Das Queer-Lexikon: Was bedeutet FLINTA*?
Immer häufiger liest man bei Veranstaltungen „FLINTA* Only“. Doch wer ist mit FLINTA*-Personen gemeint und warum brauchen sie eigene Räume?
Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen – also für all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. Der Begriff FLINTA* wird oftmals verwendet, um deutlich zu machen, wer in bestimmten Räumen und bei bestimmten Veranstaltungen willkommen ist.
Mit Frauen sind meist cis hetero Frauen gemeint, also Frauen deren biologisches Geschlecht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt.
Obwohl Lesbischsein gemeinhin als sexuelle Orientierung und nicht als Geschlechtsidentität gilt, wurde der Begriff in die Abkürzung aufgenommen, um feministische Errungenschaften sichtbar zu machen, die zum großen Teil der Lesbenbewegung zu verdanken sind. Außerdem soll kritisiert werden, dass in der heteronormativen Gesellschaft häufig davon ausgegangen wird, Sex und Liebesbeziehungen mit cis Männern sei ein fester Bestandteil von Weiblichkeit.
Intersexuelle Menschen haben angeborene Geschlechtsmerkmale, die von der herrschenden gesellschaftlichen und medizinischen Norm nicht als eindeutig akzeptiert werden, die also nicht in die Kategorien männlich oder weiblich passen, sei es genetisch, hormonell und oder anatomisch.
Als nicht-binär bezeichnen sich Menschen, die sich nicht (nur) mit einem der beiden vermeintlich biologischen Geschlechtern identifizieren. Sie können sich zum Beispiel zwischen diesen beiden Geschlechtern verorten, außerhalb davon, oder fluid in ihrer Geschlechtsidentität sein.
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Trans Menschen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, in dem sie bislang gelebt haben und möchten körperlich und sozial im anderen von zwei Geschlechtern leben.
Agender Personen wiederum, manche nutzen auch die Selbstbezeichnung genderless, fühlen sich keinem Geschlecht zugehörig und lehnen das Konzept von Geschlecht teilweise komplett ab. Agendersein ist eine spezifische Ausprägung von Nicht-Binärität, weshalb manchmal auch die Abkürzung FLINT* verwendet wird, wobei agender Personen sich entweder dem N oder dem Sternchen zuordnen können.
Das Gendersternchen soll jene Personen inkludieren, die sich in keinem der Buchstaben wiederfinden, aber ebenfalls aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in einer patriarchalen heteronormativen Mehrheitsgesellschaft marginalisiert werden. Sprich alle, die kein cis Mann sind - auch schwule oder bisexuelle cis Männer gehören daher nicht zu dieser Gruppe.
FLINTA*-Räume – Safe Space und Ermächtigungsraum
Immer häufiger liest man bei Veranstaltungsbeschreibungen „FLINTA* Only“, cis Männer sind also nicht erwünscht. Diese Räume sollen den betreffenden Personen die Möglichkeit geben, über ihre Marginalisierungserfahrungen zu sprechen, sich miteinander zu solidarisieren und keine Angst vor Diskriminierung durch cis Männer haben zu müssen. Sie sind Schutzraum und Ort des Empowerments in einem.
Die Frage, wer in diesen Räumen willkommen ist oder wer nicht, wurde bereits häufiger diskutiert. Die Frage, ob Schutzräume generell eine gute Idee sind, übrigens auch. Häufig argumentieren cis Männer, die FLINTA*-Räume ablehnen, dass diese Räume gegen das Prinzip der Gleichberechtigung verstoßen und Männer diskriminieren würden.
Aber auch Angehörige verschiedener Feminismusströmungen, beispielsweise des cis Feminismus oder des trans exkludierenden Feminismus, sogenannte Terfs, stören sich an diesen Räumen. Ein häufiges Argument: INTA*-Personen würden in Schutzräume für Frauen eindringen und „echten“ Frauen ihre Sichtbarkeit streitig machen. Das biologische Geschlecht und die Geschlechtsidentität sind nach Ansicht dieser Feminist*innen nicht zu trennen.
Gerade trans Personen und männliche gelesene inter, nicht-binäre und agender Personen können deswegen manchmal schwer abschätzen, ob sie bei „FLINTA* Only“-Räumen willkommen sind oder im vermeintlichen Schutzraum mit Ablehnung rechnen müssen. Um INTA*-Personen vor der Diskriminierung durch cis Frauen zu schützen, werden seit neuestem auch spezifische Räume und Veranstaltungen nur für diese Gruppen angeboten.
Kritik an eindimensionalen Frauenverständnis
Bestrebungen, feministische Bewegungen inklusiver zu machen gibt es bereits seit über vierzig Jahren. Frühere feministischen Bewegung machten vor allem die Situation von cis Frauen sichtbar und kämpften für mehr Gleichberechtigung spezifisch für diese Frauen. Durch die erhöhte Sichtbarkeit der Lesbenbewegung und das Aufkommen queerfeministischer Diskurse in den 1980er Jahren wurde jedoch deutlich, dass der Begriff „Frau“ nicht alle Menschen umfasst, die durch das Patriarchat unterdrückt werden, und nicht allen Marginalisierungserfahrungen gerecht werden kann. Daraufhin entwickelten sich Schreibweisen wie Frauen* oder FrauenLesben als Kritik an diesem eindimensionalen Frauenverständnis.
Zur gleichen Zeit wurden dekonstruktivistische Theorien, die Geschlechtsidentität von biologischem Geschlecht unterschieden und Geschlecht und Heteronormativität als gesellschaftlich konstruiert benennen, immer publiker. Eine der wichtigsten Vertreter*innen dieses Theorieansatzes und gleichzeitig eine der Wegweiser*innen der Queer Theorie ist Judith Butler. Butler stellte die binäre Geschlechterordnung radikal in Frage, beschrieb sowohl das biologische Geschlecht als auch die Geschlechtsidentität als gesellschaftliches Konstrukt und betonte die Vielfältigkeit und Veränderbarkeit von Geschlecht.
Durch diesen Wandel des Geschlechterverständnisses wurden auch gesellschaftliche Bewegungen inklusiver, und inter, trans, nicht-binäre und agender Personen wurden in feministischen Kämpfen sichtbarer. Begriffe wie Frauen* und FrauenLesben wurden um Geschlechtsidentitäten ergänzt und Kürzel wie FLIT, FLTI oder FLTI* setzten sich durch. Um das Jahr 2017 herum entstand schließlich die Abkürzungen FLINT* und FLINTA*, welche mittlerweile am gebräuchlichsten sind.
Das gesamte Queer-Lexikon finden Sie hier. Wir ergänzen es in lockerer Folge. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an: queer@tagesspiegel.de.
Jasmin Ehbauer
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