Der Zustand der Welt: Schätze der Natur
Insgesamt geht der Bestand der Tier- und Pflanzenarten weltweit dramatisch zurück Doch es gibt Erfolgsgeschichten, die zeigen, was effektiver Schutz bewirken kann – auch in Deutschland.
Auch wenn der Wolf, der vor wenigen Tagen neben der Autobahn nahe der südbadischen Kleinstadt Lahr gefunden wurde, tot war, ist es schon eine weitere kleine Sensation. Es war der erste Wolf seit 150 Jahren, der in dieser Region aufgetaucht ist. Nachdem die Wölfe in Deutschland im 19. Jahrhundert ausgerottet worden waren, kommen sie nun zurück. Zunächst trauten sie sich aus Polen in die Lausitz, dort haben sie sich fest etabliert. Und nun ziehen sie weiter durch Deutschland auf der Suche nach neuen Revieren. In Niedersachsen sind Wölfe gesichtet worden. Und nun auch in Baden-Württemberg.
Der Wolf gehört zu den sichtbaren Erfolgsgeschichten des Naturschutzes in Deutschland. Er ist aber auch ein besonders anpassungsfähiger Geselle. Der Lebensraum der Wölfe war vor 200 Jahren fast die ganze Welt. Es gab ihn in Indien, in China, in Europa, in Nordamerika – und in Russland ist er nie verschwunden. Die Wölfe kommen deshalb vermutlich auch mit einem sich wandelnden Klima besser zurecht als andere Tier-, Pflanzen- oder Pilzarten, die es womöglich nur an einem Ort gibt, die also beispielsweise auf einer Insel endemisch sind. Woran Wölfe sich aber nur schwer anpassen können, sind dicht besiedelte Gebiete. Der Stuttgarter Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) hat deshalb auch gleich den Wolf-Managementplan aktiviert. Der erste Schritt ist ein Treffen von Naturschützern, Jägern und Bauern, um über den Wolf und den Lebensraum zu sprechen, den ihm diese Gruppen zubilligen wollen. Und darüber, was passiert, wenn sich der Wolf an diese Absprachen nicht hält.
Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat in ihren Roten Listen gefährdeter Arten auch noch andere Erfolgsgeschichten gefunden. Zum Beispiel die Rettung des Iberischen Luchses. Sechs Jahrzehnte lang ging es mit den Bestandszahlen in Spanien nur bergab. 2002 gab es noch 52 Iberische Luchse. 2012 waren es immerhin 156 Exemplare. Auf der Rote Liste machte er einen Platz gut, von „schwer gefährdet“ zu „gefährdet“.
Aber seine Geschichte zeigt auch, was es heißt, Arten, die in in einem kritischen Zustand sind, zu retten. Die IUCN berichtet, dass zunächst die Kaninchenbestände stark erhöht werden mussten, denn das ist die Lieblingsmahlzeit des Iberischen Luchses. Umweltschützer überwachten die Lebensräume, um illegale Fallen beseitigen zu können, in den Zoos gab es Zuchtprogramme für den Iberischen Luchs, und dann wurde er in seinen früheren Lebensräumen wieder eingeführt. Damit die Bauern das akzeptieren, gibt es einen Kompensationsfonds, der zahlt, wenn ein Luchs doch mal einen Hühnerstall plündert.
Inger Andersen, Chefin der IUCN, sagt, dass „wirksamer Naturschutz herausragende Ergebnisse bringen kann“. Das sehen auch der Chef der Europäischen Umweltagentur (EEA) Hans Bruyninckx und die Chefin des Bundesamts für Naturschutz (BfN), Beate Jessel, nicht anders. Beide haben bei der Vorlage ihrer Bestandsaufnahmen die Erfolge des Naturschutzes betont. Und dennoch mussten alle drei vor allem schlechte Nachrichten überbringen. Auf der Roten Liste der IUCN stehen insgesamt 77 340 gefährdete Arten, 22 784 davon sind akut vom Aussterben bedroht. 85 Prozent der gelisteten Arten leiden darunter, dass ihre Lebensräume zerstört werden, sei es durch den Bau von Straßen, Häusern oder anderer Infrastruktur sowie durch die Ausweitung von Agrarflächen. Jessel hat vor allem auf den Agrarflächen einen dramatischen Artenverlust dokumentiert. Feldvögel wie Kiebitz oder Lerche gibt es kaum noch. Ihre Bestände gehen mit der weiteren Intensivierung der Landwirtschaft immer weiter zurück. Selbst Bienenvölker überleben in Berlin leichter als auf den Agrarwüsten in Brandenburg.
Wilderei und illegaler Handel bedrohen Arten wie Nashörner, Elefanten, Tiger und Löwen. Das Horn der Nashörner wird in Vietnam teurer verkauft als Kokain. Nashörner sind in West- und Zentralafrika verschwunden, auch in Ostafrika sind sie vom Aussterben bedroht. Auch Löwen gibt es in West- und Zentralafrika nur noch sehr wenige, jedenfalls nicht in einer überlebensfähigen Zahl. Das liegt zum einen daran, dass sie kaum noch Lebensräume haben, aber zum anderen aber auch daran, dass es für die chinesische Medizin nicht mehr genügend Tigerknochen gibt und immer öfter Löwenknochen verkauft werden, denn die beiden Raubkatzen sind fast gleich groß.
Bruyninckx berichtete, dass knapp die Hälfte der Vögel in europäischen Agrarlandschaften im Bestand als stabil gelten. Aber bei 40 Prozent der Feldvögel sinken die Populationen. Insgesamt gibt es nur bei sechs Prozent der Arten in Europa steigende Bestandszahlen, während sie bei 22 Prozent sinken. Jessel berichtete, dass ein Drittel der Arten in Deutschland gefährdet ist. Sie fordert deshalb dringend Änderungen in der Landwirtschaft. Zumindest Blühstreifen entlang der Felder und ein paar Feldgehölze sollten übrig bleiben, findet sie. Zudem verlangt sie ein Verbot für den Grünlandumbruch, also die Umwandlung von Weideflächen in Ackerflächen. Ein Schutzgebietssystem soll die Erfolge im Naturschutz sichern, die Flüsse sollen wieder mit Auen verbunden werden, und fünf Prozent der Wälder sollten aus der Nutzung genommen werden. Damit aber wiederholt sie nur die Regierungsbeschlüsse, die das Kabinett mit der Biodiversitätsstrategie beschlossen hat – im Jahr 2008.
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