Youtube-Star Oguz Yilmaz: "Selbstinszenierung ist doch völlig normal"
Oguz Yilmaz war jahrelang Teil von Y-Titty. Die Videos des Comedy-Trios wurden milliardenfach geklickt. Heute berät der 24-Jährige Firmen in Sachen Social Media.
Angeblich bist Du so bekannt wie die Kanzlerin. Würdest Du Dich als Promi bezeichnen?
(Lacht) Als Ex-Boyband-Star. So wurden wir gesehen, obwohl wir uns das selbst nie so richtig eingestehen wollten. Aber wir haben Musik gemacht, Konzerte gegeben. Am bekanntesten waren wir für unsere Songparodien. Wie eine Band eben.
Wie bist Du damals in das Youtube-Geschäft hineingerutscht?
Los ging es eigentlich, als meine Y-Titty-Kollegen Philipp und Matthias für ihre "Twilight"-Parodie noch jemanden brauchten, der den Part des "Jacob" übernimmt. Das war dann eben ich. Und dann hat es einfach gepasst, wir sind alle drei dabei geblieben. Aber wenn man sich mal die Videos ansieht, merkt man, dass ich derjenige von uns dreien war, der am seltensten vor der Kamera stand. Das war mir nicht so wichtig. Ich habe oft nur gefilmt oder geschnitten.
Bist Du keine Rampensau?
Es macht mir schon Spaß, auf der Bühne zu stehen. Aber es muss nicht sein. Nicht, dass ich jetzt alles bereue – das zu behaupten, wäre Quatsch. Es ist ja auch noch alles online und ich stehe dazu. Aber irgendwann habe ich dann eben gesagt: "Es war schön, aber jetzt reicht’s."
Wie sah Euer Alltag aus?
Unstrukturiert. Wir haben zwar versucht, unserer Woche eine Art Rahmen zu geben: Freitag ab 16 Uhr war zum Beispiel unser "Frei-Titty-Tag", sozusagen unsere Deadline. Kurz vorher war quasi Redaktionsschluss, danach haben wir versucht, mal zu entspannen. Aber als Youtuber bist du rund um die Uhr im Einsatz. Du musst ja zum Beispiel noch twittern.
Du musst twittern?
Naja, das haben wir uns selbst auferlegt . Du musst twittern, weil die Leute mehr von dir hören wollen. Das ist eine simple Sache von Angebot und Nachfrage.
Was Du berichtest, klingt nach Stress. Viele stellen sich das Leben als Youtuber ziemlich locker vor. Nerven Dich solche Vorurteile?
Ja, mit solchen Argumenten wurde ich oft konfrontiert. Viele stellen sich das so simpel vor: Einfach eine Kamera aufstellen und ein bisschen blödeln. Am Anfang hieß es außerdem oft: "Diese Typen, die sind alle steinreich damit geworden"- völliger Schwachsinn. Wir hatten innerhalb von neun Jahren eine Milliarde Aufrufe und am Ende drei Millionen Follower. Im Fernsehen hätten wir uns damit dumm und dämlich verdient, ja, aber auf Youtube ist das wirklich wenig. Wir haben damals pro "Klick" nicht so viel bekommen wie jetzt. Wir haben den Weg geebnet für die Youtuber, die jetzt kommen. Für die ist es nun zum Teil einfacher, daran zu verdienen.
Was würdest Du einem Kind raten, das Dir als Berufswunsch "Youtuber" nennt?
Mit dem Begriff „Youtube-Star“ als eine Art Traumberuf bin ich immer vorsichtig. Unser Traum war das ja auch nie. Youtube ist nur ein Medium und es hat uns geholfen, unsere Videos zu verbreiten. Wenn jemand es liebt, Videos zu machen, Geschichten zu erzählen, dann würde ich sagen: "Mach das!". Aber zu sagen: "Ich will das nur machen, um Youtube-Star zu werden" - das ist die falsche Herangehensweise. Es gibt aber mittlerweile so viele Plattformen, Youtube, Twitter, Instagram, Facebook. Die haben alle großes Potenzial. Da muss man individuell schauen, was am besten passt.
Yilmaz über Selbstinszenierung und seinen neuen Job
Was entgegnest Du, wenn Leute Euch übertriebene Selbstinszenierung vorwerfen?
Dass Selbstinszenierung etwas völlig Normales ist. Das machst du ja auch offline. Wenn du irgendwo hingehst, guckst du auch vorher in den Spiegel und schaust, ob die Frisur sitzt. Du musst natürlich gucken, dass du es nicht übertreibst. Du darfst nicht lügen. Aber irgendwelche Details aufhübschen, ein bisschen damit spielen, das gehört dazu. Da braucht es einfach sehr viel Fingerspitzengefühl. Und wenn man seine Community kennt, dann kriegt man auch schnell mit, ob man sich eventuell zu sehr verbogen hat.
Man überlegt sich also immer zweimal, was man sagt?
Ja, das muss man. Vor allem, wenn es um junge Fans geht, da muss man Vorbild sein. Mit wachsender Reichweite muss man sich eben auch die wachsende Verantwortung bewusst machen.
Glaubst Du, dass die Digitalisierung unsere Offline-Kommunikation beeinflusst?
Ich glaube nicht, dass das Digitale so einen erheblichen Einfluss auf die Offline-Welt hat. Wenn jemand ein schlechter Mensch ist und im virtuellen Raum herumpöbelt, tut er das in der "echten Welt" wahrscheinlich auch - und umgekehrt. Ich sehe die Digitalisierung positiv. Man trifft viel leichter Gleichgesinnte. Ich zum Beispiel komme vom Dorf, da gab es nicht so viele Menschen, mit denen ich Freundschaften schließen konnte. Dank des Internets und der digitalen Kommunikation bin ich dann nach Köln gegangen, habe geheiratet. Ich würde sonst wahrscheinlich jetzt irgendwo in Bayern studieren und ein völlig anderes Leben führen.
Siehst Du keinerlei Gefahren, die die Digitalisierung mit sich bringt?
Eine Gefahr ist, dass man diese Entwicklung in Schulen nicht genug berücksichtigt. Auch Eltern haben oft zu wenig Ahnung. Eltern und Lehrer sollten das Ganze aber nicht als einen bloßen Trend abtun, der bald vorbeigeht, sondern akzeptieren, dass diese digitale Wende da ist. Man kommt nicht mehr drum herum.
Wie möchtest Du Deine Kinder in puncto Digitales erziehen?
So lapidar es klingt: Ich denke, man muss ein "Zwischending" finden. Natürlich ist es Blödsinn, die Kinder von Handys fernzuhalten, bis sie achtzehn sind. Ich will natürlich schon versuchen, meine Kinder relativ lang ohne Handy und iPad aufwachsen zu lassen. Aber sobald um mein Kind herum alle mit sowas zu tun haben, will ich aktiv werden, es damit vertraut machen, ihm die digitale Welt erklären.
Du bist jetzt Berater und Referent in den Themengebieten Social Media und Webvideo. Was genau kann ich mir darunter vorstellen?
Ich berate hauptsächlich Firmen, die den Schritt Richtung Digitalisierung noch nicht geschafft haben. Das Stichwort ist "digitale Transformation". Bei diesem Schritt helfe ich.
Hattest Du nach dem Ende von Y-Titty das Gefühl, Dich jetzt etwas "Seriösem" zuwenden zu müssen?
Y-Titty war ein riesiger Teil meines Lebens - die Hälfte meiner Lebenszeit, an die ich mich aktiv erinnern kann, habe ich damit verbracht. Aber jetzt reicht es eben. Trotzdem: Der Name, die Marke, die wir aufgebaut haben, wird uns noch für Jahre Türen öffnen. Man muss ja auch bedenken, dass ich außer meinem Abitur keinen Abschluss habe – auf dem normalen Arbeitsmarkt hätte ich es ohne meinen Hintergrund und die Erfahrung sicher schwerer.
Und wie läuft Dein Geschäft?
Gerade rennen mir die Leute wirklich die Bude ein. Die Firmen sind sich immer stärker bewusst, dass sie die sozialen Medien nutzen können und müssen, wissen aber oft nicht genau, wie. Es wird ja auch viel Angst gemacht, dass man ohne Social Media den Anschluss verpasst.
Was sind es für Unternehmen, die auf Dich zukommen?
Das ist ganz unterschiedlich. Es sind auch Überraschungen dabei, zum Beispiel arbeite ich mit einer großen Krankenkasse zusammen. Die haben in dem Bereich Social Media natürlich auch Probleme: Krankenkasse, das ist ja nicht sexy. Aber ich hätte das auch nicht erwartet - als die Anfrage kam, musste ich die Versicherung erstmal googeln.
Ist es eher die ältere Generation, die Dich in Sachen digitale Kompetenz um Hilfe bittet?
Das ist ein Mix. Manchmal ist es der Junior, der zu seinem Chef sagt: "Mit dem müssen wir uns mal treffen." Aber es sind in der Tat wirklich öfter die älteren Geschäftsführer, die mich ins Boot holen. Die erkennen, dass sie die Social Media-Kanäle eigentlich nutzen müssten, aber ihnen fehlt selbst einfach die Kompetenz.
Julia Beil