zum Hauptinhalt
Das Gesicht wird bei der Registrierung auf Giggle gescannt (Symbolbild).
© gettyimages

Transfeindlichkeit auf Frauen-App: Giggle: Frauen only, aber bitte keine trans Frauen

Die App Giggle soll Frauen weltweit vernetzen. Männer sind nicht willkommen, trans Frauen ebenfalls nicht. Nun stehen App und Gründerin in der Kritik.

Die australische App Giggle und deren Gründerin Sall Grover werden schon seit dem Start der App im Frühjahr 2020 kritisiert. Die nur für Frauen zugängliche App sei transfeindlich und diskriminierend. Im Januar wurde in verschiedenen englischsprachigen Medien erneut über die App berichtet. Der Auslöser: Grover gab der amerikanischen Nachrichtenportal "Business Insider" gegenüber an, trans Frauen nun offiziell aus der App auszuschließen. Grovers Begründung: Giggle sei für ´females´ gedacht, nicht für Männer, die behaupten, sich als Frauen zu identifizieren.

Grover selbst sieht sich als Feministin, möchte mit Giggle einen Safe Space für Frauen und „für die Entwicklung und den Schutz des weiblichen Selbstbewusstseins“ schaffen, wie es auf der Webseite der App heißt. „Giggle ist ein soziales Netzwerk, das dir die Freiheit gibt, du selbst zu sein …“. Sieht man sich Grovers Twitter-Account an, wird schnell klar: Die Freiheit, man selbst zu sein, hört für Grover anscheinend dort auf, wo Transidentität beginnt.

Algorithmus zur Gesichtserkennung stuft trans Frauen und Frauen of Color häufig als Männer ein

Die Giggle-Gründerin beschwert sich unter anderem über das angeblich Eindringen von "männlichen Perversen" in weibliche Räume und spricht von "womens sex-based rights". Mit solchen Aussagen bewegt sie sich auf dem Terrain für das sich zuletzt der Begriff der Trans-Exclusionary Radical Feminists, kurz Terfs, eingebürgert hat. Eine Fremdbeschreibung für Menschen mit transfeindlichen Ansichten. Für Terfs existieren nur zwei Geschlechter, die biologisch festgelegt und unveränderbar sind.

Kritik an dem sozialen Netzwerk, insbesondere an dem Registrierungsvorgang, wurde bereits kurz nach dem Start der App im Frühjahr 2020 laut. Um sich bei Giggle anmelden zu können, müssen Nutzer*innen ein Selfie von sich hochladen. Ein Algorithmus zur Gesichtserkennung überprüft dann, ob es sich um eine Frau handelt, indem er die Gesichtsproportionen misst. Sollte die Überprüfung fehlschlagen, kann ein neues Selfie hochgeladen werden.

Mehrere trans Frauen gaben seither an, dass die App auch nach mehrmaligen Versuchen ihr Gesicht nicht als weiblich erkannt hat. Das gleiche Problem haben "Business Insider" zufolge auch Frauen of Color. Eine trans Frau twitterte im Dezember Bilder von negativen Bewertungen, in denen es hieß, der Giggle-Algorithmus suche nach eurozentristischen Gesichtszügen und filtere neben trans Frauen auch cis Frauen heraus, die nicht feminin genug aussehen.

[Mehr Neuigkeiten aus der queeren Welt gibt es im Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel, der zweimal im Monat erscheint - hier geht es zur Anmeldung.]

Ob Algorithmen zur Gesichtserkennung in der Lage sind, das Geschlecht oder andere biometrische Parameter einer Person korrekt zu bestimmen, ist fragwürdig. Mehrere Studien, unter anderem von dem M.I.T Media Lab und der Amerikanischen Bürgerrechtsunion, haben gezeigt, dass vor allem die Gesichter schwarzer Frauen häufig nicht richtig erkannt werden – und sie fälschlicherweise als Männer eingestuft werden.

Auch bei trans Frauen kommt es oftmals zu Fehlern. Dies liegt daran, dass die Datensätze, auf die Algorithmen zurückgreifen, vor allem Bilder weißer cis Menschen beinhalten. Die Software des Herstellers Kairos, die Giggle verwendet, habe einer Studie des M.I.T. Media Labs von 2019 zufolge eine Fehlerquote von 22,5 Prozent.

Sall Grover stritt in einer E-Mail an "Business Insider" ab, dass die Gesichtserkennungssoftware auch Frauen of Color an der Anmeldung hindert. Frauen jeder Ethnizität seien nicht nur auf Giggle willkommen, sondern bereits Teil davon. Auf Nachfragen des britischen Onlinemagazins "PinkNews", ob trans Frauen ebenfalls auf Giggle willkommen wären und ob Grover trans Frauen als Frauen anerkenne, antwortete Grover: „Giggle ist ein soziales Netzwerk für Frauen. Es wäre schön, wenn männliche Personen weibliche Räume respektieren und sie in Ruhe lassen würden.“

Solidarität mit der Bestsellerautorin J.K. Rowling

Bezeichnend ist auch, dass Grover, die J.K. Rowling auf Twitter in Schutz nahm als diese wegen transfeindlicher Aussagen in der Kritik stand, durchgehend das englische Wort ´females´ statt ´women´ verwendet. Denn das englische Wort ´female´ verweist stärker auf das biologische Geschlecht und das Vorhandensein biologischer Fortpflanzungsorgane als das Wort ´women´ - und schließt trans Frauen aus. Die Verwendung des Begriffs sei beabsichtigt, teilte Grover "Business Insider" mit, denn das Wort ´women´ sei so stark vereinnahmt worden, eine Klarstellung sei deshalb notwendig.

Transfeindliche Einstellungen scheinen über die Gesichtserkennung hinaus auch in die App hineinzureichen. Jenny, eine trans Frau, die sich in der App anmelden konnte, erzählte "Business Insider", dass in Plattformbeiträgen „auf herabsetzende Weise“ über trans Frauen gesprochen wurden. Als sie im Dezember 2021 in einem Tweet auf die Transfeindlichkeit bei Giggle aufmerksam machte, habe eine andere Nutzerin in einem nicht mehr einsehbaren Kommentar geantwortet, dass Jenny durch die Nutzung der App „die Grenzen von Frauen überschreiten“ würde und Grover markiert. Kurz darauf habe Jennys App nicht mehr funktioniert.

Jasmin Ehbauer

Zur Startseite