Raumfahrt: Ein rotes Auto in der Umlaufbahn
Die Superrakete „Falcon Heavy“ des Milliardärs Elon Musk ist erfolgreich gestartet. Privatunternehmen geben einer neuen Ära der Raumfahrt ihre Impulse.
So ganz wohl war Elon Musk nicht. Der Milliardär und Unternehmer ist bekannt für seine ehrgeizigen Projekte wie die Tesla-Elektroautos oder den geplanten Bau von unterirdischen Röhren mit Hochgeschwindigkeitszügen. Doch als Musk am Dienstag am Weltraumstartplatz Kennedy Space Center in Florida auf seine „Falcon Heavy“ blickte, überkamen ihn Zweifel an der stärksten derzeit funktionsfähigen Rakete der Welt, gestand er später ein. Er rechnete mit einer riesigen Explosion. Musks Sorgen waren unbegründet. Die „Falcon Heavy“ legte einen Bilderbuchstart hin und eröffnete ein neues Kapitel der Raumfahrt, in dem Privatunternehmen und nicht mehr Staaten den Ton angeben und die USA wieder von der Eroberung ferner Welten träumen lässt.
Sieben Jahre nach dem Ende der Space Shuttles und fast ein halbes Jahrhundert nach der ersten Mondlandung löst die in den vergangenen Jahren als teuer und überflüssig kritisierte Raumfahrt plötzlich wieder Begeisterung aus. Große Visionen wie die von Musk mögen angesichts der vielen Probleme auf der Erde wie das überehrgeizige Hobby eines Mannes mit zuviel Geld erscheinen. Doch nur so ließen sich neue Horizonte erschließen, sagte der Raumfahrthistoriker John Logsdon der „Washington Post“. Der Start der „Falcon Heavy“ markiere die „Wiederbelebung des Entdeckergeistes“ in der Raumfahrt.
Bowies Song erklingt an Bord
Die „Falcon Heavy“ ist gewissermaßen ein Dreierpack aus Geschossen des Typs „Falcon 9“, die schon länger im Einsatz sind. Mit der neuen Rakete sollen schwere Ladungen wesentlich billiger ins All geschafft werden können, als das bisher möglich ist. Zu den Erfolgen des Tages gehörte die saubere Punktlandung von zwei wiederverwendbaren Zusatz-Triebwerken, die für die Kostensenkung wichtig sind. Ein dritter so genannte Booster zerbrach beim Aufprall aufs Meer, doch das konnte die Freude von Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX über den gelungenen Einstand der „Falcon Heavy“ nicht trüben.
Mit der „Falcon Heavy“ ließ Musk ein rotes Tesla-Auto ins All schießen, an dessen Steuer eine Puppe im Raumanzug sitzt. Dazu lief David Bowies Lied „Space Oddity“, dessen Zeile „Ground Control to Major Tom“ weltweit bekannt ist. Auf dem Monitor am Armaturenbrett erschien der Satz „Keine Panik!“, eine Anspielung auf die Erfolgsbücher „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams. Auto, Puppe, Bowie-Hit und der Adams-Spruch werden nun möglicherweise mehrere Millionen Jahre um die Sonne kreisen. Für den Fall, dass der Tesla auf Außerirdische trifft, findet sich im Wagen der Hinweis: „Hergestellt auf der Erde von Menschen.“
Günstig ins All
Fotos des roten Roadsters vor der blauen Erdkugel, die aus der Umlaufbahn auf die Erde gefunkt wurden, sind nicht nur gute Werbung für Musks Tesla-Firma. Die Bilder stehen auch für etwas, das der Raumfahrt in den letzten Jahren gefehlt hat: Spaß und eine Prise Verrücktheit. „Etwas albern und lustig“ sei die Sache mit dem Roadster schon, sagte Musk, aber: „Alberne und lustige Dinge sind wichtig.“
Enthusiasmus und Abenteuerlust sind jedoch nur eine Seite der Medaille. Der aus Südafrika stammende Musk will Geld verdienen. Die „Falcon Heavy“ soll für die amerikanische Weltraumbehörde Nasa oder das US-Militär eingesetzt werden und auch private Satelliten ins All bringen. Die neue Rakete kann 70 Tonnen Ladung für rund 90 Millionen Dollar in eine Erdumlaufbahn transportieren. Damit ist Musks Firma wesentlich billiger als etwa die Nasa, die laut einem Bericht der britischen Zeitung „Guardian“ für Transporte in ihrer eigenen geplanten Groß-Rakete eine Milliarde Dollar pro Flug verlangen will. Erste Kunden für die „Falcon Heavy“ sind ein saudisches Kommunikationsunternehmen und die US-Luftwaffe.
Besiedlung von Mond und Mars
Privatunternehmen statt staatlicher Institutionen geben der neuen Ära ihre Impulse. Auch andere Milliardäre wie Amazon-Chef Jeff Bezos oder Virgin-Gründer Richard Branson träumen vom großen Geschäft mit der Raumfahrt. Musk sagte dazu, er freue sich auf das neue „Wettrennen im All“, das anders als der vom Kalten Krieg geprägte Wettlauf zum Mond in den 1960er Jahren nicht von Großmächten, sondern von reichen Unternehmern ausgetragen wird. Musk will sich dabei nicht mit der Rolle eines Raumfahrt-Spediteurs begnügen. Er strebt buchstäblich nach Höherem – der Besiedlung von Mond und Mars. Nach dem erfolgreichen Test der „Falcon Heavy“ steht bis Mitte des nächsten Jahrzehnts der Bau einer noch größeren Rakete an, der „Big Falcon Rocket“ – von Musk auch „Big Fucking Rocket“ genannt. Sie soll auch Menschen ins All bringen.
Musk spielt mit dem Gedanken, seine Raketen für Fernreisen auf der Erde einzusetzen. Wenn eine Rakete so billig betrieben werden könnte, würden Reisen, die heute im Flugzeug zehn oder mehr Stunden dauern, künftig nur noch eine halbe Stunde brauchen. Auch sei der Flug außerhalb der Atmosphäre „sanft wie Seide“ und ohne Turbulenzen, schwärmt Musk: „Dort gibt es kein Wetter.“