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Sharon und Anne mit ihrem Sohn Mathias.
© Sven Darmer

Vergessene Lesben bei der Ehe für alle: Zwei Mütter, ein Baby und viele Hürden

Bei der Ehe für alle vergessen: Kinder, die bei Lesbenpaaren zur Welt kommen, müssen weiter von der Mit-Mutter adoptiert werden. Eine Neuköllner Familie berichtet von ihren Erfahrungen.

Anne und Sharon S. haben ihre Elternschaft lange geplant. „Es ist ja nicht so, dass wir versehentlich schwanger werden“, lacht Anne. Doch nach der Geburt musste eine der Mütter den gemeinsamen Sohn Mathias adoptieren – und das obwohl Sharon und Anne verheiratet sind.

„Wir wussten nicht, ob es einige Monate oder vielleicht sogar Jahre dauern wird“, erzählt Sharon. Bei Hetero-Ehepaaren wird der Mann automatisch zum Kindesvater. Somit hat ein Kind in einer heterosexuellen Ehe von Geburt an ein Elternpaar. Bei lesbischen Paaren dagegen ist zunächst nur diejenige, die das Kind zur Welt bringt, Mutter. Die andere muss sich ihren legalen Status per Stiefkindadoption erkämpfen. Konkret bedeutet das: Gesundheitstests für die Annehmende und das Kind, Treffen mit dem Jugendamt, Behördengänge. Und das in einer Zeit, die ohnehin eine Belastungsprobe ist.

Der Prozess ist zeitaufwendig. Schon während der Schwangerschaft leitete das Neuköllner Paar die Adoption ein. Vor einem Notar äußerte die leibliche Mutter den Wunsch nach der Adoption des Kindes durch ihre Partnerin. Und der Samenspender – ein Freund von Freunden – gab an, dass er zwar Mathias’ biologischer Vater sei, aber keinen Anspruch auf seinen Sohn anmelde.

Das Jugendamt muss zustimmen, dann ein Gericht

Diese Erklärungen sind nicht rechtlich bindend. Sie können aber in einem möglichen Rechtsstreit berücksichtigt werden. Etwa wenn der Samenspender seine Meinung ändert und vor Gericht zieht. Von solchen Fällen hörte das Paar immer wieder. Die Vereinbarung zwischen Sharon, Anne und dem Kindesvater hat zum Glück Bestand. Letzterer wird Papa genannt – und ist seit der Geburt jede Woche zu Besuch. Das gefällt auch dem Jugendamt, berichten Anne und Sharon. Der Sachbearbeiter gab seine Zustimmung zur Adoption, im Anschluss stimmte auch der Richter zu. Bis das Urteil rechtskräftig war, dauerte es dann noch einmal Wochen. Erst dann wurde eine neue Geburtsurkunde ausgestellt. Sieben Monate dauerte es, bis beide Mütter als Elternteil anerkannt waren.

„Bei uns hat es letztlich gut geklappt“, konstatiert Anne. Doch monatelang brachte der ungeklärte Status existenzielle Unsicherheit mit sich. Was, wenn die biologische Mutter verunglückt? Und die andere nicht nur ihre Partnerin, sondern auch den gemeinsamen Sohn verliert? Kurz nach der Geburt erkrankte Mathias und musste drei Wochen im Krankenhaus verbringen. Dort wurde dem Paar Verständnis entgegengebracht, beide durften an der Seite des Jungen bleiben. Dabei hatte aus rechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt eine von ihnen noch keine Entscheidungsgewalt über das Schicksal ihres Sohnes. „Du hast ein Kind, das du liebst und für das du sorgst, doch rechtlich bist du ohne Adoption niemand“, sagt Anne. Eine große Belastung für die Familie.

Die Grünen wollen das Abstammungsrecht reformieren

Die Gesetzeslage sollte sich möglichst schnell ändern, fordert sie. Das sehen auch viele Familienrechtler*innen so: vom deutschen Juristentag bis zum Arbeitskreis Abstammungsrecht des Justizministeriums. Sie empfehlen, dass die zweite Elternstelle in einer rechtlich gesicherten lesbischen Beziehung auch ohne Adoption von einer „Mit-Mutter“ besetzt wird. Eine klare Verantwortlichkeit sei im Sinne des Kinderwohles. Auch die Grünen wollen das Abstammungsrecht reformieren. „Die aktuelle Rechtslage diskriminiert Kinder, die in gleichgeschlechtliche Ehen oder Partnerschaften hineingeboren werden“, erklärt Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws, mitverantwortlich für den im Juni eingereichten Gesetzesentwurf. Sie betont die fehlende Rechtssicherheit auf einen zweiten Elternteil – und zwar von Geburt an.

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Die Chancen darauf, dass der Antrag bei einer parlamentarischen Anhörung durchkommt, sind gering. Zwar befürworten FDP, Grüne, Linke und viele aus der SPD eine Reform. Wenn es hart auf hart kommt, werden die SPD-Abgeordneten aber wohl mehrheitlich gegen eine Änderung stimmen. Denn für homo-freundliche Regelungen wird die SPD es wohl nicht riskieren, die Union zu brüskieren. Sie strebt keine Gesetzesänderung an.

Beratung beim Regenbogenfamilienzentrum

Diese Politik kostet die Betroffenen Kraft und Ressourcen. Die nötigen Dokumente müssen beglaubigt werden. Organisatorisches Know-how ist gefordert, um die vielen bürokratischen Hürden zu überwinden. Und sie belastet emotional: Die Normalität einer Liebe, Familie und Lebensform wird infrage gestellt. „Geholfen haben uns die Beratung und die Gruppen beim Regenbogenfamilienzentrum“, berichtet Anne. Es sei wichtig gewesen, zu sehen, „dass wir ganz normal sind“. Wenn es nach ihr ginge, sollte die Anerkennung der Vielfalt von Familienmodellen nicht bei lesbischen Paaren aufhören. „Gut wäre, wenn es mehr als zwei Eltern geben kann“, sagt Anne. Denn gemäß der aktuellen Gesetzeslage muss immer irgendjemand – in diesem Fall der Kindesvater – auf seine elterlichen Rechte und Pflichten verzichten.

Anders in den kanadischen Bundesstaaten British Columbia und Ontario: Dort können bei der Geburt bis zu vier Elternteile eingetragen werden. Auch die Grünen haben ein Konzept für Co-Elternschaft entwickelt. „In einem zweiten Schritt wollen wir ein modernes Familienrecht gestalten, das zu den Bedürfnissen und der Vielfalt von Familien passt“, sagt Schauws. Sie fordert Lösungen dafür, wie elterliche Mitverantwortung realisiert werden kann, Regelungen für soziale Elternschaft und für schwule Männer, die väterliche Sorge übernehmen.

Anne, Sharon und Mathias hatten Glück – bis jetzt. Denn das Paar hätte gerne noch ein zweites Kind. Und falls sich an der Gesetzeslage bis dahin nichts ändert, wird für sie dann alles von vorne losgehen, fürchtet Anne: „Es kann sein, dass wir einen neuen Sachbearbeiter, einen neuen Richter haben. Das ist doch verrückt.“

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