Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein: Die Grünen: Stark im Norden, schwach im Westen
Zwischen ihnen liegen Welten: In Schleswig-Holstein strahlt Robert Habeck, in Nordrhein-Westfalen geht Sylvia Löhrmann unter – doch beide bestimmen die Zukunft im Bund. Unser Blendle-Tipp.
Robert Habeck könnte es sich jetzt einfach machen und den grünen Standardvortrag halten. Erklären, dass der Atomausstieg nun mal den Bau von Windrädern erfordere. Doch Habeck, 47 Jahre alt, Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, fängt an diesem Abend in einem Landgasthof bei Kiel ausgerechnet mit dem Infraschall an. Und vielleicht ist genau das sein Geheimnis.
In den vergangenen Wochen ist Habeck zum heimlichen Hoffnungsträger seiner Partei geworden. Nur heimlich, weil er ganz knapp eben doch nicht Spitzenkandidat für die Bundestagswahl wurde und nach Schleswig-Holstein zurückkehrte. Während die Grünen im Bund in den Umfragen auf Werte zwischen sechs und acht Prozent absacken, kann Habeck kurz vor der Landtagswahl auf stabile zwölf Prozent verweisen. Und manch einer will glauben, dass ein gutes Ergebnis im Norden den Bundestrend drehen kann. Habeck auch.
Rund 500 Kilometer von Kiel entfernt sieht die grüne Welt ganz anders aus. Hier kämpft Sylvia Löhrmann um ihr politisches Überleben. Löhrmann, 60 Jahre alt, ist seit sieben Jahren Schulministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Gerade ist sie in Düsseldorf-Unterbilk unterwegs, auf einem Bauernmarkt verteilt sie Flugblätter. Es ist erst ein paar Tage her, dass sie gewarnt hat: „Es kann auch unter fünf Prozent gehen.“
Warum nur stehen die Grünen im Norden so viel besser da als ihre Parteifreunde im Westen?
Die Suche nach einer Antwort führt zurück in den Landgasthof in der Nähe von Kiel. Der SPD-Landeschef hat Habeck zu einem öffentlichen Zwiegespräch eingeladen. Ein Format, das dem Philosophen und Schriftsteller liegt.
Respekt bei Bauern, Fischern und Jägern
Mit seiner Frau hat Habeck früher Romane geschrieben, sie teilten sich das Schreiben und die Zeit für ihre vier Söhne. Erst in den letzten Jahren ist die Politik allmählich zum Hauptberuf geworden. Aber er hat nicht vergessen, wie man Geschichten erzählt. An diesem Abend erklärt er im Plauderton, wie er politisch wurde, nämlich „als Tschernobyl in meine behütete Teenager-Welt eindrang“; und dass er dann zu den Grünen kam, in denen er sich wiedererkannte.
Doch es geht auch darum, wie die Grünen in Schleswig-Holstein Politik machen. Mehr als 2900 Windräder gibt es hier, weitere 300 Anlagen sind genehmigt. Als Habeck nach dem geplanten Ausbau gefragt wird, greift er als erstes ausgerechnet ein Argument von Windkraft-Gegnern auf. „Man muss ernst nehmen, wenn Leute sagen, ich kann nicht mehr schlafen“, sagt er.
Natürlich weiß er, dass man solche Einwände entkräften könnte durch den Verweis, dass die tiefen Infraschall-Frequenzen für den Menschen nicht hörbar seien. Doch er zeigt Verständnis: „Auch subjektive Angst ist eine eigene Wahrheit“, sagt er. Wer den Menschen Windräder vor die Tür stellen wolle, müsse bereit sein, über die Kriterien dafür zu diskutieren und eine Einigung herbeiführen.
Es ist ein Beispiel, das typisch ist für sein Verständnis von Politik. Man müsse Leuten, die eine andere Meinung hätten, nicht immer Recht geben, sagt Habeck. Aber man dürfe sie auch nicht zu Idioten abstempeln. Bei den Bauern, Fischern und Jägern – keine natürlichen Verbündeten seiner Politik – hat er sich damit Respekt erworben. Denn er redet nicht nur, sondern ...
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