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Zwischen den klassischen Geschlechtern. Nicht allen Feministinnen gefällt der Genderstern.
© imago/Steinach

Das Queer-Lexikon: Was soll das Gendersternchen?

In den Duden darf es nicht, aber es wurde "Anglizismus des Jahres": Was es mit dem Genderstern auf sich hat, erklärt eine neue Folge unseres Queer-Lexikons.

Das Gendersternchen, seltener auch Genderstern genannt, soll im Deutschen bei Personenbezeichnungen zugleich Männer und Frauen, aber zusätzlich auch alle anderen Geschlechteridentitäten bezeichnen. Das typografische Zeichen ist der Computersprache entlehnt, wo es als Platzhalter für eine beliebige Zahl von Buchstaben fungiert. Eingefügt wird es im Deutschen zwischen den Wortstamm und die weibliche Endung einer Personenbezeichnung („Kolleg*innen“) oder zwischen männliche und weibliche Endung („Verkäufer*in“).

In Anreden („Lieb* Chris Schmidt“, Sehr geehrt* Chris Schmidt“) soll es die Zuordnung der adressierten Person zu einem der beiden klassischen Geschlechter Mann oder Frau vermeiden. Auch angehängt an Personenbezeichnungen wie „Frauen*“ oder „Lesbe*“ sowie an Adjektive wie „schwul*“ zielt es darauf, eine möglicherweise enge Auslegung der Begriffe zu verhindern und auf die Fülle der mitgemeinten Identitäten zu verweisen. In der gesprochenen Sprache wird es durch eine kurze Unterbrechung ausgedrückt: „Kolleg-innen“.

"Ein eigener Ort bleibt uns verwehrt!"

Entsprechendes gilt für das Gendergap (das englische Wort gap bedeutet Lücke), das als Unterstrich in Personenbezeichnungen eingefügt wird: „Sänger_in“. Während der Ursprung des Gendersterns im Dunkeln liegt, wird die Erfindung des Gendergaps dem_der Sozialphilosph_in Steffen Kitty Herrmann zugeschrieben.

Herrmann kritisierte im Jahr 2003 in einem Beitrag für die Zeitschrift „arranca!“, die deutsche Sprache kenne nur die weibliche und die männliche Form, was „die Illusion zweier sauber geschiedener Geschlechter aufrecht“ erhalte: Alle, „die sich nicht unter die beiden Pole hegemonialer Geschlechtlichkeit subsumieren lassen wollen und können, werden entweder aus diesem Repräsentationssystem ausgeschlossen oder von ihm vereinnahmt – ein eigener Ort bleibt uns verwehrt“, schrieb Herrmann. Der Unterstrich solle „als Verräumlichung des Unsichtbaren“ eben jenen Platz in der binären Geschlechterordnung markieren, den die Sprache nicht zulässt, den Platz der von der Geschlechterordnung abweichenden „Transgender-people und Gender-Outlaws“, wie Herrmann formuliert.

Das Queer-ABC* des Queerspiegels erklärte Begriffe rund um die Geschlechter - alle Beiträge finden Sie hier.
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© /Tsp

Auch wenn das Gendergap wohl zuerst da war, hat das Gendersternchen in der Verbreitung ihm inzwischen den Rang abgelaufen. Die Grünen beschlossen schon im Jahr 2015 auf ihrem Parteitag, es in ihren Schriften durchgängig anzuwenden. Inzwischen ist es auch in Texten jenseits explizit „linker“ oder queerer Zusammenhänge zu sehen - so, wenn die Diakonie in einer Stellenanzeige einen/eine „Sprecher*in“ sucht oder in Pressemitteilungen wissenschaftlicher Einrichtungen.

Manchen Feministinnen sehen darin einen sprachlichen Rückschritt

Zugleich steht das Gendersternchen in der Kritik. Manche fühlen sich davon im Lese- oder Sprachfluss behindert. Einige Feministinnen betrachten es für die Sache der Frau als sprachlichen Rückschritt. Alice Schwarzer erklärt in der „Emma“, Gendersternchen oder Gendergap würden nur neue Geschlechterschubladen aufmachen, „der urfeministische Gedanke der Menschwerdung von Frauen und Männern“ scheine „vor lauter Gendern auf der Strecke geblieben zu sein“.

Selbst Manuela Kay, die Chefin der queeren Magazine „Siegessäule“ und „lmag“ erklärte schon vor ein paar Jahren in der „taz“: „Ich habe als Butch, Lesbe und Feministin jahrelang dafür gekämpft, als Frau ernst genommen zu werden. Ich will nicht in irgendeine Lücke oder in einen Stern gequetscht werden.“ In explizit konservativen Kreisen ist der Stern bislang als „Sprachverhunzung“ mit dem Ziel übertriebener politischer Korrektheit ohnehin verpönt.

Vom Rechtschreibrat bekam das Gendersternchen keinen Segen

Besonders viel Beachtung fand das Gendersternchen im Jahr 2018. Der Rat für deutsche Rechtschreibung diskutierte, ob es in die amtliche Rechtschreibung aufgenommen oder in der öffentlichen Verwaltung zumindest toleriert werden sollte. Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert hatte, ein drittes Geschlecht im Personenstandsrecht anzuerkennen, war der Rat mit 200 Anfragen aus der öffentlichen Verwaltung konfrontiert worden – zuerst von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz. Doch im November teilte der Rat mit, sich zu dem kontroversen und noch im Fluss befindlichen Thema nicht äußern zu wollen – das Gendersternchen erhält also erstmal keinen amtlichen Segen.

Dafür wurde das Wort „Gendersternchen“ im Januar 2019 zum „Anglizismus des Jahres 2018“ gewählt.  Eine Jury rund um den Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin würdigte den Begriff als „klare Bereicherung des deutschen Wortschatzes“.

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Anja Kühne

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