Austausch queerer Sportvereine: „Traditionelle Geschlechterbilder werden im Sport immer noch befördert“
Bei der BundesNetzwerkTagung kommen jährlich queere Sportvereine aus Deutschland zusammen. Das Format findet diesmal virtuell statt. Ein Interview.
Auch in diesem Jahr tauschen sich queere deutsche Sportvereine über Diskriminierung im organisierten Sport und Förderung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt aus. Kirsten Witte-Abe (42) von der Stabsstelle Verbandsentwicklung des Deutschen Olympischen Sportbundes und Benjamin Csonka (34), der als Projekteiter bei Vorspiel SSL Berlin e.V. tätig ist, berichten, worum es dabei geht.
Frau Witte-Abe, Herr Csonka, im Rahmen der BundesNetzwerkTagung der queeren Sportvereine (BuNT) kommen seit 2018 jährlich queere Sportvereine aus Deutschland zusammen. Worum geht es dabei?
Witte-Abe: In erster Linie geht es darum, die Anliegen des queeren Sports sichtbar zu machen und darüber zu informieren. Außerdem soll für das Thema sensibilisiert werden und ein Netzwerk aus unterschiedlichen Sportstrukturen entstehen. Dieses Format ist bislang einzigartig und findet in diesem Jahr virtuell statt. Alle Interessierten im organisierten Sport sind eingeladen, daran teilzunehmen.
Was erhoffen Sie sich von der Tagung und welche Ziele gibt es?
Witte-Abe: Ein zentrales Anliegen war es, die Tagung trotz der aktuellen Bedingungen stattfinden zu lassen, denn wir wollten dem Thema und dem Netzwerk unbedingt und gerade in dieser Zeit Raum und eine Plattform geben. Gerade in der Coronazeit besteht die Gefahr, dass der Zusammenhalt zerbricht. Die Bedingungen, unter denen die Vereine aktuell agieren, sind extrem schwer. Gewisse Zielgruppen werden dadurch noch schwerer erreicht
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Csonka: Wir hoffen außerdem, dass wir mit der digitalen Variante noch mehr Menschen erreichen, die sich mit dem organisierten Sport verbunden fühlen und das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt einbringen wollen.
Woran liegt es, dass vor allem queere Personen im Sport diskriminiert und ausgeschlossen werden?
Csonka: Die Diskriminierungskategorien sexuelle und geschlechtliche Identität sind noch nicht im Sport angekommen, das heißt es fehlt an Sensibilisierung für das Thema. Queere Personen werden im heteronormativen binären System des organisierten Sports häufig nicht mitgedacht und passen für viele Menschen nicht ins Bild.
Witte-Abe: Genau. Bestimmte traditionelle Geschlechterbilder sind bis heute vorherrschend und werden besonders im Sport auch immer noch befördert. Es ist eine große Hürde, diese Bilder aufzubrechen, aber wir sind auf einem guten Weg.
Worin äußert sich die Diskriminierung beispielsweise?
Csonka: Zum einen werden queere Personen strukturell diskriminiert. Wenn eine Person sich weder in „männlich“ oder „weiblich“ kategorisieren lässt, dann wird sie vom Wettkampf ausgeschlossen. Außerdem gibt es verbale Diskriminierung, indem der Pass als „schwul“ bezeichnet wird, und natürlich gibt es auch Beschimpfungen oder gewaltvolle Übergriffe.
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Witte-Abe: Ja, man kann sagen, dass verbale Diskriminierung im Sport – wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen - weit verbreitet ist und es an Sensibilisierung mangelt. Das kann und muss unterbunden werden, aber dafür braucht es erst einmal Personen, die das wagen und sich dafür verantwortlich fühlen.
Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach nötig, um diskriminierende Ausschlüsse im Sport abzubauen?
Witte-Abe: Zum einen sollten gesellschaftliche Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen eingebunden werden, denn der Sport kann das nicht alleine bewältigen. Außerdem braucht es unter anderem Ansprechpersonen für queere Belange und auf struktureller Ebene müssten konsequent Antidiskriminierungsmaßnahmen etabliert werden. Auch Infrastruktur ist ein wichtiges Thema: Es braucht sichere Orte an denen LSBTI*- Personen sich wohlfühlen. Umkleiden und Duschräume sind da bekannte Beispiele.
Inwiefern wäre es denn trotz der zweigeschlechtlichen Teamaufteilung möglich, Leistungssport inklusiv und diskriminierungsfrei zu gestalten?
Csonka: Genau über dieses schwierige Thema haben wir gestern bei der Podiumsdiskussion zur Eröffnung der diesjährigen BuNT diskutiert und es wurde geäußert, dass der Sport nie komplett chancengleich sein werde. Das bringt es wohl auf den Punkt und wir müssen deshalb gemeinsam daran arbeiten, ihn so chancengleich wie nur möglich zu gestalten.
Witte-Abe: Das unterstütze ich. Zugleich ist es wichtig, das verbands- und sportartenspezifisch anzugehen. Es ist wichtig, darüber zu sprechen und den eigenen Horizont zu erweitern. Diese Gespräche dürfen nicht zu Lasten von queeren Personen geführt werden, sondern mit ihnen gemeinsam.
Welche Bedeutung kommt den Sportverbänden zu, wenn es darum geht, Strukturen für queere Belange zu etablieren?
Witte-Abe: Eine ganz zentrale- sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Sie haben eine wichtige Rolle bei der Umsetzung und sie sind in der Verantwortung, das Thema anzunehmen, queere Belange zu unterstützen und Flagge zu zeigen.
Csonka: Genau, es ist wichtig, dass die Verbände sich positionieren und zum Gespräch einladen. Genau das ist auch der Gedanke hinter unserem Netzwerk: Wir wollen offen sein für Fragen und Beratungen. Fordern ist das eine, aber wir möchten ihnen auch unterstützend unter die Arme greifen.
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