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Verkündung des Medizin-Nobelpreises
© REUTERS

Nobelpreis für Medizin: Berliner Hoffnung

Seit ein paar Monaten forscht eine Nobelpreis-Kandidatin in Berlin. Wissenschaftler und Journalisten versammelten sich daher zum Nobel Viewing. Es kam anders.

„Es könnte mal wieder ein Berliner sein“, sagt Detlev Ganten, der Präsident des World Health Summit, und spielt damit auf eine bestimmte Spitzenforscherin an. Seine Zuhörer wissen, wen er meint. „Einige Größen der Medizin, die zumindest zeitweise in Berlin gearbeitet haben, haben den Nobelpreis ja bekommen.“ Robert Koch, Emil von Behring und Paul Ehrlich zum Beispiel. Namen solle man natürlich nicht nennen. Aber vielleicht wolle man den eigenen Tipp notieren? Wer richtig liegt, bekomme Champagner.

Als Ganten die Wettzettel einsammelt, sind noch 15 Minuten Zeit bis zur Bekanntgabe in Stockholm. Im Livestream, den sich rund 40 Berliner Forscher und Journalisten auf einer Leinwand im Langenbeck-Virchow-Haus gemeinsam anschauen, sind leere Stühle zu sehen. Auch im Saal selbst fehlt jene Wissenschaftlerin, die Detlev Ganten und Ivar Roots von der Berliner Medizinischen Gesellschaft ausdrücklich eingeladen hatten: Emmanuelle Charpentier, Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Ihr Labor ist kaum 200 Meter entfernt auf dem Gelände der Charité zu finden. Sie komme eventuell später, heißt es. Derweil werden schon einmal Fernsehkameras aufgebaut.

Ein Moment der Überraschung - dann bilden sich Grüppchen

Die Französin hat gemeinsam mit Jennifer Doudna von der Universität von Kalifornien ein Skalpell der Genchirurgie entwickelt, mit dem man das Erbgut aller Lebewesen korrigieren kann. Die beiden haben fast 40 Auszeichnungen abgeräumt.

Ein paar Minuten später steht der Preisträger fest und nach einem Moment der Überraschung haben sich Grüppchen gebildet. „Autophagie ist von ungeheurer Bedeutung für die Biomedizin“, sagt Volker Haucke vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin. Yoshinori Ohsumi sei ein verdienter Preisträger. Ein bescheidener Mann, der die große Bühne nie gesucht habe. Bevor sich andere für die Autophagie interessierten, habe er das Zell-Recycling aufgeklärt. „Damals wurde das als Kuriosität wahrgenommen“, sagt Haucke. „Seine Arbeit ist ein Paradebeispiel für die Bedeutung der Grundlagenforschung.“

Nervenzellen zum Beispiel sollten möglichst von der Geburt bis zum Tod ihren Dienst tun, ihre Eiweiße dagegen überleben nur ein paar Wochen. Immer wieder müssen die Zellen aufräumen, auch entlang ihrer Verbindungen. „Wir glauben, dass Autophagie für Neuronen besonders wichtig ist und im Alter nachlässt. Dann können Plaques wie bei Alzheimer nicht mehr beseitigt werden“, sagt Haucke über die These seiner eigenen Gruppe.

Charpentier und Doudna haben derweil am Mittwoch eine weitere Chance, unter den Nobelpreisträgern des Jahres 2016 zu sein.

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