Queer weiß das (38): Was finden Schwule an Sängerinnen wie Marianne Rosenberg?
Heteros fragen, Homos antworten. Dieses Mal geht es in unserer Kolumne um die angeblichen musikalischen Vorlieben schwuler Männer.
Warum stehen Schwule eigentlich auf Kitschtrullas wie Marianne Rosenberg? Oder ist das nur ein Klischee? Jens, Kreuzberg
Heteros mag es ebenso überraschen wie die Tatsache, dass nicht alle Schwulen Frisör werden wollen: Aber Homos sind, was den Musikgeschmack angeht, eine durchaus heterogene Gruppe. Unter ihnen gibt es welche, denen „Kitschtrullas“ wie zum Beispiel auch Barbra Streisand und Liza Minnelli Brechreiz verursachen. Umgekehrt soll es, hört man, auch ein bis zwei Nicht-Homos geben, die bei „Er gehört zu mir“ vollkommen ekstatisch werden.
Aber zugegeben: Es ist was dran, dass Schwule zu den größten Fans von Künstlerinnen wie Marianne Rosenberg gehören. Das liegt natürlich erst einmal an der Musik. Rosenbergs Songs sind auch 40 Jahre nach ihrer Entstehung noch 1a tanzbarer Discopop. Da sich queeres Leben häufig auf Partys oder in Clubs abspielt, passt das schon mal.
"I will survive" war eine Überlebenshymne in der Aids-Krise
Dazu kommen doppeldeutige Texte, die scheinbar nicht nur die Liebe zwischen Mann und Frau beschwören: „Du spürst sofort, ohne ein Wort, aha, was ich dir heute sagen will“, heißt es in „Lieder der Nacht“. Oder Songs bekommen durch Umdeutungen einen neuen Sinn. So wurde „I will survive“ von Gloria Gaynor zur Überlebenshymne in der Aids-Krise, obwohl es darin um das Ende einer Beziehung geht.
Das ist aber noch nicht alles: Schwule stehen – Heteros dürfen sich jetzt nochmal wundern – auf Frauen mit Sex-Appeal. Einen Tick übertrieben darf die Inszenierung wirken, aber nur nicht billig. Deshalb reicht die Verehrung von Adele, Madonna, Cher und Kylie Minogue bis zur Hollywood-Sauberfrau Doris Day, wobei deren Filme vor allem wegen des Sixties-Flitters geliebt werden. Kitsch fordert Schwule zum Ironisieren heraus, was bei nicht wenigen zur Lebenseinstellung gehört.
Die Diven haben viel für Homosexuelle getan
Lady Gaga, eine weitere Ikone, ist wiederum eine Meisterin darin, Grenzen zu überschreiten – wozu Homosexuelle in der heterodominierten Welt fast jeden Tag gezwungen sind. Und Marilyn Monroe wird auch deshalb besonders verehrt, weil sie ihr Leben lang um Anerkennung kämpfen musste, seelische Probleme hatte und ein tragisches Ende fand.
Doch ob gebrochen oder glamourös: Was zählt, ist auch die persönliche Haltung. Marianne Rosenberg sagt – anders als viele andere im deutschen Musikgeschäft – ihre Meinung zu politischen Themen. Sie ähnelt darin ihren US-Kolleginnen Madonna oder Barbra Streisand, die sich im Wahlkampf gegen Trump engagierten. Die meisten der Verehrten haben zudem viel für Homosexuelle getan. Und das lange, bevor es schick wurde, zur Aids-Gala zu gehen.
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Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Sonnabendsbeilage Mehr Berlin.
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