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Flüchtlinge warten vor dem Lageso
© REUTERS

Flüchtlinge in Berlin: Homosexuelle beklagen Mobbing und Gewalt in Heimen

"Du hast die göttliche Schöpfung verleumdet": Unter den Flüchtlingen in Berlin sind Homo- und Transsexuelle. Sie berichten von Schlägen und Diskriminierung – und von schlechten Erfahrungen auch am Lageso.

Der 26-Jährige meldete sich am Montag um 21.30 Uhr im Polizeiabschnitt 23. Ein Flüchtling, seine derzeitige Adresse: Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne, Spandau. Er sei geschlagen worden, gab er zu Protokoll, mehrmals sei eine Faust in seinem Gesicht gelandet, nächste Eskalationsstufe nach einem heftigen verbalen Streit im Heim. Auslöser: die sexuelle Orientierung des 26-Jährigen. Die Polizei nahm die Personalien des mutmaßlichen Schlägers auf, auch ein Flüchtling, 27 Jahre alt.

In Schöneberg sitzt Ismail Khalid (Name geändert) in einem Büro des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), die Hände auf dem Tisch verschränkt. Schläge, Streit, Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung, er kennt solche Geschichten von Flüchtlingen. Er erlebt sie ja selber. Khalid trägt einen kurz geschorenen Vollbart, er hat pechschwarze Haare, seine arabischen Wurzeln sind sofort erkennbar. Der 24-Jährige erzählt von Erfahrungen mit Leuten aus dem arabischen Kulturkreis, er sagt: „Das sind keine guten Erfahrungen.“

Wachmann diffamiert Transsexuelle

Khalid begleitet seit Oktober ehrenamtlich homo- und transsexuelle Flüchtlinge zu Behördenterminen. Er übersetzt und gibt Ratschläge, das ist der unbedeutendere Teil seiner Arbeit. Den wichtigsten Part erkannte er mal wieder, als er eine attraktive Frau zur Außenstelle des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) begleitete, das für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist.

Dieser Part lautet: seelische Stütze in einer feindlichen Umgebung. Die Frau war geschminkt, die Lippen dezent nachgezogen, die Haare modisch frisiert, sie hatte erkennbar eine Oberweite. Nur die weichen, femininen Züge fehlten. Kein Wunder, die Geschlechtsangleichung ist ja noch nicht beendet.

",Das' gilt nicht mehr als Krankheit"

Die Frau hatte einen Termin bei einer Caritas-Mitarbeiterin. Doch am Eingang, sagt Khalid, habe ein deutscher Security-Mann die Frau voller Abscheu gemustert und ihn, Khalid, gefragt, weshalb er „das da“ begleite. Khalid zieht im Büro die Brauen hoch, die Stimme vibriert vor Empörung. „,Das da‘ hat er gesagt.“ Also: „das“ Frau. So „etwas“ benötige doch keine Begleitung. Der Mitarbeiter habe auch gesagt, weshalb nicht. Weil „das doch nicht mehr als Krankheit“ gelte. Der Wachmann meinte eine Geschlechtsangleichung. „Solche Aussagen kommen aber auch von arabischen Sicherheitsleuten“, sagt Khalid.

Im Amt selber habe eine Dolmetscherin, eigener Aussage nach Araberin, ihn, Khalid gefragt: „Wie kannst du so etwas helfen. Wie kannst du als Moslem das unterstützen?“ Das war dem Begleiter zu viel. „Da habe ich den Sachbearbeitern gesagt, ich würde jetzt übersetzen.“

Neben Khalid sitzt Jörg Steinert, der Geschäftsführer des LSVD. „Wir haben fünf ehrenamtliche Begleiter für homosexuelle und transsexuelle Flüchtlinge. Alle erzählen die gleichen Geschichten“, sagt er. Sie erzählten, dass Flüchtlinge in Heimen Transsexuelle fragten: „Was bist denn du für eine Süße.“ Übersetzt bedeute das: „Was bist denn du für eine Schlampe.“ Oder sie wollten wissen, in abfälligem Tonfall: „Warum hast du so etwas mit dir gemacht?“ Solche Reaktionen, sagt auch Khalid, „sind Standard“. Das gelte für homo- wie für transsexuelle Flüchtlinge.

"Du kannst gar nicht religiös sein"

Die größten seelischen Schmerzen löse aber der Vorwurf aus: „Du als so eine Person kannst gar nicht religiös sein. Du hast die göttliche Schöpfung verleumdet.“ Für die Betroffenen, sagt Khalid, hätten diese Sätze die Wirkung eines Faustschlags. „Im Arabischen ist eine Beleidigung auf religiöser Ebene sehr hart.“

Auch homosexuelle Flüchtlinge werden am Behördeneingang schnell erkannt. Denn deren Begleiter stellt sich als „Mitarbeiter des LSVD“ vor, damit er ins Amt darf. Das Wort „LSVD“, sagt Khalid, löse eine Reaktion aus. „Dann heißt es oft, du als Begleiter darfst nicht mit.“ Homo- und Transsexuelle erhalten immerhin einen konkreten Termin, zu dem sie erscheinen müssen. Damit wird ihnen langes Warten erspart. Oft finden die Termine bei der Caritas statt, sie fungiert als Zwischenstation zwischen Lageso und LSVD.

Vorwürfe sind schwer überprüfbar

Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, sagt: „Dem Lageso sind solche Vorkommnisse mit Sprachmittlern und Security-Personen nicht bekannt.“ Weiter gehende Fragen beantwortete das Lageso nicht. Für Steinert kommt Kneidings Antwort „nicht überraschend“. Denn beim Lageso gebe es „dafür keine zentrale Ansprechperson“.

Der LSVD gibt an Sachbearbeiter Informationen weiter über Flüchtlinge, die in den Heimen gemobbt oder attackiert werden. Für solche Fälle werden dann Lösungen gesucht. Der LSVD bringt auch selber betroffene Flüchtlinge in Privatwohnungen unter. Steinert hat „die Hoffnung, dass sich beim Lageso strukturell etwas ändert, dass homo- oder transsexuelle Flüchtlinge erst gar nicht in solche Massenunterkünfte gebracht werden“.

Aber wenn sie dort sind, kann’s gefährlich werden. Steinert hat von mehreren Vergewaltigungen gehört. Das sind heftige Vorwürfe, und es ist schwer, sie zu überprüfen. Steinerts Erfahrung nach schämen sich die Betroffenen, und sie berichten, wenn überhaupt, dann nur hier, im geschützten Raum des LSVD, über das, was ihnen angetan worden sei. Zur Polizei sei kaum einer gegangen. Das hat düstere Folgen. „Wir schätzen, dass die Dunkelziffer enorm ist.“

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