YouTuber treffen Thomas de Maizière: Mit Wissen gegen Radikalisierung und Hass
Bundesinnenminister Thomas de Maizière diskutiert mit YouTubern über den Islam - im Rahmen einer Kampagne der Bundeszentrale für politische Bildung.
Mit klarem Blick schaut Nemi El-Hassad ihren Zuschauern in die Augen. "Sie sagen Dschihad - und meinen dabei nichts anderes als Gewalt, Hass und Intoleranz", sagt sie in die Kamera. Die Botschaft der jungen Muslima ist klar, sie findet deutliche Worte. "Es sind Menschen, deren Ideologie allein auf langen Bärten, abgeschlagenen Köpfen und versklavten Frauen beruht". El-Hassan möchte aufklären - über ein Thema, das zwar ständig besprochen wird, über das ihrer Meinung nach aber viel zu wenig Faktenwissen existiert. Sie möchte aufklären über ihre Religion, den Islam. Das Medium für ihre Mission: YouTube. Ihr heutiger Gesprächspartner: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).
Begriffe wie "Dschihad" und "Kalifat" erklären
Gemeinsam mit Journalist Mirko Drotschmann - auf YouTube unter dem Pseudonym MrWissen2Go aktiv - ist El-Hassan zu Gast in der Bundeszentrale für politische Bildung (Bpb) in Berlin. Dort treffen die beiden Internetaktivisten auf den Bundesinnenminister, der sich am Anliegen und den Projekten der beiden sehr interessiert zeigt. Im Rahmen ihres Bildungsangebot "Begriffswelten Islam" kooperiert die Bpb seit Oktober 2015 mit bekannten YouTubern wie Hatice Schmidt oder LeFloid. In den Videoreihen #whatIS und #travellingIslam, die bisher fast eine halbe Million mal angeklickt wurden, erklären die Internetaktivisten verschiedene Begriffe zum Thema Islam. So posten sie zum Beispiel Videos, in denen den Zuschauern die historischen und theologischen Hintergründe von Begriffen wie "Dschihad" oder "Kalifat" nahegebracht werden. Auch auf Facebook sind die YouTuber aktiv.
Thomas Krüger, Präsident der bpb, sieht ihre Arbeit als "Kerngeschäft politischer Bildung". Ziel sei vor allem die Prävention von Radikalisierungen. Die Wichtigkeit dieser Aufklärungsarbeit ist auch Thomas de Maizière bewusst, der gleich zu Beginn betont, dass in puncto Radikalisierungsprävention die Aufklärung eine zentrale Bedeutung habe: "Wir wollen nicht, dass junge Menschen sich radikalisieren". Dabei ist er sich darüber im Klaren, dass es mittlerweile unmöglich geworden ist, das Internet und vor allem die sozialen Medien auszusparen, wenn junge Menschen erreicht werden sollen. "Viele Menschen haben sich aus den traditionellen Medien abgemeldet", sagt der Innenminister.
"Unwissenheit schafft Angst, Angst schafft Hass"
Auch Mirko Drotschmann, der auf seinem YouTube-Kanal kurze, unterhaltsam aufbereitete "Erklärvideos" postet, ist offenkundig der Meinung, dass Aufklärung über die vielfältigen Teilaspekte des Islam dringend nötig ist. Ignoranz sei fatal: "Unwissenheit schafft Angst. Und Angst schafft Hass", sagt der Journalist. Dabei ist er überzeugt von der Art der Wissensvermittlung, die er und seine Mitstreiter gewählt haben: "Man muss irgendwie Zugang zu den Zuschauern bekommen. Bei YouTube ist man authentisch, auf Augenhöhe". Das helfe dabei, glaubwürdig zu wirken und Interesse zu wecken. Was außerdem die Authentizität unterstreiche: "Wenn man selbst aus der Community kommt", meint Nemi El-Hassan. So ist sie der Ansicht, dass es sowohl für ihre Glaubensgenossen als auch für Nicht-Muslime glaubhafter sei, wenn eine Muslima ihre eigene Religion erkläre. "Die Muslime haben das lange verschlafen", sagt die 20-Jährige. Dabei brauche es ein "Gegengewicht" zu den vielen Menschen, die es sich einfach machten und den Islam schlicht mit Terror gleichsetzten.
Mit Anfeindungen müssen die YouTuber leben
Obwohl die beiden Internetaktivisten viel positive Resonanz bekommen, bleiben auch sie von Hasskommentaren nicht verschont. Auf solche Anfeindungen müsse man "gemäßigt, klug, vielleicht auch humorvoll reagieren", sagt El-Hassan. Diese Einstellung lobt der Bundesinnenminister: "Es ist bewundernswert, dass Objekte dieser Hasskommentare eine solche innere Stärke entwickeln", sagt de Maizière. Trotzdem will er wissen, in welcher Rolle seine Gesprächspartner hier den Staat sehen. Mirko Drotschmann hat dazu eine klare Meinung: Er ist dagegen, alle negativen Kommentare einfach zu löschen. Werde aber eine "rote Linie" in den Bereich der Straftaten überschritten, so müsse man dazu übergehen. Nemi El-Hassan verweist auf die USA, wo Delikte dieser Art sofort unter "Hate Speech" eingeordnet und gelöscht würden. Ein solches System fehle ihr in Deutschland.
Thomas de Maizière zeigt sich verständnisvoll und erklärt, dass es bei "krassen Verstößen" zunächst Absprachen zwischen den Ländern bedürfe. Außerdem müsse größerer Druck auf die Provider ausgeübt werden. "Man muss im Gespräch bleiben, möglichst auch europäisch", sagt der Bundesinnenminister. Denn: "Wenn man wegen Urheberrechtsverletzungen schneller in Bedrängnis kommt als wegen Volksverhetzung, dann stimmt irgendetwas nicht".
Julia Beil