Queer weiß das (42): Gibt es keine wichtigeren Probleme als Unisex-WCs?
Eine neue Folge unserer Kolumne "Heteros fragen, Homos antworten". Diesmal geht es um Toiletten für alle Geschlechter.
Justizsenator Dirk Behrendt lässt als eine seiner ersten Amtshandlungen die Einrichtung von „Toiletten aller Geschlechter“ in öffentlichen Gebäuden prüfen. Hat Berlin denn etwa keine wichtigeren Probleme? - Brigitte, Mitte
Wichtigere Probleme lassen sich natürlich immer finden. Und auch queere Menschen freuen sich nicht über Dauerbaustellen und marode Schulen. Doch ein relativ kleines Projekt wie die Toiletten für alle Geschlechter zu realisieren, bedeutet ja nicht, dass der Senat seine sonstigen Aktivitäten einstellt. Wenn der Justizsenator in naher Zukunft kein anderes Koalitionsvorhaben – etwa eine bessere Personalausstattung der Gerichte und Vollzugsanstalten – angeht, kann er zu Recht kritisiert werden.
Sektiererische Klientelpolitik? Was für eine Übertreibung
Es ist jedoch eine Übertreibung, ihm schon jetzt aufgrund einer Machbarkeitsstudie falsche Prioritätensetzung und sektiererische Klientelpolitik zu Ungunsten des großen Ganzen vorzuwerfen. Behrendt, der auch für Antidiskriminierung zuständig ist, setzt lediglich fort, wozu das Abgeordnetenhaus den Senat schon vor einem Jahr einstimmig aufgefordert hat: die Einrichtung von Unisex-Toiletten in öffentlichen Gebäuden zu prüfen.
Es ist ein Angebot an eine Minderheit, ja, aber dieses Angebot tut doch niemandem weh und kann im Gegenzug dafür sorgen, dass Menschen eben keine missbilligenden Blicke oder Kommentare mehr erhalten.
schreibt NutzerIn sonofnyx
Daraufhin hatte die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen als erste ihre eigenen Toiletten umgestellt. Kosten pro WC-Anlage: 350 Euro. Berlin wird sich also nicht ruinieren durch weitere All-Gender-Toiletten. Dafür werden sich vor allem Transpersonen, intersexuelle und androgyne Menschen entspannen können, wenn sie in einem Amtsgebäude aufs Klo gehen. Sie müssen keine abschätzigen Blicke und Zurechtweisungen mehr befürchten, außerdem entfällt der Zwang, sich in ein binäres Gender-System einzusortieren, in dem sich viele Queere nicht wiederfinden.
All-Gender-Klo: Mehr eine architektonische als ideologische Frage
Dass das Abendland durch All-Gender-Toiletten nicht in Gefahr gerät, zeigt sich an einigen Orten Berlins, wo es sie schon gibt. Etwa in den Rathäusern von Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Mitunter werden – wie an der Alice-Salomon-Hochschule – nur einige WCs umgewidmet. Frauen können so weiter unter sich sein. Vorbildlich der Südblock in Kreuzberg: Vorne befinden sich Kabinen und Waschbecken, hinten die durch eine Sichtblende abgeteilten Pissoirs. Unaufgeregt laufen hier die Geschäfte. Das Gleiche gilt für das Studio Я des Maxim Gorki Theaters, das auch nur noch eine Toilette für alle hat.
Es handelt sich also mehr um eine architektonische als um eine ideologische Frage. Nach einer Umbau- und Gewöhnungsphase sind diese WCs nichts Besonderes mehr. Dass ihre Einrichtung so oft als Zeichen einer obsessiven Minderheitenpolitik gegeißelt wird, bläst die Sache unnötig auf. Als queerer Mensch fragt man sich da schon: Wer ist hier eigentlich besessen von der Frage, wer wo pinkelt?
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Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Sonnabendsbeilage Mehr Berlin.
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