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Fast lautlos und ganz schön schnell: E-Roller werden immer beliebter.
© Lino Mirgeler/dpa

Gefahr durch E-Roller: Ein ganz leises Risiko

Elektrofahrzeuge sind sparsam und schonen die Umwelt. Aber die E-Roller bereiten Experten Sorgen: Sie sind bis zu 45 Stundenkilometer schnell – und für Fußgänger und Radfahrer kaum zu hören.

Mit der App geht es ganz schnell. Kurz auf der Karte im Internet nachgucken, wo der nächste Elektroroller steht, hingehen, per App aufschließen, Helm aufsetzen und losfahren. Das Ausleihen von Elektrorollern wird in Berlin immer beliebter. Die Nachfrage ist so groß, dass selbst die Anbieter überrascht sind: „Unser Start im Jahr 2016 hat unsere Erwartungen übertroffen, so auch der Ausbau unserer Flotte in diesem Jahr“, sagt Julia Grothe vom Start-Up Coup.

Angefangen hat das Unternehmen mit 200 Elektrorollern. Mittlerweile hat Coup auf 1000 Elektroroller aufgestockt. Neben Coup vermietet auch noch der Sharing-Anbieter Emmy in der Hauptstadt Elektroroller. Und so kurven immer mehr E-Roller durch die Innenstadt – nicht nur in Berlin.

So positiv diese Alternative im Hinblick auf Energieverbrauch, Lärm und Umweltbelastung auch ist, Elektroroller bringen nach Ansicht mancher Experten genauso wie E–Autos, Pedelecs und E-Bikes ein neues Risiko in den Straßenverkehr, denn: Für Fußgänger und Radfahrer sind sie kaum zu hören. Während der klassische Verbrennungsmotor kräftig brummt, gibt der E-Motor kaum einen Ton von sich, höchstens ein leises Sirren – und das auch bei der für die meisten E-Roller maximal zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 45 Stundenkilometern.

Ab 2019 müssen Elektroautos Fahrgeräusche simulieren

„Ich bin überzeugt, dass sich Fußgänger und Radfahrer im Straßenverkehr sehr auf ihr Gehör verlassen“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Deswegen steigt für sie die Unfallgefahr, vermutet er. Weil Experten davor warnen, hat die EU für Elektroautos bereits vor drei Jahren mit einer Verordnung „über den Geräuschpegel von Kraftfahrtzeugen“ Tatsachen geschaffen . Ab 2019, so ist es darin festgelegt, müssen Elektroautos Fahrgeräusche simulieren, damit sie nicht überhört werden.

Zumindest bei Geschwindigkeiten von bis zu 30 Stundenkilometern soll der Simulator zum Einsatz kommen. Bei höheren Geschwindigkeiten seien die Wind- und Reifengeräusche laut genug. Eine sinnvolle Idee, findet Brockmann. Ob die Eigengeräusche ab 30 Stundenkilometer ausreichen, bezweifelt er. Zahlen, die eine erhöhte Unfallgefahr belegen, gibt es bislang nicht.

Dafür sind noch zu wenige Elektroautos auf den Straßen unterwegs – 34 022 waren es zu Jahresbeginn. Und bei Unfällen unterscheidet die Polizei nicht, ob das Unfallfahrzeug von einem Elektromotor oder einem Verbrennungsmotor angetrieben wird.

„Die Errungenschaft, durch Elektroautos unsere Städte leiser zu machen, darf man nicht so einfach aufgeben, indem wir den Verkehr wieder künstlich lauter machen“, sagt ein Sprecher des ADAC. Der Automobilclub geht zwar auch davon aus, dass die Unfallgefahr durch die leisen Elektrofahrzeuge steigt. Die Lösung müsse aber in der Aufklärung und Sensibilisierung liegen. Die Menschen brauchen ein Bewusstsein für die leisen Fahrzeuge.

Leisten müssten das die Hersteller, Autoverkäufer, Polizei, Automobilclubs und Verbände, die sich der Verkehrssicherheit widmen. Stattfinden könnte die Sensibilisierung beim Autoverkauf, in Fahrschulen und bei der Verkehrserziehung in Schulen. „Besonders Kinder und Senioren müssen lernen, dass man nicht jedes Auto hört“, so der ADAC.

Keinen Handlungsbedarf sieht der ADFC, der sich für die Interessen der Fahrradfahrer einsetzt. „Nimmt zum Beispiel ein vor einer Ampel wartender Radfahrer ein hinter ihm wartendes Auto akustisch wahr, weil es einen lauten Dieselmotor hat, ist es zweifelhaft, ob das einen Sicherheitsvorteil bietet“, sagt ADFC-Verkehrsexperte Robert Huhn.

Denn der Autofahrer habe den Radfahrer im Blickfeld. Die viel größere Gefahr drohe Radfahrern vor allem von herankommenden Autos, nicht von denen, die sich gerade erst in Bewegung setzen. „Aber auch hier trägt das Motorengeräusch nicht zur Sicherheit bei oder allenfalls sehr selten.“

Bei E-Bikes keine erhöhte Unfallgefahr nachweisbar

Was für Elektroautos gilt, gilt nicht für Zweiräder. E-Bikes, Pedelecs, E-Motorräder und Elektroroller werden von der EU-Verordnung nicht berücksichtigt. Sie brauchen keinen Geräuschsimulator. „Im Zweifel muss man nachjustieren“, sagt Unfallforscher Brockmann. Er spricht sich klar für Zweiräder mit Geräuschsimulator aus.

Zumindest bei E-Bikes ist keine erhöhte Unfallgefahr nachweisbar. Für Berlin gibt es keine Zahlen, da die Polizei bei Fahrrädern nicht unterscheidet. Die Polizei in Köln ist genauer. In der Domstadt unterscheidet sie zwischen Pedelecs, deren Motor nur unterstützt, wenn der Fahrer tritt, E-Bikes, die auf Knopfdruck losfahren und klassischen Fahrrädern.

Von 2014 bis Juni 2017 registrierte die Polizei 6375 Fahrradunfälle mit Personenschaden. 54 Mal verunfallten Pedelecs. An lediglich 14 Unfällen waren E-Bikes beteiligt. Die Einschätzung der Kölner Polizei: Für den Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Köln lasse sich „zu den Pedelecs und E-Bikes sagen, dass trotz eines subjektiv empfundenen und objektiv festzustellenden, höheren Anteils an der Verkehrsbeteiligung keine ansteigende Beteiligung an Verkehrsunfällen vorliegt und von ihnen auch keine erhöhte Unfallgefahr ausgeht“.

Vorteil: Kein Verkehrslärm

ADFC-Verkehrsexperte Huhn wehrt sich gegen Forderungen, E-Bikes mit einem Geräuschsimulator auszustatten: „Nahezu alle verkauften Elektroräder schalten bei 25 Stundenkilometern die Motorunterstützung ab. Das ist eine Geschwindigkeit, die auch Fahrräder ohne Motor erreichen.“

Deshalb könnten und sollten Elektrofahrräder lautlos sein. Es sei sogar einer der vielen Vorteile des Fahrrads, dass es nicht zum Verkehrslärm beiträgt. „Bei Bedarf können Radfahrer sich durch Klingeln bemerkbar machen. Das gilt auch für Elektroräder. Die gezielte Warnung ist sinnvoller als unnötiger Dauerlärm“, sagt Huhn.

Philipp Schaffranek

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