unter den 20 ärmsten Ländern der Welt wie vor 30 Jahren.“ Naturschutz in den 90er Jahren, erinnert er sich, war ein Kampf gegen sinnlose Grausamkeiten. „Damals konnte man in ein Hotel einchecken und nachts Haie jagen. In den Souvenirläden am Flughafen gab es Tand aus Zähnen und Flossen.“
Noch schlimmer erwischte es die Meeressschildkröten. Ihre Eier galten als Delikatesse, die Tiere wurden gefangen, bei lebendigem Leib mit kochendem Wasser übergossen und der Panzer für Touristen abgeschält. „Auf den Inseln aßen die Menschen die restliche Schildkröte dann Stück für Stück auf, zuerst ein Bein, dann das nächste – während sie noch lebte.“
Soneva Fushi arbeitete mit der lokalen NGO Eco Cares zusammen und forderte von der Tourismusbranche ein entschiedenes Eingreifen gegen die Tötung vom Aussterben bedrohter Tiere. Nach kurzer Zeit verbot die Regierung zuerst die Schildkröten-, dann die Haijagd.
Wer als Gast heute am Jetty anlegt und barfuß die Planken betritt, sieht vielleicht die jungen Riffhaie, die im kristallklaren Meer kreisen. Sie sind nicht größer als ein Meter, für Menschen komplett ungefährlich und verbringen im seichten Wasser ihre Jugend, bevor sie ausgewachsen sind und im tiefen Ozean jagen. An manchen Stränden der Insel legen Schildkröten ihre Eier ab, eine australische Meeresbiologin ist im Resort stationiert, beobachtet und dokumentiert die Nester.
Avinash erzählt, dass selbst unliebsame Plagegeister wie Mücken mit Bedacht gefangen werden: mithilfe von Pheromonfallen. Sie stehen überall im Dschungel verteilt, die Düfte – es soll unter anderem nach Menschenschweiß riechen – locken die Insekten an, die im Behälter kleben bleiben und sterben. In anderen Malediven-Resorts werden Urlauber schon mal gebeten, eine Stunde lang nicht ihre Zimmer zu verlassen, während Mitarbeiter in Schutzanzügen Chemiekeulen in der Vegetation versprühen. Zu viel Kollateralschaden, meint Avinash.
Madonna und Richard Branson waren schon hier
Zurück in der geräumigen Villa. Vor der Terrasse hoppelt ein Kaninchen durch den weißen Sand, die Wellen klatschen ans Ufer, und der Muezzin ruft auf der gegenüberliegenden Insel die Gläubigen zum Gebet.
Soneva Fushi verkauft Harmonie. Und hat mit seiner Philosophie inzwischen Fans auf der ganzen Welt. Madonna, Gwyneth Paltrow und Richard Branson haben bereits in einer der Villen geschlafen oder sind mit Fahrrädern über die aufgeschütteten Sandwege gestrampelt. Berlins Sternekoch Tim Raue kommt einmal im Jahr vorbei und kocht dann für Feinschmecker.
Das Frühstück nehmen Gäste an Holztischen unter Palmen ein, Kellner servieren frisch gepresste Säfte aus mindestens 20 verschiedenen Obstsorten, es gibt Mandel-, Kokos- und Hafermilch, frisch gebackenes deutsches Brot und wenigstens zehn Typen von Schokoladenpralinen, von einer Patissiere am selben Tag zubereitet und in einem 24 Stunden begehbaren Kühlraum gelagert.
Nur wer Speck haben möchte, muss gezielt beim Koch nachfragen. Denn eigentlich hat das Resort eine „No Beef“-Regel. Aufgrund der negativen Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Umwelt steht Rindfleisch nicht mehr auf der Speisekarte.
Sonu Shivdasani sagt zum Abschied: „Ich sehe uns als Kiesel, den wir in einen Teich werfen und der langsam Wellen schlägt.“ Er ist ein Optimist, ständig auf der Suche nach Problemlösungen. Korallenbleiche, die gerade Riffs auf der gesamten Welt bedroht? Vor Soneva Fushi werden demnächst 50 000 Korallen auf einem Hektar angepflanzt.
Natürlich kann man auf Soneva Fushi einfach nur in der Sonne braten, auf dem SUP-Board die Insel umrunden und mit der Meeresbiologin nach bunten Fischen schnorcheln. Aber dann würde man verpassen, wie Avinash Pratap Singh vor einem Schuppen, in dem es rattert und klappert, die Finger auf die Lippen legt und fragt: „Hören Sie das? Da wird gerade unser Aluminium geschreddert.“ Aus dem irgendwann Dachschindeln entstehen. Und dann listet er andere Initiativen auf.
Abgefallene Äste verarbeiten sie zu Holzkohle für die Küchengrills, Styroporverpackungen pressen sie mit Glasscherben zu „Öko-Ziegeln“, die für Mauern gute Dienste leisten. Avinash lehnt sich an eine Wand im Eco-Centro. „Sehen Sie, stürzt nicht ein.“
Reisetipps: Nach Malé fliegt zum Beispiel die Lufthansa ab 660 Euro. Um den Transfer kümmert sich das Hotel. Die Preise für Villen variieren je nach Saison und Größe sehr stark, einfach Preise anfragen auf soneva.com Zwischen Juni und September lohnt ein Ausflug zu den Mantarochen in der Hanifaru Bay. Die Reise wurde teilweise unterstützt von Soneva.
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