Biohacker und Crispr: Vom Versuch Darmbakterien nach Banane riechen zu lassen
In seiner Freizeit manipuliert er Gene, die Wohnung gleicht einem Labor: Rüdiger Trojok ist Biohacker. Die Technik dafür wird in Berlin erforscht – und könnte am Mittwoch einen Nobelpreis gewinnen. Unser Blendle-Tipp.
Zuerst zittert der Wassertropfen nur ein wenig. Dann setzt er sich plötzlich wie von selbst in Bewegung, trifft auf einen anderen Tropfen, mit dem er sich zu einem größeren vereint. Gleich darauf teilt er sich wie eine Zelle und die beiden Tröpfchen kriechen in unterschiedliche Richtungen davon.
„Cool, oder?“, fragt Rüdiger Trojok und grinst. Die Wassertropfen lässt er dabei nicht aus den Augen. Über eine kleine, selbstgebastelte Tastatur steuert der 30-Jährige den etwas wirr verkabelten, kassettengroßen Prototyp seines „Auryn“ – ein Gerät, das über elektromagnetische Impulse Wassertropfen nach Belieben über eine Fläche bewegen kann. Das ist nicht nur „cool“, weil – so Trojoks Hoffnung – daraus alsbald ein computergesteuertes Minilabor werden könnte, in dem unzählige chemische Reaktionen zwischen in den Wassertropfen gelösten Molekülen koordiniert werden. Eine Pipette des 21 Jahrhunderts sozusagen. Cool ist es, weil Trojok die Erfindung im Wohnzimmer seiner Weddinger Studentenbude und nicht in einem Labor an der Universität demonstriert.
Der Versuch, Darmbakterien nach Banane riechen zu lassen
Seine Wohnung steht voller Geräte, wie sie sonst nur in molekularbiologischen Labors zu finden sind – eine alte PCR-Maschine, mit der sich Erbgutabschnitte vermehren lassen; eine Elektrophorese-Apparatur, die DNS-Stücke der Größe nach auftrennt; Pipetten für das Verteilen und Dosieren von Flüssigkeiten, dazwischen die übliche studentische Ordnung. Trojok ist diplomierter Biologe und in vielerlei Hinsicht ein typischer Nerd. Ein Mann mit Stoppelbart, die langen Haare sind zum Zopf gebunden. Er hat einen Faible für Fantasy und Science-Fiction – und in seiner Freizeit manipuliert er Gene. Rüdiger Trojok ist Biohacker.
Er mag den Begriff eigentlich nicht, seines halbkriminellen Klangs wegen. Dabei bezeichnet „Hacking“ im ursprünglichen Sinne nur das spielerische Zweckentfremden von Techniken. „Ein Hacker ist jemand, der einen Weg zu finden versucht, wie man mit einer Kaffeemaschine Toast zubereiten kann“, hat der deutsche Computerspezialist Wau Holland den Begriff einst zu erklären versucht. Biohacking wäre demnach der Versuch, Darmbakterien nach Banane riechen zu lassen. Trojok gefällt der Begriff „Biotinkering“ besser, das Basteln mit Biotechniken, und so nennt sich auch der Berliner Verein, in dem sich mittlerweile einige Tüftler – Computerexperten, Ingenieure, Biologen, Chemiker – zusammengefunden haben, denen die konventionelle Wissenschaftslandschaft für ihre Ideen zu starr erscheint.
Eine Art Google-Suchmaschine für Gene
Die Szene wächst. Ob in Wohn- oder Schlafzimmern, Küchen oder Garagen – weltweit gibt es inzwischen hunderte, wenn nicht tausende von Biohackern, die in ihrer Freizeit mit Biotechniken hantieren. Die einen kontrollieren anhand der Fisch-DNS die Herkunft der letzten Sushi-Mahlzeit, andere sammeln und untersuchen Proben von Mikroorganismen aus dem benachbarten Tümpel oder der Stratosphäre. Manche isolieren aus ihrem Speichel oder Blut ihre eigenen Gene und testen sie auf besonders sportlich oder krankmachende Mutationen. Und einige nutzen Gentechniken, um das Erbgut von Bakterien oder Pflanzen zu verändern. Und das ist womöglich erst der Anfang.
In dieser Woche werden die Nobelpreise vergeben. Eine der Favoritinnen in der Kategorie Chemie ist die am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie forschende Biologin Emmanuelle Charpentier. Sie hatte 2013 eine sogenannte Genschere mitentwickelt, die den etwas kryptischen Namen „Crispr/Cas9“ trägt. Das Besondere an der Technik ist, dass sie erstmals zielgenaue Erbgutveränderungen möglich macht, ohne dass jedes Mal eine neue Genschere gebaut werden muss. Crispr ist damit für die Biologie, was die Google-Suchfunktion mit dem sekundenschnellen Auffinden einer Buchstabenabfolge in Milliarden von Texten fürs Internet ist.
Jahrelang hatte Charpentier unbeachtet vom ...
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