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Allradantrieb. Wenn der Jungfernflug der Falcon Heavy Rakete des Raumfahrtunternehmens SpaceX im Laufe der nächsten Tage gelingt, dann könnte bald das erste Auto im All um die Erde kreisen – wenn auch nur als Testlast im Kopf der Konstruktion.
©  SpaceX

Elon Musks Raumfahrtprogramm: Stärkste Rakete der Welt trägt ein Auto ins All

Mit einem Konstrukt aus 27 Triebwerken will SpaceX in wenigen Tagen die erste Schwerlast ins All schießen: einen Tesla.

An der Startrampe 39A des Kennedy Space Center in Florida, wo vor fast 50 Jahren die ersten Astronauten zum Mond aufbrachen, wartet derzeit die schubstärkste Rakete der Welt auf ihren ersten Einsatz. Dieses 70 Meter hohe Ungetüm ist beinahe so leistungsstark wie die Mondrakete Saturn V, stammt aber nicht von der Nasa, sondern von der US-Raumfahrtfirma SpaceX. Deren Chef Elon Musk plant irgendwann einmal die Besiedlung des Mars und will, irgendwann davor, Menschen auch zum Mond zurückbringen. Nur ein Detail stört den historischen Vergleich: An der Spitze der Rakete sitzt längst noch kein moderner Neil Armstrong, sondern nur ein Werbegag – ein Elektroauto aus Musks Autokonzern Tesla. Ob die Falcon Heavy schon beim ersten Versuch der irdischen Schwerkraft überhaupt entkommen kann, weiß selbst Musk nicht so genau: Er sei froh, wenn die Rakete es weit genug von der Startrampe weg schafft, damit diese keinen Schaden davonträgt, sagte Musk auf einer Konferenz im vergangenen Jahr. Einen Millionen Dollar teuren Satelliten will er bei diesem Erststart offenbar nicht riskieren.

Die Rakete steht bereits auf der Startrampe in Cape Canaveral

Dabei spricht einiges für einen erfolgreichen Jungfernflug – der bislang für Ende Januar geplant war, sich aber aufgrund des kurzen haushaltsbedingten Stillstands in US-Behörden wie der Nasa wohl auf Anfang Februar verzögert hat. Die neue Rakete fußt auf den soliden Erfahrungen von SpaceX. Das Arbeitspferd des Raumfahrtaufsteigers ist die Falcon 9, die vor gerade einmal sieben Jahren auf dem gleichen Startplatz antrat, das globale Raketengeschäft dank niedriger Preise umzukrempeln. Während die Konkurrenz in Westeuropa, Russland und China noch wegen gelegentlicher Fehlstarts feixte, besserte SpaceX in Rekordzeit nach. Durch Massenproduktion eines einzelnen, kleinen und ständig verbesserten Triebwerktyps namens Merlin senkte SpaceX seine Kosten immens. Im nächsten Schritt perfektionierten die Ingenieure ihre Fähigkeiten im Recycling: Beinahe ausgebrannte Raketen-Erststufen landen seither fast immer weich und aufrecht, damit sie später wiederverwendet werden können. Alle anderen Triebwerke auf dem Markt sind dagegen aufwendig gefertigte Einzelstücke, die nach dem Start verglühen oder abstürzen. Deshalb bringt die Falcon 9 Satelliten heute weit günstiger ins All als die Ariane, andere US-amerikanische Trägersysteme und selbst als die Raketen aus Russland oder China.

Ein Tesla als Testlast. Das Auto soll, wenn der Start der Falcon-Heavy-Rakete gelingt, "endlos im All driften und vielleicht von Außerirdischen in Millionen von Jahren entdeckt werden", so twitterte es Elon Musk.
Ein Tesla als Testlast. Das Auto soll, wenn der Start der Falcon-Heavy-Rakete gelingt, "endlos im All driften und vielleicht von Außerirdischen in Millionen von Jahren entdeckt werden", so twitterte es Elon Musk.
© SpaceX

Die Kritiker verstummen

Wohl auch deshalb reden nur noch wenige über das neuste Stück Ingenieurskunst aus dem Hause SpaceX schlecht: „Gegen die Falcon-Raketen wird viel Zweckpessimismus verbreitet“, sagt Hansjörg Dittus, im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zuständig für Raumfahrtforschung und Technologieentwicklung. Die ohnehin schockstarre Branche weiß, dass die neue Rakete sicher nicht sofort rund läuft, aber es binnen kurzer Zeit tun könnte.

Die Falcon Heavy sieht aus, als hätten die Entwickler einfach drei der bewährten Falcon-9-Raketen aneinander geschweißt. Und in der Tat feuern beim Start schlicht dreimal mehr Merlin-Triebwerke, um das 1,4-Millionen-Kilogramm-Ungetüm gen Himmel zu heben. Was nach simpler Vervielfachung klingt, birgt neue Risiken: Der einzige mit gut 30 Triebwerken ausgestattete Träger der Raumfahrtgeschichte war die russische Mondrakete N1, deren vier Startversuche vor gut 40 Jahren allesamt in Explosionen endeten. Weil die Entwickler damals die entstehenden Vibrationen so vieler einzeln feuernder Düsen unterschätzten, schaukelten sie sich ins Unkontrollierbare auf. Laut Hansjörg Dittus waren diese Probleme noch unzureichenden Erfahrungen während des turbulenten Wettlaufs zum Mond geschuldet. „Wir haben heute viel bessere regelungstechnische Möglichkeiten als noch vor 50 Jahren“, sagt der Physiker. „Ich denke, die SpaceX-Ingenieure kriegen das hin.“

Für 1400 Dollar pro Kilogramm ins All - ein Schnäppchen

Raketentechnologie ist im Jahr 2018 mehr denn je einem enormen Innovationsdruck unterworfen – das zeigt das neue Großgerät von SpaceX schon vor dem Start. Chinesische Raumfahrtunternehmen denken derzeit über wiederverwendbare Raketen nach, während Europas derzeit entwickelte Ariane 6 mit günstigen Produktionsverfahren irgendwie gegen Musks Dumpingpreise ankommen soll. Auch die Falcon Heavy geht den Weg einer Billigrakete: Ihre Einzelteile sollen wieder landen können, in spektakulärer Choreografie. Die zwei seitlichen Booster kommen zurück nach Cape Canaveral, wo sie zeitgleich auf zwei Landeplätzen zum Stehen kommen, während die mittlere Stufe hunderte Kilometer entfernt auf einem unbemannten Drohnenschiff landen soll. All das kann SpaceX bereits. Dadurch und bei ausreichender Nachfrage könnte die Falcon Heavy Nutzlasten für 1000 US-Dollar pro Kilogramm ins All befördern, hatte Elon Musk 2011 versprochen. Derzeit sind Starts auf der SpaceX-Webseite für 1400 Dollar pro Kilogramm ausgeschrieben. Für eine Großrakete ist auch das schon ein Schnäppchen.

Nur gegen wen die neue Rakete eigentlich konkurrieren soll, ist unklar, kann sie doch doppelt so viel Masse in einen niedrigen Erdorbit schießen wie die heute schubstärksten Träger der Welt. Zunächst ist es wohl der lukrative Markt für oft massive US-Spionagesatelliten. Diese müssten jedoch in mehrfacher Ausführung starten, um die Falcon Heavy überhaupt auszulasten.

Das Ziel: Die bemannte Raumfahrt

Vor allem dürfte es SpaceX auf die bemannte Raumfahrt abgesehen haben. Zu solchen Zwecken lässt die Nasa seit Jahren eine neue Schwerlastrakete namens Space Launch System entwickeln, die durch einen Erfolg der Falcon Heavy in Bedrängnis geraten könnte. Der von mehreren alteingesessenen US-Raumfahrtfirmen gebaute Träger soll in einigen Jahren bemannte Nasa-Raumschiffe zur Internationalen Raumstation, später vielleicht auch bis zum Mond bringen, wie Donald Trump kürzlich verkündete.

Dass Musk genau in diesem neuen Markt Fakten schaffen will, zeigt der weitere Flugplan der Falcon Heavy: Nach einigen experimentellen Satelliten soll möglichst schon Ende 2018 das von SpaceX gebaute Raumschiff Dragon von einer Falcon Heavy zu einer Mondumrundung geschickt werden, mit zwei zahlenden Touristen an Bord. Dieser Schachzug dürfte aber nur gelingen, wenn die Falcon Heavy beweisen kann, dass sie tatsächlich fliegt.

Karl Urban

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