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Xavier Naidoo
© Imago / Daniel Goetzhaber

Trotz Verbreiten von Holocaustleugnung: Xavier Naidoo darf in Berlin singen

Im Netz verbreitet Xavier Naidoo Hass und Holocaustleugnung, beschimpft Juden als „Lügenbande“. Sein Konzert in Berlin soll trotzdem stattfinden.

Wie übel kann ein Künstler hetzen, bevor man ihm keine Bühne mehr gibt? Xavier Naidoo scheint es gerade herauszufinden. Auf seinem Telegram-Kanal beschimpft Naidoo regelmäßig Juden, nennt den Zentralrat der Juden den „Zentralrat der Lügen“ und „Lügenbande“. Er verbreitet reihenweise volksverhetzende Inhalte, darunter Holocaustleugnung. In einem von Naidoo verbreiteten Video wird etwa behauptet, mit Zyklon B ließen sich gar keine Menschen vergasen. Der Holocaust sei demnach eine „gelungene historische Fiktion“, oder kurz: ein „Märchen“.

Sein Konzert in der Berliner Zitadelle soll dennoch stattfinden. Veranstalter Trinity Music verspricht, es werde gerade mit Hochdruck ein Ersatztermin gesucht, dieser werde in Kürze bekannt gegeben. Karten behielten ihre Gültigkeit.

Die Radikalisierung von Xavier Naidoo hat in jüngster Zeit noch einmal deutlich zugenommen - oder zumindest die Offenheit, mit der er seine politische Haltung zeigt. Laut Naidoo sind alle hellhäutigen Juden Betrüger. Juden hätten sich die Welt „Untertan gemacht“. Attila Hildmann, den mit Haftbefehl gesuchten Antisemiten, nennt Naidoo seinen „Bruder im Geiste“.

Neben der antisemitischen Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ verbreitet Naidoo auch Ansichten, wonach der Zweite Weltkrieg den Deutschen aufgezwungen worden sei und das „Deutsche Kaiserreich“ wieder hergestellt werden müsse - natürlich in dessen alten Grenzen und inklusive aller deutschen Kolonien.

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Während in anderen Städten lebhaft darüber diskutiert wird, ob und wie Live-Auftritte Naidoos untersagt werden können, steht dem Konzert in der Spandauer Zitadelle nichts im Wege. Das Bezirksamt ist zwar Eigentümer der Zitadelle, hat aber laut eigener Aussage keine „rechtlich haltbare Möglichkeit“, das Konzert zu untersagen. Denn: „Der Konzertveranstalter Trinity Music veranstaltet die Konzerte auf der Zitadelle Spandau eigenständig und wählt Künstler für diese Konzerte eigenverantwortlich aus.“

Trinity Music wirbt weiterhin für Naidoos Auftritt. Auf der eigenen Homepage lobt die Firma den Sänger als „absolut herausragenden deutschen Interpreten“ mit „überragendem Talent, authentischem Stil und ausdruckstarken Inhalten“. Der Sänger habe sich „stets für seine Musik, seine Identität und seine Unabhängigkeit engagiert“.

Thomas Spindler, Geschäftsführer von Trinity Music, will nicht mit dem Thema belästigt werden.
Thomas Spindler, Geschäftsführer von Trinity Music, will nicht mit dem Thema belästigt werden.
© Thilo Rückeis

Ob ihm das Verbreiten der Holocaustleugnung und die fortwährende Beschimpfung von Juden durch Naidoo bekannt sind, will Trinity-Geschäftsführer Thomas Spindler auf Tagesspiegel-Anfrage nicht sagen. Er bestreitet lediglich das Datum des von der Zitadelle genannten Ausweichtermins im August 2022. Auf Nachfrage wird Thomas Spindler dann beleidigend, beschwert sich über eine „erbärmliche Recherche“.

Überhaupt hält es der Trinity-Geschäftsführer für unangemessen, zu dem Thema befragt zu werden: „Alleine dass Sie mir in der Corona-Zeit mit so einem Text kommen, ist ein schlechter Witz.“ Man solle aufhören, ihn zu belästigen, denn er arbeite nur mit Profis.

Erst im Mai hatte Naidoo eine Impfgegner-Hymne mit dem bezeichnenden Refrain „Dieses Gift kommt niemals in unsere Körper rein“ veröffentlicht. Außerdem hat er sich einer kleinen Gruppe von Verschwörungsideologen angeschlossen, die sich „Die Konferenz“ nennt. Hierzu gehören auch der wegen Volksverhetzung verurteilte Rechtsextremist Nikolai Nerling, der Sänger der rechtsextremen Hooligan-Band „Kategorie C“ sowie ein szenebekannter Aktivist, der am gescheiterten Reichstagssturm im August 2020 teilnahm. Dieser Tage traf sich die Gruppe in einer öffentlich übertragenen Video-Konferenz zum Gedankenaustausch. Xavier Naidoo schwärmt von seinen Mitstreitern. Es handle sich durchweg um Menschen, die „mutig nach vorn gehen“. Ihr gemeinsames Ziel sei das "Freisetzen der Wahrheit“.

Die Black-Lives-Matter-Bewegung beschimpft Xavier Naidoo als „absolut verachtungswürdig“. In Deutschland werde es bald grundlegende Veränderungen geben. Naidoo sagt: „Es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis wir dieses System niedergerungen haben.“ Er beleidigt den Talmud, teilt Beiträge, in denen behauptet wird, Juden würden Nicht-Juden „mit Giftspritzen ermorden”, die Antifa sei von Juden gegründet worden, Juden seien die „eigentlichen Antisemiten”. Weshalb nicht nur alle hellhäutigen Juden Betrüger seien, sondern auch sämtliche Juden, die in Israel lebten, erklärt Naidoo mit einem seiner Verschwörungsmythen: Das wahre heilige Land befindet sich nach Naidoos Erkenntnissen in Südafrika, Jerusalem liege in der Kalahari-Wüste.

Xavier Naidoo im Gespräch mit dem rechtsextremen Antisemiten Nikolai Nerling.
Xavier Naidoo im Gespräch mit dem rechtsextremen Antisemiten Nikolai Nerling bei der "Konferenz".
© Telegram

Eine, die sich deutlich gegen den Auftritt Naidoos in Berlin ausspricht, ist Urte Evert, die Museumsleiterin der Zitadelle. Sie darf dies allerdings nur als Privatperson tun. Evert sagt: „Seiner Menschenverachtung und seinem Hass sollte keine Bühne mehr geboten werden, zumal er durch seine Berühmtheit großen Einfluss hat.“ In ihrem Team arbeiteten zudem Menschen, die „aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens und/oder Ansichten zum direkten Angriffsziel Naidoos gehören“, auch sie selbst leide unter dem Auftritt des Sängers, weil dieser „unsere gesamte Arbeit, die Zitadelle als weltoffenen Ort zu etablieren, integrativ für alle, die Demokratie stärkend durch Bildung, überschattet“.

Eine Möglichkeit, das Konzert zu unterbinden, hat Urte Evert nicht. Sie muss, im Gegenteil, sogar die überschwänglichen Huldigungen des Sängers exakt so auf die offizielle Homepage der Zitadelle übernehmen, wie sie vom Veranstalter Trinity Music geliefert werden.

Stephanie Lipka, bei Trinity fürs Booking zuständig, erklärt gegenüber dem Tagesspiegel, es gebe „definitiv relevantere Dinge, über die eine Berichterstattung erfolgen sollte“. Der Fragensteller habe nicht „fundamentiert recherchiert“ und wisse offensichtlich nicht, „wie das Geschäft in der Konzertbranche läuft, was alles dahintersteckt und dazu gehört“. Stephanie Lipka gibt den Rat, man solle sich lieber auf „interessantere Themen im Weltgeschehen“ konzentrieren.

Update 16.6.: Wenige Stunden nach den beleidigenden Mails von Thomas Spindler und seiner Mitarbeiterin hat Trinity die Werbung für das Naidoo-Konzert kommentarlos von der eigenen Firmenseite entfernt. Mittwochabend folgte dann überraschend auch die öffentliche Kehrtwende: Auf Facebook veröffentlichte Trinity ein Statement, wonach sich Geschäftsführer Thomas Spindler und alle Mitarbeiter „ausdrücklich von den andauernden und erschreckenden Aussagen des Herrn Naidoo“ distanzierten. Man wolle „lieber heute als morgen von den Verträgen zurücktreten“ und werde „Xavier Naidoo keine Bühne geben“.

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